Vorbemerkung.
Von U. v. Beckerath, 24.9.1932
(H. Rittershausen : BISHER BESTE DARSTELLUNG DES
PR0BLEMS DES GESETZLICHEN ZAHLUNGSMITTELS.)
In dem Masse, wie wir den Grundgedanken. unserer 4
Entwuerfe auf neue Gebiete anwenden, kommen wir natuerlich auch auf neue
Probleme. Hierbei entsteht in jedem Falle die Frage, ob wir uns bei dem neu
aufgetauchten Problem mit einem Rat an die Beteiligten begnuegen sollen,
ihren Zahlungsverkehr entsprechend den Grundgedanken unserer 4 Entwuerfe
einzurichten, oder aber ob es sich verantworten laesst, eine gesetzliche
Regelung vorzuschlagen. Beispiel:
Wir sind zu dem von Herrn Dr. Zander in sehr klarer Weise
formulierten Ergebnis gekommen, dass die Industrie einen sehr grossen Teil
ihrer Schulden, vielleicht sogar alle ihre Schulden bezahlen koennte,
wenn sie bei Verkaeufen ihre Schuldverpflichtungen als Zahlungsmittel gegen
sich gelten liesse und den Kreis ihrer Abnehmer ausdruecklich darauf hinwiese.
Wir kamen ferner zu dem Ergebnis, dass durch einen genuegend nachdruecklichen
Hinweis darauf wahrscheinlich alle Industrie-Obligationen auf pari steigen
werden, so dass der Geldmarkt dann vielleicht sogar neue Obligationen aufnehmen
kann. Eine Abaenderung bestehender Gesetze ist zu dieser Aktion
aber nicht notwendig, weil der Par. 387 BGB und die zugehoerigen Par. alles
Notwendige enthalten. Geaendert werden muessten nur die Stillhalte-Abkommen,
weil diese Abkommen der Industrie eine Aufrechnung, so wie wir es verstehen,
geradezu verbieten.
Eine andere Erwaegung fuehrte uns dann zu der Frage, ob
nicht ueberhaupt die bisherige Art, Schuldvertraege abzuschliessen, wobei der
Schuldner auf Termin Gold bzw. Banknoten auf Termin verkauft, ohne doch
die Gewissheit zu haben, sich rechtzeitig das Geschuldete verschaffen zu
koennen, ob nicht diese Art doch eigentlich gesetzlich erschwert werden
muesste. Es ist klar, dass das von uns angeschnittene Problem sehr eng mit dem
Problem des Solutionsmittels ueberhaupt zusammenhaengt. Dieses Problem ist von
der bisherigen Volkswirtschaftslehre noch nicht in seinem ganzen Umfang
erkannt; auch Menger, der wenigstens bis zum Begriff des "usuellen
Geldes" vorgedrungen war, hat nicht untersucht, was denn nun zu geschehen
habe, damit usuelles Geld auch stets in genuegendem Umfang zur Verfuegung
stehe.
Die aeltere Volkswirtschaftslehre hatte immerhin eine
Ahnung von dem, worauf es ankam; sie dachte aber primitiv, und beschraenkte
sich daher darauf, zu fordern, dass die Ausfuhr von Edelmetallen verboten
werde, dass Gold- und Silberminen unter allen Umstaenden, selbst mit Verlust
ausgebeutet werden sollten, dass Loehne und Zinsen moeglichst niedrig gehalten
wurden, etc. Dann kamen die Doppelwaehrungsleute und zuletzt die
Schwundgeld-Anhaenger und die "Zinslosen", alle ausnahmslos von der
Voraussetzung ausgehend, dass ganz selbstverstaendlich das Solutionsmittel ein Gut
sei, wie Roggen und Kohle, und dass es wie jedes zu knappe Gut, eben
"bewirtschaftet" werden muesse.
Unsere Theorie des Solutionsmittels ist ganz neu; sie
lautet : Das Solutionsmittel ist an sich kein Gut, sondern ein Anspruch,
und zwar auf Verrechnung, d.h. das Solutionsmittel ist ein Abstraktum;
jedoch kann unter den gegenwaertigen Verhaeltnissen eine Ausnahme zugunsten des
Goldes gemacht werden, indem man dem Schuldner die Wahl frei
stellt, mit Gold zu zahlen oder durch Verrechnung. Wie ich in meiner
Niederschrift vom 24.8.32 darlegte, laesst unsere Theorie noch die Frage offen,
ob immer eine ausreichende Gelegenheit zur Verrechnung vorhanden sein werde,
und wies darauf hin, dass wir eigentlich einen Vorschlag machen muessten,
dessen Annahme diese Gelegenheit gewaehrleistet. Ich machte dann selbst einen
Vorschlag, den IV. Entwurf, Par. 14, zweiter Satz, entsprechend zu ergaenzen.
Die Annahme dieses Vorschlages erscheint mir als das Wenigste was wir
tun muessten, um die 4 Entwuerfe zu vervollstaendigen und Einwendungen dagegen
zuvorzukommen. Fuer unsere Sache sehr foerderlich wuerde ich es aber halten,
wenn wir darueber hinausgingen und den am Schluesse dieser Ausfuehrungen
aufgestellten Entwurf annaehmen anstatt des unterm 24.8.32 vorgeschlagenen.
Wenn ich bisher einen solchen Vorschlag noch nicht gemacht habe, so geschah
dies deswegen, weil die Probleme in unserem Kreise erst wenig besprochen sind,
das Problem z.B., ob immer genuegend
Abrechnungs-Gelegenheit vorhanden sein werde, nur wenige Minuten lang.
Falls mein neuer Vorschlag angenommen wird, muessten
auch die Geschaeftsbedingungen der Verrechnungsbank entsprechend erweitert
werden. Es muesste dann naemlich die No.12 der Geschaeftsbedingungen vom
15.8.1932 dahin ergaenzt werden, dass auch in Bezug auf Kredite die
Verrechnungsbank jedem, der die erforderlichen Unterlagen beibringt und in dem
Gebiet wohnt, innerhalb dessen die Bank arbeitet, einen Rechtsanspruch
einraeumt. (Eine gewaltige Sache! Wir wuerden damit der NSDAP, deren
Parteigenosse Feder etwas Aehnliches will, beinahe Konkurrenz machen.)
Geschieht das nicht, so koennen die Schuldner nicht verlangen, dass die Zahlung
ueber eine Verrechnungsbank sozusagen gesetzliches Zahlungsmittel werde.
(Besondere Vereinbarungen ueber besondere Zahlungsmittel sind ja immer
zugelassen.)
Was heisst: Der Schuldner stellt dem Glaeubiger den
geschuldeten Betrag bei einer Verrechnungsbank zur Verfuegung? Es heisst, dass
die Bank dem Schuldner ermoeglicht, den Glaeubiger zu wechseln und selbst sein
Glaeubiger wird. Der erste Glaeubiger erhaelt dann Verrechnungsschecks
ausgehaendigt, ueber die er frei verfuegen kann. Der Schuldner aber muss die
Deckung fuer die Verrechnungsschecks anschaffen; welche Art von Deckung
in Frage kommt, steht in den Allgemeinen Geschaeftsbedingungen. Wenn sich nun
die Bank als allgemeine Ausgleichs-Stelle zwischen Glaeubigern und Schuldnern
anbietet, so folgt schon allein hieraus, dass sie auch jedem Kredite gewaehren
muss, der seinen Glaeubiger durch Verrechnungsschecks bezahlen will.
Die
Verrechnungsbanken sollen vor allem auch dazu dienen, Schulden an Auslaender in
inlaendische Schulden zu verwandeln, d.h. in solche, deren Glaeubiger die
Verrechnungsbank ist. Das ist der eigentliche Sinn einer Bezahlung von
Schulden an Auslaender mit Hilfe einer deutschen Verrechnungsbank. Um ihre
Aufgabe erfuellen zu koennen, muessen die V-Banken natuerlich auch
unbeschraenkt Waehrungskonten fuehren duerfen. Diese Erlaubnis ist in den vorgeschlagenen
Ergaenzungen zum IV. Entwurf gleichfalls vorgesehen.
Man koennte
meinen, dass eine so weit reichende Bestimmung, wie der Rechtsanspruch eines
Jeden auf Kredit bei einer Verrechnungsbank am besten auch gleich in das Gesetz
hineingenommen wuerde. Das halte ich aber nicht fuer opportun. Das ganze Gebiet
ist fuer den Laien sehr dunkel, und die Begruendung fuer die hier
vorgeschlagene Massnahme daher nur wenigen verstaendlich. Es ist daher zu
befuerchten, dass die Gesetzgebung, die ja immer auch von Nicht-Fachleuten
beeinflusst wird, in unsachgemaesser Weise verfahren werde. Ich schlage daher
vor, die Regelung durch die Geschaeftsbedingungen der Verrechnungsbanken
vorzunehmen.
Es war zu
pruefen, ob die Ergaenzungen, abgesehen von der vorstehend bezeichneten
Ergaenzung der Geschaeftsbedingungen, in einen neuen Gesetzentwurf
hineinzubringen sind, etwa unter der Bezeichnung:
Gesetz ueber
den Zahlungsverkehr im Inland und mit dem Ausland, oder aber ob die 4 Entwuerfe
selbst, speziell der Entwurf ueber die Verrechnungsbanken, zu vervollstaendigen
sind. Fuer jede dieser Moeglichkeiten sprechen schwerwiegende Gruende. Wenn
Abrechnungsbanken nicht ein fuer Deutschland ganz neuer Begriff waeren, so
waere es wohl besser, ein neues Gesetz ueber den Zahlungsverkehr zu schaffen.
Da aber solche Banken fuer Deutschland nicht nur neu sind, sondern sogar ein
neuer Begriff sind, so halte ich es fuer besser, alles was die Taetigkeit
solcher Banken betrifft, gleich in das Gesetz ueber die Abrechnungsbanken
hineinzunehmen.
In meinem
Vorschlage vom 24.8.32 hatte ich angeregt, auch die Zahlung durch gewoehnliche
Schecks, d.h. solche, die den Vorschriften des Scheckgesetzes entsprechen, als
definitive Zahlung gelten zu lassen. Eine solche Regelung wird unvermeidlich
sein, da man ja nicht von heute auf morgen den gesamten Scheckverkehr auf die
Grundsaetze unserer 4 Entwuerfe umstellen kann.
Anlagen.
IV. Entwurf, Par. 14 zweiter
Satz.
Die Hingabe von Schecks an Zahlungsstatt, welche den
Vorschriften des Scheckgesetzes vom 11.3.1908 oder den Vorschriften des
Gesetzes ueber die Verrechnungsbanken entsprechen, kann der Glaeubiger nicht
ablehnen, es sei denn, dass vorher eine Art der Zahlung vereinbart war oder vom
Glaeubiger nach billigem Ermessen gefordert werden konnte. Der Glaeubiger ist
berechtigt, 5 Tage vor der Faelligkeit der Schuld oder frueher eine Erklaerung
des Schuldners darueber zu verlangen, in welcher Art und insbesondere in
welchen Zahlungsmitteln die Zahlung voraussichtlich geschehen werde.
Wenn eine
Vereinbarung darueber getroffen wurde, dass Zahlungen in anderer Weise als
durch Verrechnung ueber eine Verrechnungsbank erfolgen sollten, so kann der
Schuldner eine Aufhebung dieser Vereinbarung in folgenden Faellen fordern:
1.) Wenn in der Vereinbarung der Grund der
Ausschliessung der Verrechnung durch eine der Verrechnungsbanken, insbesondere
aber der Grund einer Beschraenkung der Zahlungsmittel auf Goldmuenzen oder
Reichsbanknoten ueberhaupt nicht oder nicht klar erkennbar angegeben war.
2.) Wenn der Schuldner glaubhaft machen kann, dass in
seinen Verhaeltnissen eine solche Veraenderung eingetreten ist, welche ihm die
Zahlung in anderer Weise als durch Verrechnung bei einer Verrechnungsbank
unmoeglich macht, und wenn der Glaeubiger bei der Vereinbarung der
Zahlungsbedingungen mit dieser Moeglichkeit rechnen musste.
Verzichtet der Glaeubiger in den Faellen 1.) und 2.) auf
die vereinbarte Zahlungsweise, oder wird dem Schuldner gerichtlich oder
schiedsgerichtlich das Recht zugesprochen, ueber eine Verrechnungsbank zu
bezahlen, so erhoeht sich die Schuld um ein Aufgeld von 5%. Dieses Aufgeld ist
so zu zahlen, als wenn die Schuld von Anfang an um 5% hoeher gewesen waere.
Par. 14 a.
Verrechnungsschecks von Verrechnungsbanken duerfen auch
auf andere Werteinheiten als Reichswaehrung ausgestellt werden.
Verrechnungsschecks von Verrechnungsbanken unterliegen nicht der gegenwaertigen
oder zukuenftigen Gesetzgebung ueber Devisen, auslaendische Zahlungsmittel oder
wertbestaendige Zahlungsmittel oder ueber Notgeld.
Ergaenzung
zum Entwurf der Geschaeftsbedingungen fuer Verrechnungsbanken vom 15.8.1932.
Die No. 7 erhaelt folgende Fassung:
"Die Bank verpflichtet sich, Besitzern von typisierten
Verrechnungsschecks, auf deren Ansuchen Konten zu eroeffnen und ihnen darauf
die Verrechnungsschecks gutzuschreiben.
Ferner verpflichtet sich die Bank, Personen oder
Koerperschaften, gegen welche nach den Regeln eines ordentlichen Bankverkehrs
kein Bedenken besteht, und welche im Geschaeftsbezirk der Verrechnungsbank
wohnen, Verrechnungskredite zu eroeffnen. Wenn mehrere Anspruchsberechtigte
gleichzeitig einen Antrag auf Gewaehrung eines Verrechnungskredites stellen, so
werden zuerst die Antraege derjenigen geprueft, welche beabsichtigen,
auslaendischen Glaeubigern geschuldete Betraege zur Verfuegung zu stellen,
alsdann haben in der Reihenfolge der zu pruefenden Antraege diejenigen den
Vorzug, welche inlaendischen Glaeubigern geschuldete Betraege zur Verfuegung
stellen wollen."
In No.
1, Zeile 3 ist hinter "Kreditbetraegen" einzuschalten: "und von
Guthaben".
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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit,
zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen,
Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983.
Pages 499-501.