Fundation der Verrechnungsschecks durch die Moeglichkeit, sie bei der Verrechnungsbank zum Nennwert gutschreiben zu lassen.          

 

U.v. Beckerath, 2.6.33.

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Man darf nicht meinen, dass die in der Ueberschrift bezeichnete Fundation die wichtigste sei. Die wichtigste ist vielmehr die Moeglichkeit, die Schecks in Laeden und bei Firmen zum Nennwert anzubringen, auch wenn sie im Verkehr ein Disagio haben.

Wer wird sich voraussichtlich die Schecks bei der Bank gutschreiben lassen, anstatt sie in einen der Bank verschuldeten Laden zu bringen?

1.) Einer, der im Augenblick nicht weiss, was er sich fuer den Scheck kaufen soll.

2.) Einer, der nicht leicht zu den Laeden hingelangt, z.B. weil er in einer entfernten Stadt wohnt. Die Gutschrift bei der Bank kann er aber durch einen gewoehnlichen Brief beantragen, dem der Scheck als Anlage beiliegt.

3.) Einer, der keinen sicheren Aufbewahrungsort fuer seine typisierten Schecks hat.

4.) Einer, der ein verzinsliches Bankkonto haben will. Wir waren ja darueber einig, dass die Annahme von eignen Schecks als Depositum nicht gegen Par. 1 No. 3 des Entwurfs verstoesst. (In einer zweiten Auflage sollte es ausdruecklich gesagt werden.) Wenn die Bank etwa fuer RM 1000.- Schecks als Depositum empfaengt, so kann sie, bei entsprechender Kuendigungsklausel, z.B. auch Wechsel hereinnehmen, von denen sie weiss, dass sie unter keinen Umstaenden vor Ablauf von 3 Monaten honoriert werden. (Beispiel: Fabrik liefert Hupen an die BVG. Die BVG verspricht Zahlung noch 3 Monaten und gibt einen Wechsel. Dieser Wechsel wird gewiss nach 3 Monaten honoriert werden, vorher aber auch dann nicht, wenn die BVG inzwischen sehr viel Fahrkarten verkauft. Gegensatz: Heringsfischer liefert Heringe an einen Laden, wobei ebenfalls Zahlung noch 3 Monaten erfolgen soll. Beim geringsten Disagio der Schecks wird das Publikum sich auf Heringe stuerzen, anstatt z.B. Wurst zu kaufen, wodurch der Heringshaendler frueher zahlungsfaehig wird, auch wirklich frueher zahlt und dadurch den Rueckstrom der Schecks zur Bank beschleunigt. Eigentlich sollte die Bank - - wenigstens so lange sie keine Depositen hat - - nur Geschaefte nach Art des Heringsgeschaeftes machen, weil nur bei diesen Geschaeften das Disagio selbst den Rueckstrom beschleunigt, und eben dadurch das Disagio rasch beseitigt wird. Die Kuendigungsklausel der Bank fuer ihre Depositen muss etwa lauten: Der Konto-Inhaber hat auf die Umwandlung seines Guthabens in typisierte Verrechnungsschecks bis zum ....... verzichtet.)

 

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Die Gruppe der Leute, die sich die Schecks bei der Bank gutschreiben lassen, anstatt sie in den Laeden zu verwerten, ist also verhaeltnismaessig klein und kann auch nie sehr gross sein. Sehr viel groesser ist inner die Gruppe derjenigen, welche die Ladenfundation in Anspruch nehmen. Die Ladenfundation und das Grundprinzip des "Eisenbahngeldes" sind aber wirtschaftlich ein und dasselbe. Ob ein Loden eigne Gutscheine, etwa bis zum Betrage von RM 10.000.- ausgibt, und dann auf den Gutscheinen aufdruckt und auf ausgehaengten Plakaten erklaert:

"Die von uns ausgegebenen Gutscheine werden auch dann zum vollen Nennwert, wie bares Geld, in Zahlung genommen, wenn sie im Verkehr ein Disagio hoben",

oder ob der Laden die Bank mit RM 10.000.- anpumpt und erklaert:

"Solange wir der Bank etwas schuldig sind, lassen wir ihre Schecks gegen uns gelten" das ist volkswirtschaftlich ein und dasselbe, nur rechtlich ist es nicht ein und dasselbe.

Hierzu allerdings noch eine wichtige Ergaenzung: "Eisenbahngeld" ist nach Obigem wirtschaftlich nichts anderes als Verrechnungsschecks. Verrechnungsschecks aber gehen ueber das immerhin etwas primitive Eisenbahngeld hinaus; sie sind auch noch da in den Verkehr zu bringen, wo es solche Stellen wie eine Eisenbahn gar nicht gibt, dass heisst Stellen oder Schuldner, auf deren Waren das Publikum unbedingt angewiesen ist, und auf deren Gebrauch es nicht verzichten kann. Verrechnungsscheine sind aber deshalb nicht etwa komplizierter als Eisenbahngeld, ebenso wenig wie eine Doppelflinte komplizierter ist als das Aggregat "Zwei Flinten", und eine bequeme Postkutsche nicht komplizierter ist, als eine Schiebkarre, die in China heute noch in vielen Gegenden ihre Stelle vertritt. Kompliziert ist hier im Sinne gebraucht von "schwer verstaendlich".

 

Eine Beziehung (nicht die einzige) worin Verrechnungsschecks ueber Eisenbahngeld hinausgehen, sei hier kurz dargelegt.

Wenn eine Bahn viel Nebenbetriebe hat, z.B. Hotels, Friseurgeschaefte, Schiffsbetrieb, Restaurationsbetrieb, und vielleicht auch noch die Eisenbahnwerkstaetten Privatauftraege annehmen (was sie in England vielleicht tun), dann ist natuerlich ein Eisenbahnscheck (Oesergeld) bequemer fuer das Publikum als wenn es den Scheck nur am Schalter loswird. Eine Komplikation bedeutet aber die vermehrte Verwendungsfaehigkeit nicht.

Nun stellt aber der Verrechnungsscheck einer Verrechnungsbank seinen Inhaber genau so, als wenn alle Schuldner der Bank nur ein Betrieb waeren, welcher Eigenschecks nach Art der Oeserbons ausgegeben hat. Der einzelne Schuldner der Bank ist aber eigentlich nicht viel anders gestellt, als wenn er Eigenschecks ausgegeben haette. Sein Vorteil ist, dass der Absatz an Schecks ein groesserer sein kann, als wenn der Schuldner Eigengeld ausgaebe, ferner, dass der Schuldner am Disagio (eine fuer den Schuldner angenehme Sache, weil dadurch unter allen Umstaenden ihr Umsatz im Laden steigt) auch denn verdienen kann, wenn er selbst es gar nicht verursacht hat.

Ferner muss man die schaerfere Kontrolle bei Einschaltung einer Verrechnungsbank als Vorteil ansehen, obwohl der Einzelne, der Zahlungsmittel in Kurs setzen will, diese Kontrolle wohl immer als Last empfinden wird und meint: Wenn ich eignes Geld ausgaebe, so koennte ich mehr emittieren und brauchte nicht einmal Diskont zu zahlen.

Der Betreffende irrt natuerlich. Die Kontroll-Kosten muesste er selbst ebenfalls aufwenden, und seine Emissionsfaehigkeit ueberschaetzt wohl jeder.

 

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Die Kontrolle verdient noch eine besondere Beachtung. Vor 100 Jahren war die Beachtung der Notenbank-Gesetze im Staate New York nach der Meinung der New Yorker Regierung zu lax. Man traf daher folgende Einrichtung: Es wurde das Amt eines Comptrollers of the Currency geschaffen (was nachher Washington nachmachte). Dieser Comptroller hatte allein das Recht, bei den Druckereien Notenformulare zu bestellen. Wenn eine Bank Noten gebrauchte, so forderte sie beim Comptroller die Formulare an. Nach so und so viel Monaten musste die Notenbank dem Comptroller die Formulare zurueckgeben, was sie ja konnte, wenn der Rueckstrom richtig bei ihr funktioniert hatte. Dieser ganze Vorgang, obwohl eine reine Kontroll-Massnahme, war doch seiner Natur noch ein Kreditgeschaeft. Die Bank lieh sich formell die Noten beim Comptroller auf ein paar Monate. So laesst sich aber auch das Kreditgeschaeft der Verrechnungsbanken als ein besseres Kontroll-Geschaeft auffassen, und die Schecks sind im Grunde doch Eigenschecks der Schuldner, wem sie auch ganz und gar nicht diese Rechtsform haben.

Die Kontrolle sowohl einer Eisenbahn, die Qeserbons herausgibt, als einer Verrechnungsbank, ist uebrigens zweierlei Art: Zunaechst ist jeder einzelne Schein, der zurueckkommt, auf seine Echtheit zu pruefen, dann ist aber auch taeglich oder woechentlich der Betrag "of outstanding notes" zu pruefen. Die Eisenbahn muss z.B. von Zeit zu Zeit bestimmte Serien aufrufen. Wenn denn nach Ablauf der gesetzten Frist doch noch Schecks (Bons) einlaufen, und zwar mit Nummern, die schon amortisiert sind, oder die gar nicht verwendet wurden, so weiss die Bahn, dass Faelschungen vorgekommen sind. Aehnlich muss auch die Bank verfahren. Die Kontrolle ist also bei Eigenschecks nicht geringer und auch nicht billiger, als wenn eine Bank als Kontrollorgan funktioniert.

 

Lorenz von Stein, dem oft Genannten und in Wirklichkeit Vergessenen, waren diese Verhaeltnisse anscheinend klar. Stein war z.B. sehr dafuer, dem Staat zwecks Emission von Staatspapiergeld doch eine Bank sozusagen auf die "Nase zu setzen", bloss wegen der besseren Kontrolle. Stein meinte (nicht mit den hier gebrauchten Worten), es ist besser, dass es eine Bank gibt, die nur einen Kunden hat, naemlich den Staat, als dass der Staat sein eignes Geld herausgibt. Die Kontrolle ist bei Einschaltung der Bank in jedem Falle sehr verbessert.

 

So koennte man auch erwaegen, Bahnen, Schieffahrts-Gesellschaften etc. ihr Eisenbahngeld. Schifffahrtsgeld, etc. doch nicht selbst zu emittieren, sondern durch eine "Hausbank", die vielleicht nur diesen einzigen Kunden hat, nur wegen der verbesserten Kontrolle.

Ich selbst waere dafuer.

 

2.6.33.

Bth.

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Pages 675-676.