Ueber das Bankgeschaeft

 

von Ulrich von Beckerath, 3.8.1925

 

(Anmerkung von John Zube: Dieser Entwurf stammt aus Professor Rittershausen's Mappe ueber sein Skontobank Projekt - das vielleicht auch verfilmt werden wird. Fuer mich sind dieser und der folgende Beitrag interessant als erste Beispiele eines jahrzehntelangen Meinungsaustausches zwischen Ulrich von Beckerath und Heinrich Rittershausen ueber Geld- und Finanzfreiheit. Wenigstens sind diese beiden die fruehesten Beispiele die mir jetzt zur Hand sind. Soweit er mir zugaengig ist und ich Zeit, Energie und Mittel dafuer habe, will ich allmaehlich diesen ganzen Meinungsaustausch verfilmen.)

***********************

 

Eine Gegenueberstellung der aelteren Ansicht und der neueren, welche ungefaehr gleichzeitig mit dem Notenprivileg der Reichsbank aufkam.

------------------------------------------------------------------------------

 

1. Neuere Ansicht:

 

Die Bank ist im Grunde eine Sparkasse; sie arbeitet mit dem Sparkapital des Bankiers und der Bankkunden. Der Unterschied besteht eigentlich nur in dem beweglichen Aktivgeschaeft der Bank.

 

1. Aeltere Ansicht:

 

Die Bank ist ein Vermittlungsinstitut; sie dient dem Umsatz von Guetern und Dienstleistungen. Ausnahmsweise und nebenbei beschaeftigt sich die Bank damit, Sparkapital zu akquirieren.

 

2. Neuere Ansicht:

 

Die Bank soll die Volkswirtschaft mit Produktionsmitteln versehen; sie soll Darlehen geben zur Anschaffung von Haeusern, Maschinen, Transportmitteln und zur Durchfuehrung von Bodenverbesserungen.

 

2. Aeltere Ansicht:

 

Die Bank soll helfen, die Produkte vom Produzenten zum Konsumenten zu befoerdern. Mit der Beschaffung von Produktionsmitteln hat die Bank nur insofern zu tun, als diese schon als absatzbeduerftige Produkte irgendwo lagern.

 

3. Neuere Ansicht:

 

Um ihrer Aufgabe dienen zu koennen, muss die Bank kurzfristig angelegte Gelder in moeglichst langfristig arbeitende transformieren. Die Bank nutzt - wie eine Versicherungsgesellschaft - das Gesetz der grossen Zahlen aus, betrachtet Abhebungen als "Schaeden" und rechnet darauf, dass Einlagen und Abhebungen sich wie Praemien und Schaeden zum groessten Teil ausgleichen. Die "Spitze" ist langfristig anzulegendes Kapital.

 

3. Aeltere Ansicht:

 

Um ihrer Aufgabe dienen zu koennen, muss die Bank das von Sparern und Kapitalisten langfristig angelegte Geld ihrerseits kurzfristig anlegen; sie kann es gar nicht oft genug umschlagen. Die Aufgabe der Bank beginnt da, wo die Aufgabe der Sparkasse endet. Kurzfristiges Geld in langfristiges umwandeln, allein unter Ausnutzung des Gesetzes der grossen Zahlen, ist vom Standpunkt der Bank aus eine Spekulation, der sie sich fernhaelt. Sie ueberlaesst das einer Sparkasse, welche eine Lombard-Rueckversicherung nehmen kann.

 

4. Neuere Ansicht:

 

Die Liquiditaet der Bank wird in erster Linie durch neue Depositen bewirkt, in zweiter Linie durch die Abzahlungen der Schuldner der Bank.

 

4. Aeltere Ansicht:

 

Die Liquiditaet der Bank besteht in Forderungen der Bank gegen ihre Schuldner, die in kuerzeren Intervallen faellig werden, als die Forderungen der Glaeubiger gegen die Bank.

 

5. Neuere Ansicht:

 

Die Sicherheit der Bank wird durch Bestellung von Pfaendern erreicht und durch den Bruch dargestellt:

 

Wert des Pfandes

---------------------

Schuld an die Bank.

 

1,5 ist ein normaler Satz, 2 ist viel verlangt und 3 ist nur ausnahmsweise noetig.

 

5. Aeltere Ansicht:

 

Die Sicherheit der Bank wird dadurch bewirkt, dass die Bank Forderungen, von Produzenten fuer verkaufte Produkte erwirbt und den Produzenten veranlasst, dafuer Forderungen auf Lieferung von anderen Waren anzunehmen. Der Hauptsicherheitsfaktor der Bank ist die Dringlichkeit der Nachfrage nach den Produkten der Bankkunden. Diese Dringlichkeit garantiert den Umsatz.

 

6. Neuere Ansicht:

 

Die Bank legt alles darauf an, dass sie taeglich recht viel Bargeld einnimmt und ausgibt.

 

6. Aeltere Ansicht:

 

Die Bank kompensiert so weit wie moeglich; das Ideal der Bank ist, dass ihre Verrechnungsschecks einem moeglichst grossen Wirtschaftskreis als bares Geld dienen.

 

7. Neuere Ansicht:

 

Die Bank leiht Geld aus und beschaeftigt sich mit den Sachwerten der Schuldner erst dann, wenn diese ihre Schulden nicht bezahlen.

 

7. Aeltere Ansicht:

 

Die Bank leiht in der Form eines Geldgeschaeftes Produkte aus und nimmt auch Produkte zurueck. Bargeld brauchen die Bankkunden nur fuer Zinsen und Provision aufzubringen.

 

8. Neuere Ansicht:

 

Lombarddarlehn an Warenbesitzer, damit diese ihre Preise halten koennen, liegen durchaus im Geschaeftsbereich der Bank. Die Zinsen muessen nur dem Risiko entsprechen.

 

8. Aeltere Ansicht:

 

Lombarddarlehen sind ausgeschlossen, bei welchen auch nur der leiseste Verdacht besteht, dass mit ihrer Hilfe Ware zurueckgehalten werden soll, anstatt verkauft zu werden. Ein Kapitalist kann solche Geschaefte machen, eine Bank grundsaetzlich nicht.

 

9. Neuere Ansicht:

 

Die Bank bekuemmert sich solange nicht um die Verwendung des Geldes durch die Schuldner, als nicht etwa unguenstige Geruechte ueber die Schuldner kursieren.

 

9. Aeltere Ansicht:

 

Die Bank leiht ihr Geld bzw. ihre Geldforderungen nur an Schuldner aus, die sich dem Programm fuegen: das Geld muss von den Abnehmern des Schuldners oder von deren Abnehmern and die Bank zurueckgebracht werden!

 

10. Neuere Ansicht:

 

Die Sparkasse ist ein unangenehmer Konkurrent der Bank, der bekaempft wird.

 

10. Aeltere Ansicht:

 

Die Sparkasse ist eine natuerliche Ergaenzung der Bank. Je mehr langfristiges Kopital in kurzfristiges umzuwandeln ist, desto mehr verdient die Bank. Unter Umstaenden verlohnt es sich sogar, eine eigene Sparabteilung aufzumachen.

 

11. Neuere Ansicht:

 

Die Bank hat selten ein Interesse an einer stabilen Waehrung; die Bank hat ein Interesse daran, die Inflation zu befoerdern, wenn ein Teil der neuen Geldzeichen ihr unmittelbar als Depositen zufliesst. Die Bank wird deflationistisch eingestellt sein, wenn zu befuerchten steht, dass die Kontoinhaber bei neuen Preissteigerungen "in die Ware gehen".

 

11. Aeltere Ansicht:

 

Die Bank hat ein Interesse an moeglichst stabilen Preisverhaeltnissen, denn bei steigen- den Preisen entziehen sich ihr die Verkaeufer, bei sinkenden Preisen die Kaeufer.

 

12. Neuere Ansicht:

 

Die guenstigste Situation fuer die Bank ist eigentlich folgende: Bargeld ist sehr knapp und wird zu den hoechsten Zinsen gesucht. Die Besitzer von Bargeld sind misstrauisch und bringen es zur Bank, die als sicher gilt. Die Bank macht sehr hohe Zwischenzinsen. Diese Situation wird um so guenstiger, je mehr die Geschaefte daniederliegen und alles von Bankkredit lebt. Der volkswirtschaftliche Zweck der Bank, naemlich Produktionsmittel zu schaffen, wird dadurch zwar nicht erreicht, aber das ist ja auch - vom Standpunkt der Bank aus gesehen - nicht sehr wichtig!!

 

12. Altere Ansicht:

 

Die guenstigste Situation fuer die Bank ist, wenn recht viel Produkte in recht komplizierter Weise umgesetzt werden. Nur die Bank uebersieht die Komplikationen und versteht es zu kompensieren. Das Monopol der Bank besteht in ihren Interesse fuer volkswirtschaftliche Zusammenhaenge und in ihrer genauern Kenntnis dieser Zusammenhaenge. Das Monopol ist nicht etwa das eines Geldkapitalisten in einem geldarmen Gebiet.

 

13. Neuere Ansicht:

 

Die neuere Ansicht hat dazu gefuehrt, dass die Volkswirtschaft sich von den Banken zu emanzipieren sucht; Banken und Volkswirtschaft leben im Kriegszustand.

 

13. Aeltere Ansicht:

 

Das natuerliche Verhaeltnis zwischen Volkswirtschaft und Bank, welches das eines Buendnisses ist, kann nur auf Grund der aelteren Ansicht wieder hergestellt werden.

··························

 

Anmerkung von J.Z.: Diese Lehre von privaten Notenbanken hat Beckerath dann fuer ueber 40 Jahre weiter verteidigt und ausgebaut.   J.Z. 19/1/83.

 

 

 

 

----------------

First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Pages 142-144