Wilhelm
Lexis: Allgemeine Volkswirtschaftlehre.
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je mehr sich dieses System
verallgemeinert. Bare Abhebungen werden dann hauptsaechlich
fuer Lohnzahlungen stattfinden, aber, diese Summen
sammeln
sich fortwahrend wieder in den
Kassen der Geschaeftsleute und Wohnungsvermieter an
und fliessen von dort aus auch wieder stetig den
Banken zu. Je sicherer aber die Bank mit einem nur wenig und langsam veraenderlichen Bestand an stets faelligen
Depositen nebst einem angemessenen Barvorrat rechnen
kann, um so
leichter ist es ihr moeglich, einen Teil dieser
Mittel zu kurzfristigen Kreditgewaehrungen zu
verwenden, wobei die von ihr erworbenen Forderungen wieder die Deckung ihrer
entsprechenden eigenen Verbindlichkeiten bilden.
Fuer die rein theoretische
Betrachtung ist es denkbar, dass durch die volle Ausbildung des Schecksystems
die Barzahlung ueberhaupt ausgeschaltet wuerde.
Das Grundschema des Gueterumsatzes waere dann einfach
folgendes: Eine Personengruppe A hat Waren an eine Gruppe C verkauft und ist
mit Schecks auf die gemeinsame Bank bezahlt worden, deren Betraege
ihnen bei dieser gutgeschrieben werden. Die A kaufen nun Waren bei der Gruppe B
und zahlen ihrerseits mit Schecks auf ihr Guthaben, die Gruppe B kauft wieder
gegen Schecks von den C, die nun ihr Bankguthaben wieder auffuellen
koennen, womit der Kreislauf von neuem beginnt. Alle
Schecks aber lauten auf Geld und die Geldeinheit wuerde
auch bei diesem System das allgemeine Wertmass bleiben. Die Bank waere nur eine Anstalt fuer die
Vermittelung des Gueterumlaufs, die Grundlage ihrer
Operationen wuerde nicht etwa eine Summe in Schecks
sein - denn die eingehenden Schecks wuerden ja sofort
durch Ueberschreibung verschwinden - sondern durch
die Gesamtsumme der als stets faellige Depositen
gutgeschriebenen Forderungen der Konteninhaber gegeben sein. Der reale Wert
dieser Forderungen aber wuerde durch die mittels der
Schecks in Umlauf gesetzten Waren oder Wertpapiere dargestellt, deren
realisierte Preise bei der Bank verbucht sind. Jeder, der eine Ware oder ein
Wertpapier verkauft oder auch einen entgeltlichen Dienst geleistet hat, erwirbt
dadurch eine Geldforderung, die ihn befaehigt,
seinerseits eine entsprechende Kaufkraft zu betaetigen.
Ist sie sofort faellig, so kann er einen Scheck fuer den ganzen Betrag verlangen; ist sie erst spaeter faellig, so kann er sich
ihren auf die Gegenwart diskontierten Betrag auf seinem Konto gutschreiben
lassen. Die Hoehe der einzelnen Konten kann einem
erheblichen Wechsel unterworfen sein; wenn aber nur Uebertragungen
von einem Konto auf das andere stattfinden, so wird die Gesamtsumme dieser nur rechnungsmaessigen Depositen nur geringen periodischen Aenderungen unterliegen und im allgemeinen nur mit der
zunehmenden Masse des Gueterumsatzes ansteigen. Um
der Wirklichkeit etwas naeher zu kommen, kann man
statt der einen auch eine Vielheit von Banken annehmen, die miteinander in
Abrechnungsverkehr stehen. Aber auch die Kreditvermittelung der Banken wuerde neben der Umlaufsvermittelung bestehen bleiben. Fuer die bei ihnen stehenden Depositen haben sie reelle
Gegenwerte, wenn auch nicht in bar, so doch in Schecks oder Wechseln auf andere
Banken in Haenden, und da die Konteninhaber im
allgemeinen nie ueber ihr ganzes Guthaben verfuegen, so kann die betreffende Bank Kredit gewaehren, indem sie fuer einen
Teil ihres Depositenbetrages Schecks
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Der Kreislauf der
Volkswirtschaft.
auf sich ziehen laesst, ohne dass sie befuerchten
muss, bei der taeglichen Abrechnung in ein Defizit zu
geraten.
Bei diesem theoretisch
konstruierten Umlaufsystem wuerde also das
Geldkapital als bloss abstrakte, formale Kaufkraft
den Waren gegenueber stehen und der Sache nach wuerden wieder Waren gegen Waren eingetauscht, aber mit voelliger Ueberwindung der rohen Schwerfaelligkeit des primitiven Naturaltauschs. Vollstaendig wird dieses Schema jedoch nie verwirklicht
werden. Gewisse Zahlungen koennen ihrer Natur nach
nur mit selbstaendigen Zahlungsmitteln - Gold oder
Noten - geleistet werden; namentlich aber ist das Schecksystem gegen Krediterschuetterungen sehr empfindlich und wenn eine
solche eintritt, erhalten die selbstaendigen
Zahlungsmittel wieder die Oberband, und es muss daher auch bei den Banken stets
ein genuegender Vorrat an solchen fuer
alle Faelle bereit gehalten werden.
Hier erhebt sich nun die
Frage, wie gross die Summe an Banknoten oder Gold
sein muesste, die in einem Land, wie England,
imstande waere, den Scheck in dem gegenwaertig
bestehenden Zahlungsverkehr zu ersetzen. Als Grundlage des Schecksystems
kommen, wie schon erwaehnt, nur die besonderen
Scheck- und die Kontokorrentdepositen in Betracht, nicht aber die an bestimmte,
wenn auch nur kurze Kuendigungsfristen gebundenen
Spardepositen. Die ersteren entstehen nur zum kleinsten Teil durch Einzahlung
von Geld oder Banknoten, vielmehr hauptsaechlich
durch Einlieferung von Schecks, Diskontierung von Wechseln und durch von der
Bank gewaehrte Lombarddarlehen, die dem Kunden in
laufender Rechnung gutgeschrieben werden.