DEUTSCHE
FESTMARK-BANK G.M.B.H.
BERLIN
NW 7. FRIEDRICH-EBERTSTRASSE 28
Wirtschafts-Bericht
Jahrgang 1932 Nr. 1
Nachdruck mit Quellenangabe
gestattet.
Berlin. 22. Januar 1932
Absatznot
- Zahlungsmittelnot.
von
Dr. Gustav Ramin
Die Absatzschrumpfung der
deutschen Wirtschaft nimmt nunmehr einen solchen Umfang an, dass mit einer
allmaehlichen Aufloesung bei bestehenden Organisationen der Produktion und
Konsumption ernstlich gerechnet werden muss. Als Barometer fuer die allgemeine
Wirtschaftslage ist stets der Inlandsabsatz von Eisen betrachtet worden, und
kann auch heute als solcher betrachtet werden. Nachstehend die Statistik ueber
den Inlandsabsatz von Eisen in den einzelnen Monaten der Jahre 1929, 1930 und
1931.
In 1000 t
1929 1930 1931
Januar 1509 1172 654
Februar 1363 1200 714
Maerz 1315 1117 712
April 1328 1087 727
Mai 1296 1003 657
Juni 1330 829 653
Juli 1341 865 722
August 1279 855 564
September 1218 747 394
Oktober 1264 757 376
November 1179 590 360
Dezember 1106 666
Setzt man die erste Zahl also
Januar 1929 1509 gleich hundert, so ergibt sich die folgende Reihe von
Prozentsaetzen:
1929 1930 1931
Januar 100 77 43
Februar 90 79 47
Maerz 87 74 47
April 88 72 48
Mai 86 66 43
Juni 88 54 43
Juli 88 58 47
August 84 56 37
September 80 49 26
Oktober 83 50 24
November 78 39 23
Dezember 73 44
Ein grosses Elend enthuellt
sich uns in diesen Zahlen. Besonders bemerkenswert ist der voellige Abfall der
Zahlen seit August 1931.
Mannigfaltige Umstaende und
schwerwiegende Fehler unserer Wirtschaftspolitik haben uns auf den absteigenden
Weg gefuehrt. Von allen Fehlern aber, die gemacht worden sind, wiegt keiner so
schwer, wie die Verknappung der fuer den Warenverkehr erforderlichen
Zahlungsmittel. Ihr gegenwaertiges Ausmass aber erreichte diese Verknappung
indirekt dadurch, dass das Notenbankgesetz vom 30.August 1924 in seinen
entscheidenden Bestimmungen verletzt worden ist.
§ 28 des Notenbankgesetzes
lautet:
"Die Bank ist
verpflichtet, fuer den Betrag ihrer im Umlauf befindlichen Noten jederzeit zu
halten:
a)
eine Deckung von mindestens 40% in Gold oder Devisen (Golddeckung): diese
Deckung muss zu mindestens drei Vierteln aus Gold bestehen.
Gold
im Sinne dieser Vorschrift ist Barrengold sowie in- und auslaendische
Goldmuenzen, das Pfund fein zu 1392.- Reichsmark berechnet, soweit sie sich
entweder in den Kassen der Bank oder zu ihrer jederzeitigen freien Verfuegung
bei einer auslaendischen Zentralnotenbank befinden.
b)
Fuer den Restbetrag diskontierte
Wechsel
oder Schecks, welche den in § 21 aufgestellten Erfordernissen genuegen."
Die entsprechenden
Bestimmungen des § 21 lauten:
"Die
Bank ist befugt, folgende Geschaefte zu betreiben:
1.
Gold und Silber in Barren und Muenzen, sowie Devisen zu kaufen und zu
verkaufen;
2.
Wechsel welche eine Verfallzeit von hoechstens drei Monaten haben und aus
welchen drei als zahlungsfaehig bekannte Verpflichtete haften, zu diskontieren,
zu kaufen und zu verkaufen. Von dem Erfordernis der dritten Unterschrift kann
in den Faellen abgesehen werden, wo durch eine Nebensicherheit oder in
sonstiger Weise Sicherheit des Wechsels oder Schecks gewaehrleistet ist; der
Betrag der so diskontierten Wechsel darf 33 vom Hundert des jeweiligen
Gesamtbestandes der diskontierten Wechsel nicht uebersteigen. Die von der Bank
diskontierten Wechsel sollen nur gute Handelswechsel sein."
In dem Kommentar zum
Notenbankgesetz von Dr. Hjalmar Schacht (Guttentag'sche Sammlung Nr. 26) wird
zu § 21 Ziffer 2 auf Seite 142/43 folgendes ausgefuehrt:
"Im
Hinblick auf die Zweckbestimmung der Notenbanken wird der bereits frueher
angewendete Grundsatz, dass die von der Bank diskontierten Wechsel nur gute
Handelswechsel sein sollen, im neuen Bankgesetz ausdruecklich festgelegt. Damit
wird der Bank die Diskontierung anderer Wechsel. z. B. so genannter Finanz- und
Kreditwechsel oder von Wechseln, die zu spekulativen Zwecken ausgestellt sind,
untersagt."
Welche
Bedeutung der Gesetzgeber diesen Bestimmungen der §§ 21 und 28 beimass, geht
aus den Strafbestimmungen des Notenbankgesetzes hervor.
Es ist
allgemein bekannt, dass die Reichsbank insbesondere seit der Kreditkrise im
Juli 1931 Finanz- und Kreditwechsel in einem Umfange diskontiert hat, der
wahrscheinlich hoeher als zwei Milliarden ist. Die Reichsbank hat damit ein
schlechtes Papiergeld in den Verkehr gesetzt, waehrend bei sorgfaltiger
Durchfuehrung des Gesetzes nur gutes Papiergeld in den Verkehr gelangen
kann.
Das Notenbankgesetz erlaubt
nur zwei Sorten von Banknoten, die wir entsprechend den Bestimmungen des § 28
mit
a)
Gold- und Devisengeld
b)
Handelswechsel-Geld
bezeichnen wollen. Daneben
sind aber Noten durch Diskontierung von Finanzwechseln ausgegeben worden. Diese
im Gesetz verbotene Sorte von Banknoten wollen wir mit
Finanzwechsel-Geld
bezeichnen.
Von
dem Betrag der umlaufenden Noten in Hoehe von rund 4575 Millionen entfallen
rund 25%, also 1144 Millionen Reichsmark auf Gold- und Devisengeld, mithin auf
Handelswechsel-Geld und Finanzwechsel-Geld insgesamt 3431 Millionen. Wie viel
von dieser Summe auf Handelswechsel-Geld entfaellt, geht aus den
Veroeffentlichungen der Reichsbank nicht hervor. Es kann aber nach den
Veroeffentlichungen der Akzept- und Garantiebank vermutet werden, dass das
Finanzwechsel-Geld etwa zwei Milliarden betragt. Dass das Gesetz
Finanzwechsel-Geld verbietet, hat seinen guten Grund. Dieser Grund und die
Vorzuege des Handelswechsel-Geldes sollen im Nachstehenden dargelegt werden.
1. Das
Handelswechsel-Geld.
Das
Handelswechsel-Geld entsteht durch Diskontierung "guter
Handelswechsel" mit einer Laufzeit von hoechstens drei Monaten. Der
Begriff "Handelswechsel" ist durchaus eindeutig. Ein Handelswechsel
liegt nur dann vor, wenn der Verkaeufer einer Ware einem zahlungsfaehigen
Kaeufer den Kaufpreis gestundet und der Kaeufer ueber die Bezahlung des
Kaufpreises einen Wechsel ausgestellt hat. Aus einem solchen Wechsel sind der
Reichsbank sowohl der Kaeufer, wie der Verkaeufer zur Einlosung des Wechsels am
Verfalltage verpflichtet, ebenso diejenige Stelle, die die dritte Unterschrift
gegeben hat, in der Regel eine Bank.
Die
Reichsbank darf nur solche "Handelswechsel" diskontieren. Warum? Weil
beim Handelswechsel die Rueckstroemung der Noten zur Reichsbank bestmoeglichst
gesichert ist. Und wozu die Rueckstroemung? Weil nur sie den Wert der Noten auf
pari halt. Neben den Banknoten, die als "typisierte Handelswechsel"
zu betrachten sind, besteht aber noch ein anderes nicht typisiertes Zahlungsmittel,
dessen Wert unmittelbar vom Wert der Noten abhaengt und dessen Vorhandensein
ebenfalls davon abhaengt, dass die Reichsbank gute Handelswechsel in der
noetigen Menge und in der richtigen Weise diskontiert. Die praktische Bedeutung
dieses Zahlungsmittels ist noch groesser als die Bedeutung der Noten, weshalb
auch hierueber einiges gesagt werden muss.
Die
Unternehmer reichten frueher ihre Handelswechsel fortlaufend bei den Banken zum
Diskont ein, so wie die Warenkaeufe und -verkaeufe vor sich gingen. Sie hatten
also staendig in kurzen Zeitraeumen Geld an die Banken zu zahlen und von ihren
Abnehmern zu empfangen. In der Regel uebertrugen die Unternehmer ihren
Kassenverkehr einer Bank, die noetigenfalls auch die dritte Unterschrift fuer
die Diskontierung ihrer Handelswechsel gab. Die Banken fuehrten nun durch die
Einrichtungen des Oberweisungs- und Scheckverkehrs die Auftraege ihrer Kunden
im Wesentlichen bargeldlos im Wege der Verrechnung durch und ersparten dadurch
bei dem groessten Teil der erforderlichen Zahlungen die Verwendung von
Banknoten, da sie nach erfolgter Verrechnung nur noch die nicht ausgeglichenen
Spitzenbetrage bei der Reichsbank zum Rediskont einzureichen brauchten.
Das
Handelswechsel-Geld bestand somit sowohl aus den von der Reichsbank ausgegebenen
Noten als auch aus dem bargeldlosen Geld des Ueberweisungs- und Scheckverkehrs,
auch Buchgeld, Giralgeld, Kreditgeld und aehnlich genannt. Zwar hat die
Reichsbank allein die Berechtigung zur Ausgabe von Banknoten, aber daneben
schufen die Kreditbanken die vorgenannten bargeldlosen Zahlungsmittel, indem
sie den Unternehmern nach den gleichen Grundsatzen, wie sie der Reichsbank
vorgeschrieben sind, Buchkredite durch Handelswechsel-Diskont einraeumten.
Wodurch
erhalten nun die Buchkredite ihre Eigenschaft als Zahlungsmittel? Was sind sie
ueber6haupt ihrer Natur nach?
Die
Banken verrechnen die Forderungen und Gegenforderungen ihrer verschiedenen
Kunden untereinander durch Gutschrift und Belastung in ihren Buechern. Dadurch
ist die Moeglichkeit gegeben, Buchkredite ohne Verwendung von Banknoten zu
gewaehren. Die unbaren Zahlungsmittel uebertrafen die Banknoten der Hoehe nach
ganz erheblich, und zwar schaetzungsweise um etwa das Fuenffache.
Das
Handelswechsel-Geld ist seiner Natur nach und fuer die Bevoelkerung, die sich
seiner bedient, eine Anweisung auf Ware, und zwar auf eine Ware, die durch
Verkauf bereits in den Verkehr gelangt ist. Wer eine solche Anweisung auf Ware
von der Reichsbank erhalten will, muss vorher den Nachweis erbringen, dass auch
er seinerseits der Allgemeinheit Ware durch Verkauf an einen sicheren Kaeufer
zur Verfugung gestellt hat. Das Handelswechsel-Geld verdankt also seine
Entstehung nur den Beduerfnissen des Guetertausches und ist nur fuer diesen da.
Es begleitet die umzusetzenden Gueter von ihrer Erzeugung bis zum letzten
Verbraucher, ebenso wie ein Frachtbrief den Gueterwagen, oder eine Fahrkarte
die zu befoerdernde Person. Nachdem es seine Dienste geleistet hat, und die
Ware, fuer die es ausgegeben ist, aus dem Verkehr verschwunden ist,
verschwindet auch das Handelswechsel-Geld automatisch aus dem Verkehr und zwar
soweit es unbar ist, durch Verrechnung in den Buechern der Banken, soweit es
bar, also in Banknoten auftritt, durch Rueckkehr zur Reichsbank. Das
Handelswechsel-Geld muss seiner Natur nach in staendiger Bewegung sein, ebenso
wie die Gueter. Das Ziel dieser Bewegung muessen immer diejenigen Stellen sein,
die das Geld ausgegeben haben, also fuer das unbare Verrechnungsgeld die
Banken, und fuer die Banknoten die Reichsbank. Um einen raschen und dauernden
Rueckfluss zu sichern - und in dessen Sicherung besteht eigentlich die Technik
der Notenemission -, darf die Reichsbank nur solche Handelswechsel
diskontieren, die eine Laufzeit von hoechstens 3 Monaten haben. Die Noten laufen
aber bei einer dem Gesetz entsprechenden Diskontpolitik in Wirklichkeit nicht
einmal 90 Tage um, sondern sind im Durchschnitt in weit kuerzerer Zeit, etwa in
16 bis 20 Tagen wieder zur Reichsbank zurueckgekehrt, um dann von neuem gegen
neue Handelswechsel wieder in den Verkehr gebracht zu werden.
Daher
koennen auch als Handelswechsel-Geld ausgegebene Noten niemals in nennenswertem
Umfange gehamstert werden, denn wer Noten hamstert, schaltet sich damit aus dem
Gueteraustausch von selbst aus, von dem er doch leben muB. Er wird also ueber
den Versuch des Hamsterns nicht hinauskommen.
Auch
kann das Handelswechsel-Geld niemals ueber den zum Guetertausch erforderlichen
Betrag hinaus ausgegeben werden. Die Kaufkraft des Handelswechsel-Geldes ist
niemals hoeher als der Gesamtbetrag der im Verkehr befindlichen Gueter. Eine
Inflation von Handelswechsel-Geld ist daher technisch vollkommen unmoeglich.
Wohl
aber ist eine Deflation von Handelswechsel-Geld moeglich, d. h. seine
kuenstliche Verknappung durch eine schlechte Diskontpolitik. Eine solche
Diskontpolitik kann keinen vernuenftigen Grund fuer sich geltend machen. Es
wuerde uns sicher unsinnig erscheinen, wenn die Reichsbahn ploetzlich in der
Besorgnis "Frachtraum zu entwerten" und dadurch vielleicht der
Volkswirtschaft zu schaden, einen Teil ihrer Gueterwagen aus dem Verkehr ziehen
wuerde, obwohl der Verkehr ihrer bedarf. Genau so unsinnig ist aber eine
Verknappung von Handelswechsel-Geld; trotzdem herrscht der Deflationswahn in
der modernen Wirtschaft wie eine ansteckende, geistige Erkrankung.
Fuer
die Verknappung von Zahlungsmitteln gibt es verschiedene technische Formen:
a) Zu
hoher Diskontsatz der Reichsbank (Zins). Dann koennen alle diejenigen
Kreditverkaeufe nicht mehr getaetigt werden, bei denen der Zins die Ware so
verteuert, dass sie unverkaeuflich wird; die Waren bleiben auf Lager, folglich
werden keine neuen hergestellt und das Ergebnis: Arbeitslosigkeit.
b) Es
werden von der Reichsbank nicht alle angebotenen Handelswechsel diskontiert
(Kreditrestriktion). Dann muessen die hiervon betroffenen Kreditverkaeufe
unterbleiben, und zwar mit dem gleichen Ergebnis wie bei a).
c)
Ebenso, aber in ihrer Auswirkung noch umfangreicher, wirkt die Verweigerung der
Diskontierung von Handelswechseln auf die Schaffung eines Verrechnungs-Kredites
bei den Kreditbanken, wenigstens bei der Art, wie bisher Verrechnungskredite
bei den Banken gehandhabt wurden.
Die
Deflation bewirkt also eine sofortige Einschraenkung unseres Gueterumsatzes,
und damit auch der Gueterproduktion (Arbeitslosigkeit). Damit sinken aber alle
unsere Werte, Wertpapiere, Haeuser, Grundstuecke usw. im Preise, denn nur der
Gueterumsatz allein ist es, der einen Wert ueberhaupt schafft. Durch die
Deflation wird aber auch das Gleichgewicht der Kreditbanken zerstoert, indem
die Aktiven der Banken wegen fehlender Nachfrage im Wert sinken, aber ihre
Geldschulden, die Passiven, dagegen in alter Hoehe bestehen bleiben. Damit wird
die Gefahr einer Erschuetterung des Kreditsystems heraufbeschworen, die nun
wieder zu einer weiteren Kreditrestriktion der Banken gegenueber der Schaffung
von unbarem Handelswechsel-Geld (wenigstens bei der bisherigen Handhabung) und
damit zu einer furchtbaren Verschaerfung der Krise fuehren muss, die sich bis
zur Aufloesung der zurzeit bestehenden Wirtschaftsorganisation verstaerken
kann.
Fuer
die Heilung einer Deflationskrise gibt es nur einen einzigen Weg: Die
Versorgung des Verkehrs mit soviel Handelswechsel-Geld, und zwar typisiertem
(Noten) und nicht typisiertem (Giralgeld), wie er braucht, um normal zu
funktionieren. Der Zins (Diskontsatz) muss zu diesem Zweck solange und soweit
ermaessigt werden, bis alle Deflationserscheinungen verschwunden sind.
Alle
anderen Versuche zur Heilung der Krise sind von vornherein als nutzlos, wenn
nicht gar geradezu als schaedlich zu bezeichnen, insbesondere auch Massnahmen
wie die letzten Notverordnungen. Fehler des Geldumlaufes bewirken immer auch
Fehler des Gueterumlaufes, aber nur die Wiederherstellung eines normalen
Gueterumlaufes beseitigt die Absatzstockung.
Erst vor 10 Jahren. naemlich waehrend der Inflationszeit, wurde ein
Versuch mit fast den gleichen Notverordnungen gemacht. Seine damalige
Nutzlosigkeit ist schon wieder vergessen und kostbarste Zeit vertan.
2. Der
Umfang der Deflation.
Seit
dem Jahre 1929 ist ein dauernder Angriff sowohl auf die baren Mittel wie auf
das Giralgeld der Kreditbanken im Gange. Auslaendische und spaeter auch
inlaendische Glaeubiger der Banken riefen in grossem Umfange ihre Guthaben ab
und machten es dadurch den Banken unmoeglich, wie frueher Guthaben gegen
Forderungen zu verrechnen. Es kam dann schliesslich zu den bekannten
Vorgaengen, die zu einer schweren Erschuetterung unseres gesamten Kreditsystems
im Juli v. Js. fuehrten.
Die
Banken, ohne die Moeglichkeit, die ihnen neu zum Diskont eingereichten Wechsel
auf normale Weise zu diskontieren, sahen sich gezwungen, die Hilfe der
Reichsbank soweit wie moeglich in Anspruch zu nehmen, indem sie in erster Linie
alle Handelswechsel zum Rediskont bei ihr einreichten. Die Reichsbank nahm
alles angebotene Material auf und schreckte - an sic durchaus richtig - auch
nicht davor zurueck, die Deckungsgrenze in Gold und Devisen unter den Betrag
von 40% herabzusetzen. Aber die Katastrophe ging weiter. Die Zurueckziehung der
Kreditoren bei den Banken und auch bei den Sparkassen nahm einen solchen Umfang
an, dass die Banken diesen Anspruechen nicht einmal durch Abwaelzen der
gesamten Diskonttaetigkeit auf die Reichsbank entsprechen konnten: die Banken
mussten vielmehr versuchen, sich selbst von der Reichsbank Mittel zum Auszahlen
zu verschaffen, und die Reichsbank stand vor der, wie man zugeben muss,
schlimmen Alternative, entweder auch diesen Anspruechen Genuege zu tun, oder
aber den Zusammenbruch der Banken geschehen zu lassen. Weiteres hierueber ist
im folgenden Abschnitt ueber das Finanzwechsel-Geld ausgefuehrt.
Die
unmittelbare Folge dieser Vorgaenge bei den Kreditbanken war aber auch eine
verhaengnisvolle Einschraenkung des unbaren Handelswechsel-Geldes, ja, man kann
schon fast von einer Vernichtung des unbaren Handelswechsel-Geldes sprechen.
Wie hoffnungslos die Banken die Lage selbst in dieser Hinsicht beurteilen, zeigt
der Bericht der Reichs-Kredit-Gesellschaft A.G.:
Deutschlands
wirtschaftliche Lage an der Jahreswende 1931/32. Seite 41.
"Die
Wirkung der Glaeubiger-Panik auf die Banken und ihre Faehigkeit, Kredit zu
gewahren, reicht weit ueber die gegenwaertige Einengung der kreditvermittelnden
Taetigkeit der Banken hinaus. Den Banken sind nicht allein seit Anfang 1930 30%
ihrer fremden Gelder entzogen worden, sie haben in diesem Jahre nicht allein 3
Milliarden Reichsmark an das Ausland zurueckgezahlt, die wahrscheinlich nicht
zurueckfliessen werden, die erhoehte Fluktuation der Einlagen und die ueber die
tatsachliche Fluktuationsbeschleunigung hinausdauernde Gefahr erhoehter
Fluktuation zwingt sie auch zu einer Erhoehung ihrer Liquiditaet, insbesondere
einer allmaehlichen Erhoehung ihrer Barliquiditat. Das bedeutet, dass die
Banken kuenftig ihre Kreditfaehigkeit nicht in gleichem Masse ausnutzen
koennen, wie es in den letzten Jahren der Fall war. Sie werden von den
Moeglichkeiten der Kreditvermittlung und Krediterteilung nicht den gleichen
Gebrauch machen koennen, wie in den vergangenen Jahren. Soweit der Warenverkehr
der Kredite nicht entraten kann, wird der direkte Kredit der Kaufleute
untereinander an ihre Stelle treten muessen. Zu seiner Unterstuetzung wird vielleicht
mehr als in den vergangenen Jahren der Wechsel herangezogen werden."
Dass
die Frage des unbaren Handelswechsel-Geldes gleichzeitig eine Schicksalsfrage
der deutschen Wirtschaft ist, zeigen die folgenden Schaetzungen:
Das
bar umlaufende Handelswechsel-Geld betraegt in Deutschland in normalen Zeiten
rund 5 1/2 Milliarden Reichsmark, das unbare etwa das Fuenffache hiervon, also
rund 27,5 Milliarden Reichsmark. Es wird nicht zu pessimistisch sein, wenn
angenommen wird, dass das unbare Handelswechsel-Geld auf etwa ein Viertel des
normalen Betrages, also auf rund 7 Milliarden Reichsmark zusammengeschrumpft
ist. Es fehlen also
rund
20 Milliarden
unbares
Handelswechsel-Geld.
Bei
diesem riesenhaften Ausfall an unbaren Zahlungsmitteln musste der Gueterverkehr
naturgemaess den Versuch machen, sich mehr als frueher der baren Zahlungsmittel
zu bedienen. Aber die Moeglichkeiten hierzu sind ebenfalls beschraenkt und
wurden durch das Verhalten der Reichsbank noch weiter beschnitten. Die Reichsbank
stellte sich auf folgenden Standpunkt:
Der
Notenumlauf der Reichsbank betraegt in normalen Zeiten rund 4,5 Milliarden
Reichsmark. (Sonstige Umlaufsmittel: Rentenmark, private Notenbanken etc. zirka
1 Milliarde). Dieser Betrag darf unter keinen Umstaenden erhoeht werden. Denn
sonst ist es ein "Waehrungsabenteuer". Die Reichsbank ist bereit,
jeden Handelswechsel innerhalb dieser Grenze zu diskontieren. In der Nahe
dieser Grenze jedoch nur zu dem von ihr festgesetzten Diskontsatz, welcher die
Einhaltung dieser Grenze garantiert. Wenn die Wirtschaft zu diesem Satze nicht
mehr produzieren kann, muss sie eben aufhoeren; ebenso wenn die Grenze von 4,5
Milliarden Mark wirklich erreicht ist. Feste Wahrung!!
Nun
betraegt aber das der Wirtschaft als Handelswechsel-Geld zur Verfuegung
gestellte Kontingent an Reichsbanknoten in Wirklichkeit nicht 4,5 Milliarden
Reichsmark, sondern nur rund 2,5 Milliarden Reichsmark. Denn rund 2 Milliarden
Reichsmark sind den Kreditinstituten durch Diskontierung von Finanzwechseln zugegangen.
Der
Umlauf an barem Handelswechsel-Geld betraegt mithin:
rund
2,5 Milliarden Reichsbanknoten
rund
1 Milliarde sonstige Zahlungsmittel
(Rentenmark, private Notenbanken etc.)
_______
insges.3,5
Milliarden.
Wir
kommen also zu folgender Schaetzung des umlaufenden Handelswechsel-Geldes:
normal:
5.5
Milliarden bare Zahlungsmittel
27.5 " unbare Zahlungsmittel
_______
33 Milliarden insgesamt
jetzt:
3,5
Milliarden bare Zahlungsmittel
7 " unbare Zahlungsmittel
_______
10,5
Milliarden insgesamt.
Es
muss ausdruecklich bemerkt werden, dass eine Statistik ueber den Umlauf an
unbaren Zahlungsmitteln fehlt. Wissenschaft und Praxis sind sich aber im
wesentlichen darueber einig, dass das von uns angenommene Verhaeltnis der baren
zu den unbaren Zahlungsmitteln von 1 zu 5 den Tatsachen in normaler Zeit
entsprechen duerfe.
Unsere
Schaetzung hat eine sehr grosse Wahrscheinlichkeit fuer sich. weil die Abnahme
des Gueterumsatzes der von uns geschaetzten Abnahme des baren und unbaren Handelswechsel-Geldes
entspricht.
3. Das
Finanzwechsel-Geld.
Als
die Kreditbanken und Sparkassen alle normalen Refinanzierungsmoeglichkeiten bei
der Reichsbank erschoepft hatten, entstand die Frage: Einstellung der
Zahlungen, bzw. Moratorium oder aber neues Geld durch die Reichsbank? Die Frage
wurde dadurch beantwortet, dass die Reichsbank sich ueber die Bestimmungen des
Notenbankgesetzes hinwegsetzte und nunmehr reine Finanzwechsel der
Kreditinstitute diskontierte, und zwar, wie man nach den Veroeffentlichungen
der Garantie- und Akzeptbank annehmen kann, in einem Betrage von rund 2
Milliarden Reichsmark. Die Kreditinstitute verwandten die erhaltenen Banknoten
dazu, sie an die Einleger auszuzahlen.
Die
wirtschaftliche Lage wurde aber hierdurch nicht verbessert, sondern nur in
jeder Beziehung verschlechtert:
a) Die
allgemeine Lage der Kreditinstitute aenderte sich nicht. Zwar wurde ein
Moratorium vermieden, aber anstelle der verschwundenen Einlagen ist nun die
Verpflichtung gegenueber der Reichsbank getreten. Die Reichsbank wurde der
groesste
Einleger
bei saemtlichen Kreditinstituten, der nur insofern ein besserer Glaeubiger ist,
weil er nolens volens auf laengere Zeit zum Stillhalten gezwungen ist.
Nach wie vor haengt die Lage der Kreditinstitute im Wesentlichen davon
ab, ob ihre eigenen Schuldner bezahlen oder nicht. Und das wird immer
unwahrscheinlicher. Denn die Schuldner koennen nur zahlen, wenn sie einen
entsprechenden Umsatz haben. Geht der Umsatz zurueck, weil die Umsatzkredite
nicht ausreichend finanziert werden koennen, so bleibt nur die Zwangsexekution
der Produktionsmittel selbst, also der Fabriken, des Grund und Bodens usw. Wie
fragwuerdig solche Massnahmen heute sind, braucht nicht auseinandergesetzt zu
werden. Hieraus geht auch hervor, dass die als Finanzwechsel-Geld aufgegebenen
Noten der Reichsbank in Wirklichkeit verkappte Pfandbriefe sind.
b) Das
neugeschaffene Finanzwechsel-Geld ging durch die Banken hindurch an diejenigen
Einleger, welche von der Panik ergriffen wurden. In deren Taschen ist es noch
heute. Solange noch Preis- und Zinssenkungs-Aktionen am Werke sind, wird es
sich nicht hervorwagen. Sollten die Preise eines Tages steigen, dann wird es
wahrscheinlich in umgekehrter Panik auf dem Markte erscheinen, um sich in die
Sachwerte zu fluechten. Es droht, gewissermassen aus dem Hinterhalt, jede
vernuenftige Wirtschaftsfuehrung zu stoeren, indem es jederzeit die
natuerlichen Preisbewegungen sowohl nach oben wie nach unten bis zum
Unertraeglichen steigern kann, da sowohl der Zeitpunkt wie der Umfang der
Aluuebung seiner Kaufkraft voellig unberechenbar ist.
c) Das
Finanzwechsel-Geld kann durch die Wirtschaft vagabundieren, da seine jetzigen
Besitzer, naemlich die Sparer, keinerlei Verpflichtung
haben,
es an die Banken, von denen sie es erhielten, oder an die Reichsbank
zurueckzugeben. Die wichtigste Eigenschaft des "echten" Geldes,
naemlich die Verpflichtung zum Rueckstrom fehlt ihm. Erst wenn die jetzigen
Besitzer es freiwillig zu den Banken oder wenigstens zu den Schuldnern der
Banken bringen, kann sich der Rueckfluss en die Reichsbank geltend machen. Die
Kreditinstitute werden also ihre Schuld aus den Finanzwechseln aller
Voraussicht nach erst abdecken koennen, wenn dieser Prozess der freiwilligen
Rueckkehr abgeschlossen ist. Die Reichsbank wird solange stillhalten muessen.
Damit ist sie zum Kreditgeber fuer einen langfristigen Kredit geworden und
ihrer eigentlichen Taetigkeit, naemlich der Notenemission auf kurzfristiger
Basis, insoweit entzogen. Man hat diesen Zustand der Reichsbank nicht unrichtig
so ausgedrueckt, dass die Reichsbank hierdurch die groesste Hypothekenbank
Deutschlands geworden ist.
d) Die
Reichsbank hatte bei der Ausgabe des Finanzwechsel-Geldes offenbar zunaechst
die Ansicht, dass ein hoher Zinssatz es zum raschen Rueckstrom bringen koennte.
Aber fruehere Erfahrungen haben schon die Unrichtigkeit dieser immer wieder
auftretenden Ansicht erwiesen. Es sollte in diesem Zusammenhange nicht
vergessen werden, dass waehrend der Juli-Krise ein ordentlicher Professor der
Nationaloekonomie
die Schaffung von Finanzwechsel-Geld in grossem Umfange zur Unterstuetzung der
Kreditinstitute dringend empfahl. Um die mangelnde Zirkulationsfaehigkeit des
Finanzwechsel-Geldes auszugleichen, verlangte er die Heraufsetzung des
Reichsbank-Diskontes auf 30%! Tatsachlich folgte ihm auch die
Reichsbank
wenigstens insoweit, dass sie den Diskont voruebergehend auf 15% erhoehte.
Das Schlimme bei dieser falschen Meinung ueber den Nutzen eines hohen
Zinses ist, dass der fuer das Finanzwechsel-Geld fuer erforderlich gehaltene
hohe Diskontsatz ohne weiteres auch auf das Handelswechsel-Geld angewandt wird.
Das Handelswechsel-Geld wurde also durch einen hohen Diskont dafuer bestraft,
dass Finanzwechsel-Geld ausgegeben wurde. Aber niemals kann man den Fehler der
Ausgabe von Finanzwechsel-Geld durch einen hohen Zins ausgleichen. Ein
Diskontsatz von 7%, wie er jetzt erhoben wird, ist fuer einen langfristigen
Kredit vielleicht tragbar, jedoch nicht fuer das kurzfristige
Handelswechsel-Geld. Vor dem Kriege hat die Reichsbank trotz schwerer
Handelskrisen, die es auch damals gab, niemals fuer eine laengere Zeit derartige
Diskontsaetze erhoben. Theorie und Praxis haetten damals in einem so hohen
Diskontsatz eine Wirtschaftskatastrophe erblickt.
e)
Durch die Ausgabe von Finanzwechsel-Geld wurde das von der Reichsbank
ausgegebene Handelswechsel-Geld um den gleichen Betrag verdraengt und damit der
Gueterumsatz entsprechend gestoert.
f) Das
Handelswechsel-Geld erhaelt nur derjenige von der Reichsbank, der der
Allgemeinheit durch Verkauf bereits Ware zur Verfuegung gestellt hat. Das
Finanzwechsel-Geld dagegen erhaelt auch derjenige, welcher nur verspricht,
spaeter einmal Ware bzw. die in Geld ausgedrueckte Kaufkraft zu liefern. Das
Finanzwechsel-Geld verleiht also denjenigen Kaufkraft, die keinen oder noch
keinen Anspruch darauf haben. Das Finanzwechsel-Geld bringt stets zusaetzliche
Kaufkraft in den Verkehr. Nur durch Schaffung von Finanzwechsel-Geld sind
Inflationen ueberhaupt moeglich. Die
Geschichte des Finanzwechsel-Geldes ist gleichzeitig die Geschichte der
Inflationen.
Auch
das von der Reichsbank ausgegebene Finanzwechsel-Geld wirkt an sich
inflationistisch. Nur tritt diese Eigenschaft zurzeit nicht in die Erscheinung,
weil demgegenueber eine abnorme deflationistische Verknappung des
Handelswechsel-Geldes vorhanden ist. Es muss von der Reichsbank unbedingt
verlangt werden, dass sie weiteres Finanzwechsel-Geld nicht in den Verkehr gibt
und das bereits ausgegebene sobald wie moeglich wieder einzieht. Beide
Massnahmen sind allerdings sehr schwer durchzufuehren, aber nur dadurch wird
eine wirkliche Inflation verhindert werden koennen.
4. Was
wird nun werden?
Die
Antwort kann nur lauten: Wenn keine Aenderung in unserer Geldwirtschaft
eintritt, so wird eine voellige Aufloesung unserer Wirtschaftsorganisation
nicht zu vermeiden sein. Denn die Gruende, die zu der Einschraenkung unserer
Zahlungsmittel gefuehrt haben, bestehen weiter fort und muessen eine weitere
Einschrumpfung hervorrufen. Dabei kann es sich nach unserer Meinung nur noch um
Monate handeln.
Wenn
dieser Zusammenbruch vermieden werden soll, muss unbedingt Handelswechsel-Geld
in ausreichendem Umfange neu geschaffen weiden. Die Schaffung von baren
Zahlungsmitteln ist dabei zwar sehr wichtig, aber noch weit notwendiger ist die
Wiederaufrichtung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Die Kreditbanken haetten
den Zusammenbruch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs verhindern koennen, wenn
sie auf die Bardeckung des Spitzenbetrages verzichtet haetten. Sie waren auf
Grund der geltenden Gesetze in der Lage, selbst
Ersatzzahlungsmittel in der
Form von Verkehrsfaehigen Schecks auszugeben. Die Banken sind diesen Weg nicht
gegangen. Wir haben der Wirtschaft seit laengerer Zeit einen bargeldlosen
Handelswechselverkehr durch typisierte Schecks vorgeschlagen und in naeheren
Ausfuehrungen die Organisation eines solchen Verkehrs in der "Deutschen
Bergwerks-Zeitung" und auch in unseren Wirtschaftsberichten Nr. 2 und 3
dargelegt. Nach unserer Meinung ist es eine Lebensfrage fuer die deutsche
Wirtschaft, dass unbare Zahlungsmittel der dort vorgeschlagenen Art bei dem
voelligen Versagen der Reichsbank und der Kreditbanken geschaffen werden.
Die
Reichsregierung hat geglaubt es verantworten zu koennen, die von uns
vorgeschlagenen bargeldlosen Zahlungsmittel durch die Notverordnung vom 7.
Oktober zu verbieten. Die Reichsregierung hat hiermit nach unserer Ueberzeugung
die bestehenden Wirtschaftsorganisationen zum Tode verurteilt. Wird die
Wirtschaft stark und entschlossen genug sein, mit dem noetigen Nachdruck von
der schlecht informierten Regierung an die besser zu informierende zu
appellieren?
Waehrend der Drucklegung
dieses Berichtes erschien die Denkschrift: "Geld- und Kredit-Reform"
von Prof. Dr. Wagemann. Wir werden zu dieser Denkschrift in unseren naechsten
Berichten Stellung nehmen.
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Published before also in:
Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte
Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche),
Berrima, Australia, 1983. Pages 306-312.