Ueber Schuldenfundation                                     24.5.-26.5.56.

 

J.Z. an Bth., 24.5.56:

 

Der Schuldner ist verpflichtet, die Zahlungsmittel, die sein Glaeubiger emittiert hat, zum Nennwert gegen sich gelten zu lassen, (a)

 

Auch dann, wenn er einen in 3 Monaten faelligen Kredit erhalten hat und bereits nach l Monat Gutscheine des Glaeubigers in Hoehe seiner Schuld praesentiert bekommt? (b)

 

Stehen die Gutscheine auf pari, so ist alles in Ordnung, er koennte sie annehmen, ohne Schaden zu erleiden, (c)

 

Haben die Scheine aber ein Disagio, so muesste er sie zum Nennwert annehmen und koennte sie nur dem Glaeubiger zum Nennwert weitergeben. Dabei koennte er m. E. in Verlegenheit geraten. Er hat jetzt andere Ausgaben einkalkuliert als die Rueckzahlung der Schuld, z.B. Loehne. Bei den Arbeitern wird er wahrscheinlich die Scheine nicht einmal mit Disagio los. Er muss sich also zu einem groesseren Disagio Lohnzahlungsmittel eintauschen. Der dem Disagio entsprechende Betrag geht zu seinen Lasten. (d)

 

Der Schuldner kaeme nicht in Verlegenheit, wenn er die Scheine auch mit Abschlag annehmen koennte, ihm gegenueber also nur der Zwangsumlauf, nicht der Zwangswert gelten muesste (e),

 

oder wenn er die Scheine erst nach der Faelligkeit der Schuld zum Nennwert annehmen muesste. (f) (g)

 

Annahmepflicht zum Nennwert duerfte aber auch dann nicht ueber den Betrag seiner Schuld hinausgehen. (h)

 

Was sollte er mit dem uebersteigenden Betrag anfangen? (h)

 

Diese Erwaegungen spielen aber wohl nur eine Rolle, wenn das Disagio 5 % uebersteigt. Geschieht dies, so liegt wohl meist Betrug von selten des Emittenten vor. (l)

 

Zube, 24.5.56.

 

 

Hierzu antwortete U.v.Beckerath. am 26.5.56 :

 

a.) Ja! Vorausgesetzt, dass der Schuldvertrag ihm erlaubt, zu jeder Zeit die Schuld ganz oder zum Teil zurueckzuzahlen.

Schuldvertraege dieser Art kommen selten vor, und dann in der Regel nur, wenn der Geldgeber eine nicht auf Gewinn rechnende Institution ist, z.B. eine Building and Loan Association, eine Mutual Savings Bank, ein Leihhaus oder eine Ladengemeinschaft, die Darlehen in ihren Gutscheinen gewaehrt. Da wo Kapitalueberfluss herrscht, da verlangt der Glaeubiger in der Regel, dass nicht-tilgungsplanmaessige Rueckzahlungen seiner vorherigen Zustimmung beduerfen. Sogar die alten, englischen Building Societies erlaubten Rueckzahlungen ueber das im Tilgungsplan vorgesehene Ausmass hinaus nur zu bestimmten Daten (z.B. Quartalsende) und nach vorheriger Ankuendigung, z.B. einen Monat vorher. Diese Bestimmungen sicherten den Glaeubiger vor der Moeglichkeit, dass folgendes geschah: Er hatte etwa ein Darlehen zu 6% p.a. gegeben, und waehrend der Tilgungszeit geht der Marktzins auf 3 % zurueck, so dass der Schuldner sich ein neues Darleben besorgt, das ihn nur 3 % p.a. kostet. Nun zahlt der Schuldner das erste Darlehen zurueck, und der Glaeubiger kann das zurueckgezahlte Kapital nur zu 3 % anlegen.

 

b.) Es ist dem Glaeubiger billigerweise nicht zuzumuten, sich von derartigen, bei seinem Schuldner eintretenden Ereignissen abhaengig zu machen.

 

c.) Ja!

 

d.) Daran ist nichts zu aendern! Man muss aber folgendes bedenken, wenn es sich um groessere Betraege handelt, etwa 10 000 DM Schuld.

Der Schuldner hat ein Plakat aushaengen, welches anzeigt, dass er die Scheine der und der Firma zu pari annimmt, gleichgueltig, welches der Kurs ist. Nun kommen successive alle Leute zu ihm, die Disagio-Scheine der Firma besitzen. Der Schuldner nimmt sie alle an. Dadurch verschwinden aber die Scheine mitsamt ihrem Disagio aus dem Verkehr. Nachdem der Schuldner fuer ein paar hundert DM Scheine angenommen hat, werden sie sehr wahrscheinlich auch am Markt wieder auf pari stehen (Durch Umsaetze von ein paar hundert Mark? J.Z. 22.11.83.), besonders dann, wenn ein vernuenftiger Grund fuer das Disagio nicht vorhanden ist. Ist allerdings doch ein vernuenftiger Grund vorhanden, so wird der Schuldner aus seiner Erfahrung die Lehre ziehen, sich in Zukunft nur mit solchen Glaeubigern einzulassen, deren Papier wahrscheinlich kein berechtigtes Disagio erfahren wird.

 

e.) Vielleicht laesst sich der Glaeubiger ausnahmsweise darauf ein; normalerweise wird er sich nicht darauf einlassen. Bestaendiger Parikurs der Scheine ist fuer den Glaeubiger die conditio sine qua non, dass er laufend Darlehensgeschaefte macht.

 

f.) An dem Tage, an dem die Schuld faellig wird, muss sie der Schuldner bezahlen. Nachher hat der Schuldner kein Interesse mehr daran, Scheine zu pari in seinem Zahlungsverkehr anzunehmen, wenn er alle Verpflichtungen gegenueber seinem frueheren Glaeubiger erfuellt hat, und er die Scheine, wenn er keinen Verlust erleiden will, nur mit Disagio annehmen kann.

 

g.) Eine Prolongation der Schuld wuerde dem Schuldner hier nichts helfen. Er muss die Scheine mit 100 % Kurs in Zahlung nehmen, und wenn er das gemacht hat, so ist die schleunige Weitergabe zu 100 % an den Glaeubiger fuer ihn die beste Anlage der Scheine.

 

h.) Richtig!

 

i.) Auch 5 % Disagio koennen unangenehm sein; in jedem Fall ist der Glaeubiger verhindert, neue Darlehensgeschaefte zu machen, wenn seine Scheine auf 95 % stehen. Daher das grosse und berechtigte Interesse des Glaeubigers, seine Schuldner zu Annahmestellen der Scheine zu machen, wo jeder die Scheine zu 100 % loswird. Dadurch werden die Leute, die an der Boerse die Scheine zu 95 % anbieten, so lange als Spekulanten erscheinen, bis sie das Gegenteil bewiesen haben.

Betrug wird so leicht nicht vorkommen, da ja jeder leicht die Deckung der Scheine nachpruefen kann. Die Deckung besteht in den Warenvorraeten der Schuldner und in denen des Glaeubigers selbst. Die Adressen der Schuldner aber sind leicht der beim Glaeubiger aufliegenden Schuldnerliste zu entnehmen.

Machinationen von Konkurrenten oder Feinden des Glaeubigers koennen aber sehr wohl vorkommen. Im frommen Amerika werden vielleicht in kleinen Orten die Kirchen gegen einen Glaeubiger intrigieren, der fuer einen Freigeist gilt.

 

Bth.

26.5.56.

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Pages 3467-3468.