Einige
Bemerkungen zu im Jahre 1947 veroeffentlichten Vorschlaegen zur Waehrungsreform
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von
Ulrich von Beckerath, 28.12.50.
1.) Jeder Autor glaubt, dass
sein Vorschlag umso besser sei, je mehr Vorschriften etc, er enthaelt, die das Zahlungsmittel-Monopol der Regierung
befestigen oder gar erweitern und die Macht der Regierung ein fuer alle Zwecke geltendes Wertmass anzuordnen. Keiner hat
sich die Muehe gegeben, mal zu ueberlegen,
was geschehen werde, wenn von heute auf morgen alle Vorschriften ueber das Geldwesen und was damit zusammenhaengt,
einfach aufgehoben wuerden, die allgemeinen
Vorschriften des Strafgesetzbuchs ueber Betrug etc.
aber in Kraft blieben.
Was wuerde im gedachten Falle
geschehen?
Das erste waere, dass sich ein Markt fuer Edelmetalle etablieren wuerde.
Im Anschluss daran werden private Medaillen-Fabriken Medaillen zu 1 Gramm Gold,
2 Gramm, etc. herstellen. Den besten Absatz werden Medaillen (man konnte sie
auch typisierte Barren nennen ) haben, die durch Aufdruck angaeben:
Durchmesser und Dicke in Bruchteilen von Millimetern, so genau wie technisch moeglich, Feingehalt moeglichst
genau, Adresse der Fabrik und des "Muenzmeisters",
Datum der Praegung, Bruttogewicht, Feingehaltsgewicht,
obwohl letzteres sich Ja auch aus dem o/oo-Feingehalt
und dem Brutto-Gewicht ergibt. So ausgefuehrte
Medaillen werden mit einem solchen Aufgeld bezahlt werden, dass ihre
Herstellung lohnend waere.
Dann werden die Laeden einen
Entschluss darueber fassen muessen,
welche Zahlungsmittel sie kuenftig annehmen werden,
und in welcher Werteinheit sie die Preise festsetzen. Man wuerde
beschliessen: Vorlaeufig
lassen wir's beim Alten.
Inzwischen werden Besitzer von Feingold, Inlaender
und vor allem Auslaender, Nachrichten ueber den Markt einziehen: sie werden feststellen, dass fuer viele Artikel das Gemeinwesen (nennen wir es einfach
"Berlin") ein geeigneter Ort des Einkaufs ist, wenn man Gold in
Medaillen umpraegt und mit den Medaillen solche
Zahlungsmittel kauft, die in Berlin von Warenbesitzern angenommen werden. Das
wird auch fuer die Ware "Arbeitskraft"
gelten. Viele werden z.B. in Berlin Textilien faerben
und naehen lassen. An Auftraegen
fuer andere Arten von Veredelungsindustrie wird es
nicht fehlen.
Dadurch werden Medaillen auch in den Verkehr kommen. Die Laeden werden bald Plakate anbringen: Wir nehmen auch
Gold-Medaillen an, l Gramm = X Papiergeldeinheiten, 2 Gramm = 2X, etc. Die Behoerden werden bekannt machen: Wir nehmen bei Abgaben
ebenfalls Medaillen an, Wertverhaeltnis: so und so.
Wenn
die Menge des umlaufenden Papiergeldes nicht vermehrt wird, so wird sich bald
ein ziemlich festes Wertverhaeltnis zwischen Gold und
Papier ergeben. Diese Konstanz wird sehr bemerkt werden und wird der Anfang
einer grossen Reform sein.
Zunaechst werden die Behoerden ihre Beamten mit Scheinen
bezahlen, auf denen steht: Mit diesem Schein, lautend ueber
z.B. ein Gramm Gold, koennen Steuern ebenso bezahlt
werden wie mit Papier. Der Schein wird mit ABC Papiereinheiten angenommen. Sehr
bald werden andere Scheine als diese aus dem Verkehr verschwinden. Mit den von frueher her da gewesenen
Scheinen wird das Volk Steuern bezahlen, es wird die Scheine aber nicht wieder
annehmen, sondern es wird sagen: Gebt uns Goldwert-Scheine, wie sie die Beamten
bekommen. Binnen weniger als 4 Wochen sind dann nur noch Scheine vom neuen Typ
im Verkehr.
Viele Laeden werden Noten vom gleichen Typ ausgeben, damit z.B.
ihre Angestellten entlohnen und versichern, damit ihre Berliner Einkaeufe zu machen. Die ganz grossen,
Wertheim, etc., erreichen die Annahme beim Publikum ohne Schwierigkeit. Noten
eines kleinen Gemueseladens aber weist das Publikum zurueck, ausser den Nachbarn des Gemueseladens, die die Scheine in dem Laden leicht wieder
loswerden. Sehr bald wird auch das Publikum die Bedeutung der Nummerierung und
der Datierung erkennen. Undatierte und nicht nummerierte Scheine wird das
Publikum ohne weiteres zurueckweisen. Ferner: Die
Presse wird darauf hinweisen, dass solche Ausgeber von Noten Misstrauen
verdienen, die nicht taeglich bekannt machen, wie
viel Noten sie ausgegeben haben. Der Hinweis wird wirksam. Alle Noten von
Emittenten, die solche Bekanntmachungen unterlassen, werden ebenfalls ohne
weiteres zurueckgewiesen werden. Die Namen derer, die
nichts bekannt machen, wird die Presse veroeffentlichen.
Nun zeigt sich, was zunaechst niemand erwartet
hatte. Die allgemeine Emissionsfreiheit wird durch das Fehlen eines
Zwangskurses so gut wie aufgehoben. Nur ganz wenige Emittenten setzen sich durch:
Etwa der Magistrat, die Verkehrsunternehmungen, einige grosse
Laeden. Was die Laeden
anlangt, so ist es unausbleiblich, dass die sich zu Emissionsgemeinschaften zusammenschliessen. Vielleicht wird sich sogar nur eine
solche Gemeinschaft durchsetzen. Die uebt dann alle
Funktionen einer alten Privatnotenbank aus.
Anstatt einer allgemeinen Ueberflutung mit
Zahlungsmitteln von unbekannten Ausgebern wird sich
eher ein gewisser Deflationsdruck bemerkbar machen.
Der Deflationsdruck wird noch durch folgendes verstaerkt
werden. Sowie am Geldmarkt sich zeigt, dass man um Gold zu kaufen, von einem
bestimmten Zahlungsmittel mehr aufwenden muss als vorher, anders ausgedrueckt, dass das betr. Zahlungsmittel - - in Gold
gerechnet - - sich entwertet, nimmt es niemand mehr im Verkehr an ausser mit Disagio. Die Scheine stroemen
zum Emittenten zurueck, und neue kann der Emittent
beim misstrauisch gewordenen Publikum nicht anbringen. Er scheidet auf laengere Zeit oder auf immer als Emittent aus. Das werde
auch dem Magistrat so ergehen, wenn er etwa zuviel
Noten ausgibt. Da im Anfang die Emittenten die Erfahrung nicht haben, die sie spaeter mal bekommen werden, so werden manche anfangs zu viel Noten ausgeben. Das Publikum wird sie ruecksichtslos ausschalten. Neue Ladengemeinschaften werden
die Stelle der alten einnehmen, und die werden die oekonomischen
Marktgesetze im eignen Interesse wenigstens ebenso sorgfaeltig
respektieren als sie frueher die Geldgesetze
respektiert haben.
Der Deflationsdruck, wenn er auch nur leicht sein
wird, der bewirkt bald die bei Deflationen ueblichen
Erscheinungen, vor allem eine grosse Ausdehnung des
Verrechnungswesens. Beamte z.B. werden wieder, wie vor 60 Jahren, viel
"auf Buch" kaufen, und sie werden damit einverstanden sein, das
"Buch" am 26-sten des Monats abgeschlossen beim Kaufmann
einzureichen. Der Kaufmann wird das Buch dem Arbeitgeber (Magistrat, Fabriken
ten, etc.) einreichen, und bei der Gehaltszahlung am Monatsende bekommt der
Arbeitnehmer das Buch zurueck. Sein Debet ist vom
Gehalt abgezogen.
Ganz laesst sich der
Deflationsdruck, der bei fehlendem Annahmezwang entsteht, nicht beseitigen.
Untragbar aber wird der Druck nie werden, und in ganz schlimmen Faellen hilft das jedem zustehende
Emissionsrecht. Zahlungsgemeinschaften, wie sie erscheinend schon Knapp
geahnt hat (er hat das Wort gepraegt), werden sich
bilden und den Verkehr mit Zahlungsmitteln versehen. Wie das in der Praxis
funktioniert, das zeigt sich in den USA bei grossen
Geldkrisen. Naeheres in einem ganz ueberaus interessanten und geldtheoretisch sehr bedeutsamen
Aufsatz von John DeWitt Warner in der New Yorker
Zeitschrift "Sound Currency", Jahrgang 1895
(wiederholt 1896), betitelt: "The currency famine of 1893".
Vielleicht hat Knapp auch die "Clearing House Certificates" gekannt,
die in den USA bei grossen Geldkrisen von
Zahlungsgemeinschaften der Geschaeftsleute ausgegeben
werden.
Das Endergebnis
der monetaeren Freiheit werde sein, dass alle Werte
in Gramm Gold berechnet werden, und dass sich als Verkehrssitte herausbildet,
dem Gramm Gold gleichwertig anzusehen eine Menge von Papiergeld, fuer die man am Geldmarkt ein Gramm Gold kaufen kann,
vorausgesetzt, dass das Papiergeld zu jeder Zeit anbringbar
ist bei einer dem Publikum bequem zugaengigen Stelle
(Laden, etc.), die fuer das Papier entweder Waren
oder Dienstleistungen (Waescherei, etc. ) zur Verfuegung stellt.
Das Einloesungsprinzip aber werde mehr und mehr
durch das Annahmeprinzip ersetzt werden. Zuletzt werden sogar Wechsel
ausgestellt werden, in denen es heisst: Diesen
Wechsel nehme ich zu so und so viel Gramm Gold in meinem normalen
Zahlungsverkehr, und nach dem (Datum) an.
Zuletzt werden sogar Anleihestuecke,
Industrieobligationen, etc. auf Grund dieses Prinzips ausgestellt werden. Es
wird nicht mehr heissen: Dieses Stueck
oder die Zinsscheine loesen wir mit so und so viel
ein, sondern wir nehmen sie zum Werte von so und soviel in unserm normalen Zahlungsverkehr
an.
Der Goldmarkt funktioniert, wie sich gezeigt hat, auch wenn nur ein paar
Kilo Gold taeglich darauf umgesetzt werden.
Goldmarkt, Abwesenheit von Zwangskurs und unbeschraenktes
Emissionsrecht werden folgendes bewirken:
1.) zu jeder Zeit
ausreichende Versorgung mit Zahlungsmitteln, wenn auch mit leichtem
Deflationsdruck im taeglichen Verkehr,
2.) technische Unmoeglichkeit einer Inflation,
3.) voellige Unabhaengigkeit der
Wirtschaft und des Einzelnen vom Vorhandensein groesserer
Mengen von Gold.
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Es ist noch auf
einen hoechst wichtigen Umstand hinzuweisen. In Goldwaehrungslaendern da haben die Glaeubiger
alle einen Rechtsanspruch auf Gold. Ob viel Gold im Verkehr ist oder wenig oder
gar keines: Der Schuldner muss Goldmuenzen zahlen,
wenn der Glaeubiger darauf besteht. In dieser
Bestimmung sind alle Uebel enthalten, die man bisher
ganz irrig der Goldwaehrung als solcher zuschrieb.
Besonders klar ist dies aus Schriften zu ersehen, wie Tolstoy's
"Geld". Da beschreibt z.B. Tolstoy die ueberall in Afrika und auch in vielen andern Kolonial-Laendern den Eingeborenen auferlegten Huettensteuern. Diese Huetten-Steuern
sind in bar zu zahlen. Der Eingeborene hat aber kein Bargeld,
nicht einen Cent hat er. Um Bargeld zu bekommen, muss er sich beim Weissen als Arbeiter verdingen. Das ist ja auch der
eigentliche Zweck der Huettensteuer. Tolstoy haelt nun diese
Abscheulichkeit fuer ein Merkmal der Geldwirtschaft
im allgemeinen und bemerkt nicht, dass die Lage der Eingeborenen ganz anders waere, wenn sie etwa in Produkten zahlen duerften, die in Geld bewertet werden, oder wenn sie
in Einkaufsscheinen zahlen duerften, auf denen steht:
Diesen Schein nehme ich - - Haeuptling Mbu-Mbu - - mit 10k in Zahlung, wenn mir einer Produkte fuer wenigstens diesen Betrag abkauft.
Eine Sonderstellung unter den Goldwaehrungslaendern nimmt Deutschland ein. Der Par. 242
BGB verlangt einfach Zahlung noch Treu und Glauben und entsprechend der
Verkehrssitte. Wenn der Schuldner Verrechnung in verkehrsueblicher
Form anbieten wuerde, so muesste
der Glaeubiger zufrieden sein.
Diese Bestimmung
ist selbst bei den so genannten Fachleuten unbekannt, wenn sie auch jeder
Rechtsanwalt kennt. Auf dem grossen, i.J. 1908 von
der Reichsbank einberufenen Kongress der Bankfachleute und der Waehrungs-Sachverstaendigen wurde allgemein die Meinung
vertreten, dass der Glaeubiger Gold verlangen duerfe. Es warf einer die Frage auf, ob gar auch die
Arbeiter bei Lohn Zahlungen Gold verlangen duerften.
Adolf Wagner bejahte die Frage (zum Entsetzen der Versammlung). Das Grundsaetzliche wird nicht dadurch erledigt, dass das
Silbergeld ja bis zu RM 40.- pro Zahlung Zwangskurs hatte. Die Bestimmung der
Gewerbeordnung (wenn ich nicht irre von 1869) und der Par. 242 BGB stehen hier
in einem gewissen Widerspruch. Nach der Gewerbeordnung darf der Arbeitnehmer
Bargeld fordern. Noch Par 242 aber waere es doch
nicht ausgeschlossen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Verrechnungssystem
vereinbaren.
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2.) Keiner
der Modernen, mit ruehmlicher Ausnahme des Prof.
Rittershausen, hat eine Ahnung davon, dass es ausser
den politischen "Rechten des Menschen und Buergers" auch auf oekonomischem und auf monetaerem
Gebiet solche Rechte gibt. Es handelt sich hier also um Rechte, die keine
Regierung, keine Majoritaet und keine irgendwie gegruendete und organisierte Gewalt dem Menschen nehmen
kann, ohne ihn moralisch zu jeder Art von Widerstand zu berechtigen.
Einige der monetaeren Grundrechte und
unmittelbar damit zusammenhaengender Rechte anderer
Art moechte ich im Nachstehenden kurz skizzieren. Die
Liste macht keinen Anspruch auf Vollstaendigkeit.
Auch waere an der Ausdrucksweise noch zu feilen.
I.) Keine
Regierung hat das Recht, ihren Untertanen einen bestimmten Glauben an oekonomische, monetaere und
dergleichen Theorien aufzuzwingen oder die Bekanntmachung, Eroerterung
oder andererseits die Propaganda fuer oekonomische, monetaere und
dergleichen Theorien zu verbieten.
II.) Keine
Regierung hat das Recht, ihren Untertanen oekonomische
oder monetaere Planungen aufzuzwingen, auch
nicht, wenn sie solche Planungen mit ihr selbst einleuchtenden Theorien glaubt
rechtfertigen zu koennen.
III.) Keine
Regierung hat das Recht, einen Untertan zu hindern, sein oekonomisches
und sein monetaeres Verhalten nach eignem Ermessen
einzurichten, vorausgesetzt, dass er es auf eigne Kosten und auf eignes Risiko
tut. Der Umstand, dass Glaubenssaetze religioeser und anderer Gemeinschaften oder als Saetze der Wissenschaft geltende Meinungen angesehener
Personen oder Gruppen irgend ein Verhalten empfehlen, fordern, seine Erzwingung
fuer erlaubt erklaeren oder
aber ein bestimmtes Verhalten verurteilen, braucht fuer
keinen Untertan massgebend zu sein.
IV.) Jeder
Untertan hat das Recht, andern Personen von ihm selbst ausgegebene, typisierte
Zahlungsmittel anzubieten, die er bereit ist in seinem normalen Zahlungsverkehr
wie bares Geld anzunehmen, vorausgesetzt, dass die Art der Verwertungsmoeglichkeit
solcher Zahlungsmittel, ihre ausgegebene Menge und andere Einzelheiten, an
denen die Oeffentlichkeit ein berechtigtes Interesse
hat, genuegend bekannt gemacht sind. Annahmezwang und
noch weniger Zwangskurs fuer ausgegebene
Zahlungsmittel darf weder ein einzelner Untertan beanspruchen noch darf es eine
Gruppe noch darf es die Regierung. Die Worte "Annahmezwang" und
"Zwangskurs" sollen hier in der in der Wissenschaft ueblichen Bedeutung verstanden werden.
V.) Jeder Untertan
hat das Recht, gemaess Nr. IV, ihm angebotene
Zahlungsmittel in solchen Formen zurueckzuweisen, wie
sie Treu und Glauben im Verkehr und guter Sitte entsprechen. Die von dem
Untertan selbst ausgegebenen Zahlungsmittel werden hiervon nicht beruehrt; es gelten fuer sie
vielmehr die anerkannten Grundsaetze fuer die Aufrechnung.
VI.) Jeder
Untertan hat das Recht, typisierte Barren aus Edelmetall herzustellen oder
herstellen zu lassen, sei es in Form von Medaillen oder in anderer Form,
vorausgesetzt, dass den typisierten Barren deutlich aufgepraegt
ist: Das Bruttogewicht, das Nettogewicht and Edelmetall, der sich hieraus
ergebende Feingehalt, der Durchmesser, die Dicke (bei nicht kreisfoermigen
Barren die Laenge, die Breite und die Hoehe), das spezifische Gewicht, die Art der Legierung, die
Adresse des Herstellers und das Datum der Herstellung. Die Zahlenangaben haben
mit der Genauigkeit zu geschehen, welche die Technik der in den Verkehr
gebrachten Medaillen erlaubt. Mit den so hergestellten Medaillen darf jeder
Zahlungen leisten, falls der Empfaenger damit
einverstanden ist. Der Regierung wird das Recht nicht bestritten, von ihr selbst
hergestellte Muenzen der beschriebenen Art mit
Annahnezwang auszustatten.
VII.) Keine
Regierung hat das Recht fuer Zahlungen und andere
Transaktionen die Verwendung eines bestimmten Zahlungsmittels oder
Umsatzmittels anzuordnen. * Der Regierung wird aber das Recht nicht bestritten,
fuer die Zahlung von Steuern und Abgaben die
Verwendung des von der Regierung selbst ausgegebenen Papiergeldes zu fordern.
(Anm. von J.Z.: Dann koennte,
theoretisch, eine Regierung ihr Steuerfundationsgeld so knapp halten und
den Aufschlag bei Zahlung in anderen Zahlungsmitteln so hoch bemessen,
dass die Untertanen ihr bald in Schuldknechtschaft verfallen wuerden. Wie er an vielen anderen Stellen sagte: Unter
Zahlung eines angemessenen Aufgeldes oder "Strafgroschens" muss auch
die Zahlung von Steuern in anderen Zahlungsmitteln als dem Staatspapiergeld
erlaubt sein. 19/2/83.) (Vgl. unten unter :XIII.)
(*), z.B. Gesetze
zu erlassen, wodurch allen Glaeubigern ein Recht eingeraeumt wird, Goldmuenzen
oder Noten zu fordern.
VIII.) Keine
Regierung hat das Recht, bestimmte Klassen des Volkes unter irgendwelchen Vorwaenden, z.B. unter dem Vorwand, dass die betr. Klassen
zu unintelligent seien, von bestehenden Einrichtungen zur Aufrechnung von
Forderungen auszuschliessen, auch nicht Arbeiter oder
Bauern in Bezug auf Lohnforderungen und andere Forderungen. Keine Regierung hat
das Recht die Schaffung von neuen Einrichtungen der bezeichneten Art,
Abrechnungsstellen, Clearing-Haeusern u. dgl., zu
verbieten oder zu beschraenken. Das Recht der
Untertanen, sich des Systems der Verrechnung zu bedienen schliesst
das Recht ein typisierte Verrechnungsscheine
auszugeben und anzunehmen.
IX.) Keine
Regierung hat das Recht, unter dem Vorwand eines monetaeren
Notstandes, z.B. eines Mangels an Zahlungsmitteln, bestimmte Klassen zu
benachteiligen oder zu bevorzugen, indem sie Forderungen fuer
vorlaeufig nicht eintreibbar erklaert.
Das Recht, Moratorien aus andern Gruenden zu
bewilligen, soll den Regierungen nicht bestritten werden, auch nicht das Recht
eines Moratoriums fuer solche Schulden, deren
Begleichung durch Verrechnung der Glaeubiger ablehnt.
X.) Keine
Regierung hat das Recht, einen eingefuehrten
Sprachgebrauch abzuaendern und aus der Abaenderung die Befugnis zu gesetzgeberischen oder
administrativen Massnahmen abzuleiten. Aus
Unwissenheit geschehene Abaenderungen sind
absichtlichen gleichzuachten. Keine Regierung hat
z.B. das Recht, den Begriff Inflation anders auszulegen, als: Vermehrung
des Zwangskursgeldes ueber den Betrag hinaus, den die
Wirtschaft ohne Entwertung aufnehmen wuerde, wenn das
Papiergeld keinen Zwangskurs haette. Keine Regierung
hat das Recht, Bemuehungen um einen erhoehten Lebensstandard, um Lohnerhoehung,
um hoehere Preise auf einem freien Markt, z.B. wegen
Knappheit an Vorraeten, als Inflation zu bezeichnen
und daraufhin solche Bemuehungen zu hindern. Wenn
eine Regierung zwischen Teuerung und Inflation nicht unterscheiden kann oder
will, so erwachsen ihr daraus keine Rechte.
Das Recht einer
Regierung, einer Teuerung durch Verbesserung des Verkehrs, Erleichterung des
Kredits und dergleichen Massnahmen entgegenzuwirken,
soll ihr nicht bestritten werden.
XI.) Keine
Regierung hat das Recht, einen Teil des Volkes zugunsten des andern tu
besteuern oder sonst zu benachteiligen, indem sie Zoelle
erhebt, einschliesslich so genannter Schutzzoelle, oder den Aussenhandel
in anderer Weise beschraenkt. Durch auslaendische Konkurrenz in ihrer oekonomischen
Existenz bedrohte Personen haben ein Anrecht darauf, dass alle Hindernisse,
sich andern Berufszweigen zuzuwenden, beseitigt werden: soweit Gesetzgebung,
Verhalten von Personengruppen oder andere nicht als natuerlich
anzusehende Umstaende ein Hindernis sind. Wenn
einzelne Gruppen zugunsten der in ihnen Vereinigten einen Numerus clausus
schaffen, so haben die dadurch Benachteiligten Anspruch
auf Schutz seitens der Regierung und alle an wirtschaftlicher Freiheit
Interessierten. Devisengesetze und ihnen gleichzuachtende
Bestimmungen gelten als unzulaessige Beschraenkungen des Aussenhandels.
XII.) Keine
Regierung hat das Recht, die Bezahlung von Importwaren mit inlaendischen
Zahlungsmitteln oder Zahlungsmitteln inlaendischen
Ursprungs zu verbieten.
XIII.) Keine
Regierung hat das Recht, bei der Bezahlung von Abgaben auf der Entrichtung von
solchen Zahlungsmitteln zu bestehen, die der Abgabenpflichtige sich nur unter
besonderen, ihm nicht zumutbaren Schwierigkeiten beschaffen kann. Wenn eine
Regierung die Entrichtung von Abgaben in dem von ihr selbst ausgegebenen
Papiergeld anordnet, so muss sie die Moeglichkeit in
Betracht ziehen, dass der Abgabenpflichtige sich solches Papiergeld nicht
beschaffen kann und muss ihm daher die Moeglichkeit gewaehren, unter Entrichtung eines angemessenen Aufschlages
andere Zahlungsmittel einzuliefern.
Die Zahlung von Abgaben in Einkaufscheinen darf nicht ausgeschlossen
sein, wobei unter Einkaufsscheinen solche kommerzielle Urkunden zu verstehen
sind, die der Ausgeber sich verpflichtet bei Einkaeufen
zum Nennwert in seinem normalen Zahlungsverkehr wie bares Geld anzunehmen.
Arbeiter, die bereit sind solche Scheine bei Lohnzahlungen anzunehmen und
Bauern, die sie beim Verkauf von Agrarprodukten annehmen wollen, sollen die Moeglichkeit dazu erhalten.
Zahlungsgemeinschaften
zur Erweiterung der Annahmemoeglichkeit und damit zur
Verbesserung der Lage der Regierung, die die Einkaufsscheine annimmt, sollen gefoerdert werden.
Da wo bisher Bauern oder Arbeitern die
Bezahlung von Abgaben in Form von Naturalsteuern oder von Fronarbeiten
auferlegt war, ist ihnen die Moeglichkeit des Uebergangs auf das Einkaufscheinsystem zu ermoeglichen. Dies gilt auch fuer
solche Laender, deren Steuerbeamte wegen groeblicher Unwissenheit und straeflicher
Denkfaulheit und aus schlimmeren Gruenden behaupten
werden, gegenueber Arbeitern und Bauern kein anderes
System als Naturalabgaben und Fronarbeiten anwenden zu koennen.
XIV.) Keine
Regierung hat das Recht, fuer irgendwelche
Transaktionen bestimmte Wertmasse vorzuschreiben. Jeder Untertan hat das Recht,
nach Belieben mit andern ausser verkehrsueblichen
Zahlungsmitteln entweder den Wert von Edelmetallen, oder den Wert anderer Waren
oder den Wert einer Kombination von Waren, Indexzahlen, den Wert von Guetern zu frueheren, bestimmten
Zeitpunkten oder bisher unbekannte Wertgrundlagen in Vertraegen
zu vereinbaren. Das Recht gilt sinngemaess auch fuer Auslaender. Das Recht der
Verwendung beliebiger Wertmassstaebe schliesst das Recht von Kaufleuten ein, in Laeden die Gueter in Einheiten
von Edelmetall zu bewerten oder in anderer, ihnen passend erscheinender Weise.
XV.) Jeder
Untertan und jeder Auslaender hat das Recht, die Maerkte im Lande zu benutzen, dazu beizutragen, sie zu
verbessern und zu erweitern, neue Maerkte zu schaffen
oder sich an der Schaffung zu beteiligen und aus allen Einrichtungen der Maerkte in handelsueblicher Weise
Nutzen zu ziehen, dort erhaltene Informationen zu verwerten, selbst
Informationen zu geben, Angebote zu machen und Nachfrage auszuueben.
Jeder Versuch einer Regierung, den Markt einzuschraenken,
gilt als tyrannisch, so dass kein Gut, kein Zahlungsmittel, sei es inlaendisch oder auslaendisch,
vom Markt ausgeschlossen ist. Jeder am Markt Teilnehmende hat das Recht, jede
den Markt betreffende und ihm zukommende Nachricht zu veroeffentlichen.
XVI.) Keine
Regierung darf so genannte Termingeschaefte einschraenken oder sie bestimmten Volksklassen verbieten.
Auch Arbeiter und Bauern sollen das Recht haben, sich zum kuenftigen
Kauf von Waren und Dienstleistungen zu verpflichten aber auch das Recht haben,
gegen eine billige Entschaedigung des andern
Kontrahenten von einem solchen Vertrag zurueckzutreten.
Jedes Zahlungsmittel darf fuer solche Vertraege vereinbart werden. In Anbetracht, dass solche Vertraege in ganz besonderem Masse geeignet sind,
Arbeitsgelegenheit und Absatz zu schaffen, muss von der Regierung verlangt
werden, dass sie ihre Gerichte mit besonderen Instruktionen versieht, derartige
Vertraege im Rechtswege zu sichern oder mit
Hinweisen, wo solche Instruktionen und sachdienliche Informationen zu hoben
sind.
XVIII.) Kein
Gesetz gilt laenger als 25 Jahre, es sei denn, dass
seine Dauer vom Gesetzgeber ausdruecklich verlaengert wird. Die Dauer der Verlaengerung
darf 10 Jahre nicht ueberschreiten. Fuer Verwaltungsvorschriften, Anordnungen von Provinzialbehoerden, Kommunalbehoerden
und andern Instanzen als der Obersten Gesetzgebung gelten Dauern von 15 und 5
Jahren. (Grundsatz von Jefferson, dass jede Generation sich ihre Gesetze selbst
machen soll. Die Zahlen: 25,10, etc. sollen nur Beispiele sein.)
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Die Fixierung der monetaeren und der oekonomischen Grundrechte begegnet vielen Schwierigkeiten,
mit denen die Vorkaempfer der politischen Grundrechte
nicht zu rechnen brauchten.
Mehrere der hier ausgesprochenen Grundrechte sind in manchen Laendern zu manchen Zeiten Selbstverstaendlichkeiten
gewesen. Kein Kongress von Revolutionaeren wuerde sie proklamiert haben aus Besorgnis sich laecherlich zu machen, abgesehen davon, dass er gar nicht
darauf gekommen waere.
Das Grundrecht Nr. VI z.B. war in China Jahrhunderte lang eine Selbstverstaendlichkeit. Alle groesseren
Bankiers und viele Kaufleute uebten es aus. Die von
Privaten hergestellten Silberbarren hatten die Form von Schuhen. Erst nach der
Revolution von 1912 wurden privatim hergestellte
Silberbarren verboten. (Vgl. ein beliebiges Werk ueber
das Geldwesen in China.)
Das Grundrecht Nr. IV galt in den USA noch um 18OO als eine Selbstverstaendlichkeit. Viele uebten
es aus. (Bullock,
"Monetary History of the USA", New York 1912.) Nach einer Mitteilung von Henry Meuten ist es in England auch heute noch
nicht verboten, nicht on demand einloesbare,
typisierte Verpflichtungsscheine ohne Genehmigung zu emittieren; es macht nur
niemand Gebrauch davon. Einem Bericht des belgischen Finanzministers fuer die Waehrungskonferenz von
1878 habe ich entnommen, dass damals in Belgien die gleiche Rechtslage bestand.
Viele Konsumvereine uebten das Emissionsrecht aus.
Vielleicht duerften sie es heute noch. Sogar im
zaristischen Russland hatten in den baltischen Provinzen wenigstens die
Handelskammern das Recht Notgeld auszugeben.
Das Grundrecht Nr. XII war bis zum ersten Weltkrieg in der ganzen Welt
eine Selbstverstaendlichkeit; allenfalls kam es in
Zeiten von Geldklemmen vor, dass die Regierungen den Export von Muenzen verboten. Auf den Gedanken, den Export von Noten zu
verbieten, waere schwerlich ein Minister verfallen.
Aber, in den letzten 30 Jahren ist die Geldgesetzgebung der Welt ziemlich
uniform geworden und entspricht im Wesentlichen der sowjetischen.
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Proudhon macht in seiner Schrift "Immer noch die Marseilleise?" darauf
aufmerksam, dass ein Aufruf zur Wahrung monetaerer
Rechte (er war wohl einer der ersten, der die Existenz solcher Rechte und ihre
Bedeutung erkannte) beim gegenwaertigen Stand der
Kultur nichts Begeisterndes haben koenne,
wenigstens nicht fuer das Volk. Das liegt daran, dass
das Volk sich um den Produktionsprozess und um den Zirkulationsprozess nicht bekuemmert.
Das Volk will versorgt sein und es ist bereit, denen die es versorgen,
seine Arbeit zur Verfuegung zu stellen. Das Volk will
natuerlich auch moeglichst
gut versorgt sein und will unter moeglichst guenstigen Bedingungen arbeiten. Der Produktionsprozess als
solcher und erst recht der Zirkulationsprozess, von dem es ja nie etwas zu
sehen bekommt, das alles interessiert das Volk nicht. Das Volk bemerkt aber
einen entscheidenden Umstand nicht:
Diejenigen Klassen, die bisher
Produktionsprozess und Zirkulationsprozess dirigierten, ueben
diese Taetigkeit nicht mehr aus, sie haben entweder
abgewirtschaftet, indem sie ihre Aufgabe, Arbeit zu geben, voellig verkannten, oder aber sie sind in den Kriegen der
letzten Jahrzehnte umgekommen, als Opfer ihrer Passivitaet
gegenueber dem Pazifismus, den zu befoerdern
gleichfalls ihre Aufgabe gewesen waere. Eine neue
Klasse von Buerokraten ist aufgekommen, hat sich der
Produktion und der Zirkulation bemaechtigt, begreift
aber nicht mehr davon als die buerotechnischen
Einzelheiten. Sie machen Statistiken, schaffen Kontrollen, und wenn sie auf Widerstaende stossen, dann holen
sie die Polizei, wie das der Durchschnittsmensch von jeher getan hat, wenn er
auf einen Widerstand stiess, den er nicht begriff.
In Russland ist schaetzungsweise
der zehnte Teil der Bevoelkerung im KZ. Der
eigentliche Sinn dieser Tatsache wird nicht verstanden. Der Sinn ist: Die Buerokratie stoesst trotz guten
Willens (den man ihr gar nicht abzusprechen braucht) auf unueberwindliche
Schwierigkeiten, solche Konsummoeglichkeiten zu
schaffen, dass jeder sich kaufen kann, was er braucht. Zum Kaufen gehoeren Kaufmittel, gehoert also
irgendeine Form von Geld. Mit dem Geldproblem aber wird die Buerokratie nicht fertig, ruft auch hier bei Reibungen im
Mechanismus nach der Polizei, ist ueberzeugt, dass
hier Bummelei vorliegt oder Sabotage (andere Widerstaende
kennt die Buerokratie nicht), und ein Teil der
Buerokratie sperrt den andern ein. Die Eingesperrten
aber brauchen nicht mehr mit Geld versorgt zu werden. Zuletzt werden in
Russland so viele Leute eingesperrt sein, dass die noch nicht eingesperrte Buerokratie den noch nicht eingesperrten Teil des Volkes
mit Geld versorgen kann.
Die Geschichte des
Orients lehrt, dass wenn das Geldsystem eines Landes unzulaenglich
ist, so dass der groesste Teil des Volkes keine
typisierten Zahlungsmittel verwendet, dieser Teil in ein System von Fronarbeit hineingeraet. Um Fronarbeiter die Lebensmittel zuzuteilen,
dazu reicht die Intelligenz von Aufsehern durchschnittlicher Qualitaet aus. In manchen Staaten Ostindiens leben heute an
2/3 der Bevoelkerung unter einem System von
Fronarbeit, und der Radscha ist Besitzer fast des
ganzen Grund und Bodens. (Typisches Beispiel, wie der Mangel an Zahlungsmitteln
zur Fronarbeit fuehrt: 1. Mos.
Kap. 47,20.)
Aehnlich wie es
gegen den Despotismus zuletzt kein anderes Mittel gab als Appell an das Volk
unter Klarlegung seiner Rechte, so gibt es auch heute, nachdem die frueher dirigierenden Klassen nicht mehr vorhanden sind,
nur noch ein Hilfsmittel: Appell an das Volk unter Klarlegung seiner oekonomischen und seiner monetaeren
Rechte. Dem Volke wird hier eine Sphaere eroeffnet, von deren Existenz es vorher keine Ahnung hatte,
auch wird es Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern, bis es begreift, was ihm hier
eigentlich vorgetragen wird, und was fuer Rechte es
sich nicht nehmen lassen soll. Mal muss ein Anfang gemacht werden;
machen wir ihn, so lange es fuer uns noch eine Moeglichkeit gibt, zu sprechen und zu schreiben!
(Von einem gaenzlich verschiedenen Standpunkt aus kommt zu aehnlichen Gedanken wie den hier angedeuteten der Prof.
Carl J. Friedrich, Concord, Massachusetts - - langjaehriger, intimer Freund Rittershausens - - in seinem
Werk "The New Belief in the
Common Man" - - hoechst lesenswert.)
(Anm. von J.Z.: Ulrich
von Beckerath told me repeatedly that a world-wide monetary revolution could
and perhaps should begin in a village in an underdeveloped country. There it
could take root and from there it could begin to spread like an avalanche
before the top bureaucrats in the capital have even heard about it. Recently I
read a similar remark in a science fiction story by J. Hunter Holly: "The
Grey Aliens, page 119:
"We can convince the world, if we can
convince one town full of people." J.Z. 19/2/83.)
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Ein Fehler der
jetzt lebenden Oekonomisten-Generation - - aber auch
schon der frueheren - - ist, dass sie das Technische
der Wirtschaft nicht genuegend deutlich vom Rechtlichen
trennen. Manche oder gar die meisten verkennen sogar, dass hier zwei ganz
verschiedene Sphaeren zu unterscheiden sind.
Beispiel: Freihandel. Adam Smith und seine
Nachfolger legten dar, dass der Freihandel das Beste fuer
die Volkswirtschaft und sogar fuer die
Staatswirtschaft ist; sie legten aber nicht dar, dass Einschraenkungen
des freien Handels Grundrechte des Volkes und des Einzelnen verletzen, auch
dann, wenn die Einschraenkungen unter dem Beifall
einer grossen Mehrheit vorgenommen werden. Erst ein
paar Jahrzehnte nach Adam Smith erkannten ein paar unbeachtet gebliebene
Schriftsteller die Natur der durch Handelsbeschraenkungen
verletzten Rechte und sprachen kuehn aus, dass der
Schmuggler der wahre Pionier eines Volksrechtes sei. Die ehrbare buergerliche Welt war natuerlich
entsetzt, und die Schutzzoellner schrieen: Zu so
abscheulichen Gesinnungen fuehrt also die
Freihandelsidee!! Dass die Liberalisten Recht hatten ergibt sich aus der
einfachen Tatsache, dass auch heute noch im Volke durch Schmuggel die buergerliche Ehre durchaus nicht verloren geht. Von einem
Freund, der das Pech gehabt hat, beim Schmuggel erwischt zu werden, zieht man
sich nicht zurueck. Wohl aber zieht man sich zurueck, wenn man etwa hoert, er
habe einen Taschendiebstahl begangen.
Als Adam Smith seine beruehmten Beispiele ueber die Arbeitsteilung gab, da uebersah
er (und uebersahen alle Oekonomisten),
dass hier auch ein Rechts-Moment in Betracht zu ziehen ist. Angenommen,
Robinson und Freitag teilen sich auf ihrer Insel die Arbeit, so ist der Vorteil
fuer beide gross. Wenn aber
sich ploetzlich etwa Freitag weigert, die von
Robinson gesammelten Erdbeeren anzunehmen und sich ausserdem
weigert, die von Robinson heimgebrachten Sachen zu kochen, dann ist aller
Vorteil der Arbeitsteilung dahin. Die Arbeitsteilung hat also nur Sinn, wenn
alle Beteiligten sich so verhalten, als ob sie die Arbeit der andern bestellt
haetten, sie daher auch annehmen.
Die Bestellung ist ein voellig uebersehener, volkswirtschaftlicher Faktor. Wenn alle
Menschen ihren Bedarf auf ein Jahr im Voraus bestellten, und bei der
Ablieferung imstande waeren, die Bestellung zu
bezahlen, so gaebe es keine Absatzkrisen. In der
Praxis wuerde es genuegen,
nur einen Bruchteil des Bedarfs zu bestellen, denn die Uebernahme
des groessten Teiles der Produktion ist beim gegenwaertigen Stande der Kultur zwangslaeufig.
(Z.B. ein Minimum von Brot, ein Minimum von Eisenbahnfahrkarten, etc.) In
meiner Schrift "Muss Arbeitsbeschaffung Geld kosten?" habe ich
einiges darueber gesagt, auch erwaehnt,
dass bis jetzt anscheinend nur ein einziger Mensch die Bedeutung der Bestellung
erfasst hatte: ein unbekannt geblichener, englischer Arbeiter, der darueber an Robert Owen einen Brief schrieb. 0. veroeffentlichte den Brief in seiner "Crisis".
Die technische Durchfuehrung der Bestellung
erfordert gewisse Rechte, an die bisher anscheinend noch keiner gedacht hat.
Allerdings koennte man auch sagen: Waere das Koalitionsrecht in vollem Umfange
anerkannt, so waeren die hier in Frage kommenden
Rechte darin enthalten. Vorsichtshalber habe ich unter Nr. XVI der Grundrechte
das hier in Frage kommende Recht angedeutet.
U.v.Beckerath,
28.12.50. gez. Bth.
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(Anm. von J.Z. Ich
photokopierte diesen Entwurf in 1980 in Prof. Rittershausens Bibliothek in Koeln, kam aber erst jetzt dazu ihn zu lesen. Ich kann nur wuenschen, ich haette ihn bei der
Verfassung des Menschenrechtsentwurfes in Peace Plans
4 u. 61-65 zur Hand gehabt. Betreffend Bestellung las ich erst heute dass die
Firma Mercedes ihre Wagen gewoehnlich auf
Bestellungen fuer die naechsten
1-2 Jahre hin herstellt und daher nicht wie andere Autofirmen in Absatzkrisen
gefallen ist.
Wie findet man
Leute die interessiert sind Menschenrechtsentwuerfe
wie den obigen zu studieren und weiter zu verbessern? LMP plant mehrere solche
privaten Entwuerfe in einer besonderen Mikrofiche
Ausgabe zusammenzustellen. Mitarbeiter und Leser sind gewuenscht!
J.Z. 19/2/83.)
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First published
in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit;
Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467
(Mikrofiche), Berrima, Australia,
1983. Pages 1651-1657.