U. v. Beckerath, ...

17.4.1951.

Ihr Brief vom 12. d. M., eingegangen gestern.

 

      Lieber Herr Dr. Runge,

 

die von Ihnen entworfenen "Verwaltungs-Bedingungen des Haus-Sammelbesitz-Vereins" hoffe ich in den naechsten Tagen durcharbeiten zu koennen. Ich laboriere immer noch an den Nachwirkungen des Winters und bin nur kurze Zeit am Tage arbeitsfaehig.

      Heute nur ueber den Zwangskurs. Dass Sie Ihre Abneigung gegen den Zwangskurs in so unzweideutiger Weise bekunden, hat mich sehr gefreut. Tatsaechlich gehen alle Uebel unserer Zeit in letzter Linie auf den Zwangskurs zurueck. Das Beste, was je darueber gesagt worden ist, das hat Adolf Wagner in seiner Schrift ueber das russische Papiergeld gesagt. Diese Schrift enthaelt sehr viel mehr als der bescheidene Titel verspricht. Ich nehme an, dass die dortige Universitaetsbibliothek sie enthaelt. Es lohnt sich sehr, sie zu lesen, wenn sie auch vor ca. 90 Jahren geschrieben wurde.

(J.Z.: Dr. Adolph Wagner, Die Russische Papierwaehrung, 1868, 307 S., mit 5 S. Anmerkungen von mir, wurde in PEACE PLANS Nr. 777 verfilmt. Weitere 3 Schriften von A.W. wurden ebenfalls in dieser Serie verfilmt. Aber noch nicht die erste Ausgabe seiner "Zettelbankpolitik", die am meisten fuer Geldfreiheit eintrat. - J.Z., 26.10.03.)

 

      Es gibt mehrere Arten von Zwangskurs, insbesondere:

 

1.) die Art von Zwangskurs, wodurch dem Volke befohlen wird, z.B. einen Papierschein von 20 Mark einem Goldstueck von 20 Mark gleichzuachten, bei Verkaeufen keinen Unterschied zwischen Goldgeld und Papiergeld zu machen, etc. Vom Silber gilt mutatis mutandis dasselbe wie vom Golde.

2.) die Art von Zwangskurs, bei welcher die Werteinheit ueberhaupt kein festes oder kein dem Volke erkennbares Verhaeltnis zum Edelmetall hat, wobei aber kein anderes Zahlungsmittel umlaufen darf als das von der Monopolbank oder das von der Regierung selbst emittierte.

 

      Das 19-te Jahrhundert hat in erster Linie den Zwangskurs Nr. 1 untersucht. In unserer Zeit ist der Zwangskurs Nr. 2 vorherrschend geworden.

      Das deutsche Papiergeld ist mit Zwangskurs Nr. 2 ausgestattet. Nur scheinbar hat dieses Papiergeld wenigstens indirekt eine Beziehung zum Golde, indem es an den Dollar angehaengt ist (4,20 DM = 1 $), der Dollar aber offiziell 1/35 Unze troy Feingold wert ist. Aber, diese Relation: 35 Papierdollars = 1 Unze, besagt nur, dass die USA Regierung fuer eine Unze Feingold 35 ihrer Papierdollars hergibt. In keinem amerikanischen Gesetz ist etwas darueber gesagt, wie viel Gold man fuer Papierdollars bekommt. Die Rechnung in Gold, z.B. Auszeichnung mit Goldpreisen in den Laeden, ist verboten, so dass auch der $ eine reine Papierwaehrung ist. Auch er ist mit Zwangskurs Nr. 2 ausgestattet.

      Wenn nun ein amerikanischer Oekonomist dafuer eintritt, dass der Papierdollar "exclusive currency" bleibt, oder wenn er es als selbstverstaendlich voraussetzt, so ist er dadurch ein Anhaenger des Zwangskurses. Mir ist nur ein amerikanischer Oekonomist bekannt, der das nicht ist, Faulkner, und der steht nicht im mindesten Ansehen - - zur grossen Schande seiner Landsleute, denn das, was ich von ihm gelesen habe, ist sehr gut.

(Ich habe bisher noch keine einzige Schrift von ihm gefunden. - J.Z., 26.10.03.)

      Aber auch deutsche Oekonomisten sind Anhaenger des Zwangskurses, wenn sie die DM als exclusive currency beibehalten wollen. Nun habe ich aber in allen Ihren Ausarbeitungen nichts darueber gefunden, dass Sie der DM ihre Eigenschaft als exclusive currency nehmen wollen. Wenn es Ihre Absicht ist, den Deutschen Waehrungsmuendigkeit gewaehren zu wollen und Sie somit fuer die 9 monetaeren Freiheiten eintreten wollen - - es wuerde mich sehr freuen in der Beziehung etwas von Ihnen zu lesen.

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      Dass der Adam Smith nichts von einem Strafgroschen oder etwas Aehnlichem gesagt hat, das hatte ich Ihnen schon oefters durch Hinweis auf die hier in Frage kommende Stelle bei Adam Smith gezeigt, hatte Ihnen auch den englischen Text abgeschrieben. Sie glauben mir aber nicht! Sie koennen mich in sehr einfacher Weise widerlegen, indem Sie die Stelle bei Adam Smith, die Sie zu Ihren Gunsten anfuehren wollen, nach Kapitel, Absatz und Zeile bezeichnen. Der Adam Smith wird ja in Heidelberg zu haben sein.

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      Recht haben Sie mit Ihrer Behauptung, dass das Gresham'sche Gesetz praktisch nur bei Zwangskurs gilt. Sie koennten hinzufuegen, dass das die Oekonomisten (d.h. ueber 90 % von ihnen) nicht wissen.

      Gresham hatte sein Gesetz fuer seine Zeit ganz passend ausgedrueckt. Heute muesste man es allgemeiner ausdruecken und sagen:

      Das zum Zahlen geeignetere Zahlungsmittel verdraengt das weniger geeignete Zahlungsmittel aus der Zirkulation, so dass letzteres mehr zur Hortung verwendet wird.

 

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      Ihre Frage, wie lange sich heute Goldmuenzen im Verkehr halten wuerden, wenn es erlaubt waere, sie zu praegen und damit zu zahlen, ist sehr berechtigt. Man muss heute uebrigens die Frage in folgender Weise stellen:

a) wie lange halten sich Goldmuenzen im Verkehr, wenn die Waren in den Laeden nicht in Gold bewertet werden, sondern in Papiergeld als Bewertungseinheit?

b) wie lange wuerden sich die Goldmuenzen im Verkehr halten, wenn die Waren in Bruchteilen oder in Vielfachen von Goldmuenzen bewertet werden und die Ladenbesitzer bekannt machen: Kunden - - fuer eine Ware, die mit 1 Gramm ausgezeichnet ist, muesst ihr entweder einen typisierten Goldbarren von 1 Gramm Gold bringen oder eine Note, die am freien Markt mit dem Gramm Gold auf pari steht.

 

      Ueber den Fall b.) waere sehr viel zu sagen. Fast alle mir bekannten Oekonomisten lehnen es ab, ihn auch nur zu diskutieren und erklaeren sich jedenfalls als heftige Gegner der hier aufgezeigten Moeglichkeit.

 

      Da in monetaerer Beziehung keiner Regierung mehr zu trauen ist und alle das Schicksal verdient haben, das Lansburgh in seinem Entwurf zu einer Galgenwaehrung den Geldentwertern zugedacht hatte, so bin ich heute dafuer, dass die Privat-Industrie das Recht erhaelt, typisierte Goldbarren und Silberbarren herzustellen, aber auf jeden Barren die genaue Adresse der Firma, des verantwortlichen Ingenieurs, das Feingewicht, das Bruttogewicht, Laenge, Breite und Hoehe setzt, ferner das Datum der Herstellung. Mir scheint, dass darueber nicht einmal ein Gesetz noetig ist. Das Publikum wird andere Barren zurueckweisen, wenn auch nur eine Werkstaette Barren wie die obigen herstellt.

      Das Wort "Geldentwertung" habe ich vorstehend im Sinne Landsburgh's gebraucht, also nicht etwa im Sinne von "Preiserhoehung". Die letztere geht vom Markte aus, die Geldentwertung im Sinne L.'s aber von den Regierungskanzleien und aeussert sich in Devalvierungen, Inflationen (das Wort im Sinne von 1913 verstanden), Verkehrsbeschraenkungen in bezug auf Edelmetalle.

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      Mit grossem Interesse habe ich von Ihren Fortschritten im Radiobau vernommen. Offenbar haben Sie hier eine sehr wichtige und dabei ausbaufaehige Sache entdeckt. Wenn Sie mal ein paar Apparate herstellen und dafuer sorgen, dass darueber irgend etwas in die Oeffentlichkeit kommt, so verhindern Sie dadurch nach allen Patentgesetzen der Welt einen jeden, auf die von Ihnen entdeckte Neuerung ein Patent zu nehmen, auch wenn Sie selbst keines darauf nehmen.

                             Mit bestem Gruss  Ihr  U. v. Beckerath.

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 442 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Page 1706-1707.