Die Arbeitslosigkeit als Problem des Umsatzkredites und der Zahlungsmittelversorgung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Dr. H. Rittershausen,

Privatdozent an der Universität Frankfurt a. M.,

ständ. Gast und Gutachter der Bankenquete bei der Reichsbank (1935).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erstveröffentlichung Januar /Juli 1934 in den "Annalen der Gemeinwirtschaft", S. 153-207,

herausgegeben von Prof. Edgard Milhaud, 10. Jahr, vol. 1, mit dem Titel:

Zahlungsverkehr, Einkaufsscheine und Arbeitsbeschaffung”.

 

 

The first English issue appeared as part of the same essay collection but under the heading: "Ending the Unemployment and Trade Crisis", William and Norgate Ltd., London, 1935, pp. 137 - 187. Translator of this essay was G. Spiller, London.

 

 

 

 

 

 


Inhalt

Die Arbeitslosigkeit als Problem des Umsatzkredites und der Zahlungsmittelversorgung.. (153)  4

a) Notenbanken und Banknoten zur Organisation des gegenseitigen Umsatzes. (153)  4

l. Notwendigkeit einer verbindenden Organisation zwischen Produktion und Konsum   (153)  4

2. Der Wechselverkehr. (154)  5

3. Der Übergang zum modernen Kreditverkehr. (154)  5

4. Die schottische Banknote als Grundlage des klassischen Notenbanksystems. (155)  6

5. Der gestundete Verkaufserlös als Grundform des Umsatzkredites. (155)  6

6. Der Umsatzkredit (156)  7

7. Das Umsatzkreditgeschäft der Banken. (156)  7

8. Die Einlösung der ausgegebenen Banknoten. (157)  8

9. Der Notenkredit als Umtausch- oder UmwandIungskredit (158)  9

10. Die Quelle des Umsatzkredits. (158)  9

11. Elastizität und Ausschluß von Mißbräuchen. (158)  9

12. Der Ausschluß der Inflationsgefahr durch das Prinzip des freien Kurses für Zahlungsmittel bei Meidung von Annahmezwang und Zwangskurs. (159)  10

13. Arbeitsbeschaffung durch Umsatzkredit oder durch Anlagekredit?. (160)  11

14. Die Begriffe „Währung" und „Zwangskurs". (161)  12

15. Inflationsgefahr bei der Arbeitsbeschaffung ist nur bei Zwangskurs möglich. (163)  14

16. Der Giroverkehr als Vollendung des klassischen Systems. (164)  15

b) Die schrittweise Zerstörung des klassischen Systems von 1909 bis 1932 als Ursache für die Schwierigkeit einer Wiedereingliederung der Arbeitslosen. (165)  16

l. Vollendung und Abstieg des klassischen Systems. (165)  16

2. Die Verdunkelung der klassischen Bankvorstellungen durch die Funktionstrennung zwischen Noten- und Depositenbankwesen  (166)  17

3. Die Zentralisation des Notenbankwesens als Markstein beim Übergang von der Banknote zum Papiergeld  (167)  18

4. Der Untergang des klassischen Systems durch die Aufgabe der Einlösbarkeit und die Einführung des Zwangskurses  (168)  19

5. Die Aufgabe der Einlösungspflicht und ihre Folgen. (169)  20

6. Identität von Zwangskursregime, Zentralbankidee und Inflationismus(160)21

7. Nach dem Fall der Banken noch die Zerstörung des deutschen Geldsystems durch den Übergang vom Handelswechselgeld zum Finanzwechselgeld. (171)  22

8. Die Reichsbank zeitweilig die größte Hypothekenbank. Mangel eines gesunden Bankwesens verhindert die Wiedereingliederung der Arbeitslosen in die Wirtschaft (172)  23

9. Verhängnisvolle Kompensation einer Inflation des Finanzwechselgeldes mit einer Deflation des Handelswechselgeldes  (173)  24

10. Falsche Bankensanierung erhöht die Arbeitslosigkeit (174)  25

11. Unnötige Opferung der Gold- und Devisenbestände der Reichsbank verschlimmert die Arbeitslosigkeit (177)  28

12. Wo liegt heute die Inflationsgefahr. (178)  29

13. Verschlimmerung der Lage durch das falsche Heilmittel der Devalvation (179)  30

c) Das Kompensationsprinzip und die „Vier Gesetzentwürfe“ zur Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Wirtschaftsprozeß  (184)  35

I. Von der Zahlung zur Kompensation. (184)  35

II. Entwurf eines „Gesetzes“ über Kompensationsbanken. (184)  39

III. Entwurf eines „Gesetzes“ über die Ausgabe von Reichskassenscheinen. (195)  46

IV. Entwurf eines „Gesetzes“ über die Hebung der Rentenkurse und die Senkung der Effektivzinsen durch Einführung der Kompensation im Anleihewesen. (199)  50

V. Entwurf eines „Gesetzes“ über wertbeständige Rechnung. (202)  53

d) Ergebnis. (204)  55

1. Prinzipielles Ergebnis. Notwendigkeit einer Sättigung mit Zahlungsmitteln. (204)  55

2. Praktische Teillösungen: Das Zentralbanksystem und die Zukunft unseres Bank- und Zahlungswesens  (205)  56

3. Grenzen der Bedeutung des Umsatzkredits für die Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit (206)  57

 

 

 


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Die Arbeitslosigkeit als Problem des Umsatzkredites und der Zahlungsmittelversorgung.1)

Von Dr. H. Rittershausen,

Privatdozent an der Universität Frankfurt a. M.,

ständ. Gast und Gutachter der Bankenquete bei der Reichsbank (1935).

a) Notenbanken und Banknoten zur Organisation des gegenseitigen Umsatzes.

 

l. Notwendigkeit einer verbindenden Organisation zwischen Pro­duktion und Konsum.

Offenbar genügt es nicht, theoretisch auszu­sagen, daß der Produktionserlös durch die Verausgabung von Löhnen und sonstigen Kosten zu Einkommen wird, sondern es muß eine feste und regelmäßige organisatorische Beziehung zwischen Produktion und Konsum hergestellt werden. Man könnte das Ideal einer solchen Organisation in einer vertraglichen Übereinkunft der beteiligten Per­sonen sehen, Güter und Leistungen aller Art nur voneinander zu be­ziehen. In einem solchen Verbande würde bei richtiger Organisation nie Arbeitslosigkeit bestehen können, er könnte also seinen Mitgliedern die Arbeitsgelegenheit garantieren 1). In der geschichtlichen Entwick­lung spielen nicht solche Absatzverbände, sondern historisch gewach­sene Gemeinschaften eine Rolle, im Mittelalter insbesondere die Dorf- und Stadtwirtschaft, die Jahrhunderte lang außerordentliches zur Or­ganisierung der Beziehungen zwischen Produzenten und Konsumen­ten geleistet haben. Mit dem Ende des mittelalterlichen Systems wur­den diese Organisationen weitgehend beseitigt; an ihre Stelle trat die moderne Volkswirtschaft mit ihren vielen privaten Austauschgemein­schaften: den Banken. Die Banken sind also nicht nur als Erwerbs­unternehmungen zu betrachten, sondern sie hatten von Anfang an ge­wisse Funktionen im Gemeinschaftsleben zu erfüllen, die für die gegen­seitige Beschäftigung der Bürger von der größten Bedeutung waren. Eines der wichtigsten finanztechnischen Mittel, deren man sich schon vor der Entstehung der modernen Bank bediente, war der Wechsel. Die Entstehung der Banken als der Zahlungs- und Absatzgemeinschaften der Gegenwart aus dem spätmittelalterlichen Wechselverkehr können wir im einzelnen an dieser Stelle nicht ohne zu großen Zeit­verlust darlegen; es möge daher genügen, diese Entwicklung an dem Beispiel einer Insel für die Gegenwart isolierend zu rekonstruieren.

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1) Vgl. mein Buch: „Der Neubau des deutschen Kreditsystems“, Febr. 1932.

2) Vgl. Rittershausen, Mutual Marketing as a remedy for Unemployment, in the Insurance and Finance Review, Calcutta 1930 (8).


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2. Der Wechselverkehr.

Entfernen wir uns für kurze Zeit aus unserer modernen und allzu komplizierten Umwelt und betrachten wir das einfache wirtschaftliche Leben auf einer kleinen Insel. Jedermann produziert und jedermann tauscht seine Güter gegen die Produkte der anderen Produzenten aus, deren er bedarf. Der nötige Import wird durch den Export bezahlt. Als Tauschmittel im weitesten Sinne sind hierfür Transportmittel und, Geld nötig. Die Frage des körperlichen Transports der Güter von Ort zu Ort ist heute geradezu vollkommen gelöst; Eisenbahn und Automobil sorgen dafür. Ungelöst und unver­standen ist aber noch der Geldverkehr.

Wie kann man sich den Geld- und Kreditverkehr unter so einfachen Verhältnissen am besten erklären? Wir brauchen nur anzunehmen, daß man zuerst alles mit Wechseln zahlte: Durch den Verkauf meines Produkts erwarb ich eine Kaufpreisforderung, ein Guthaben in Geld. Dieses so erworbene Guthaben ist hier wie in der modernen Wirtschaft das natürliche Zahlungsmittel des Einzelmenschen, das grundsätzlich überall ausreicht: Wenn ich selbst meinen Bedarf bei verschiedenen Lieferanten einkaufe, so brauche ich den Lieferanten nur Wechsel zu geben, in denen ich ihnen diese Forderung abtrete. Die Lieferanten wiederum können das nun ihnen gehörende Guthaben benutzen, um das zu bezahlen, was sie gekauft hatten. Stellte man diese Wechsel auf den wichtigsten jährlichen Messetag, so brauchte man bei Fälligkeit nur alle diese Wechsel zu kompensieren, genau so, wie dies heute an den Liquidationstagen an der Börse geschieht, um den ganzen Zah­lungsverkehr bewältigt zu haben. Hatten einzelne Kaufleute mehr ge­kauft als sie selbst für ihre eigenen Produkte erlöst hatten, so mußte dieser kleine Spitzenbetrag in bar, z. B. in Münzen, ausgeglichen wer­den, was meist keine Schwierigkeiten bereitete. Es ist klar, daß dieser Zahlungsverkehr, der jahrhundertelang bestanden hat, den Austausch bestens vermittelt. Er konnte auch durch ausländische Einflüsse nicht gestört werden, es sei denn, daß Mangel an Papier und Tinte eintrat.

 

3. Der Übergang zum modernen Kreditverkehr.

Diese Wirtschafts­form setzte voraus, daß jedermann, der dieser Zahlungsgemeinschaft angeschlossen war, den anderen Mitgliedern bekannt war und daher ein gewisses Maß von Kredit hatte. Diese Grundbedingung kam geschichtlich mit der Abschaffung der Zünfte ins Wanken. Ein namen­loses Proletariat von Tage- und Wochenlohnempfängern entstand, das noch dazu nicht mehr den Hauptteil seines Einkommens in freier Sta­tion beim Meister und einer einmaligen Zahlung am Meßtage im Jahre fand, sondern mehr und mehr wöchentlichen Barlohn erhielt, der da­mals in baren Zahlungsmitteln nicht zu beschaffen war. Diesen Auf­gaben war das alte System nicht mehr gewachsen: Die Wechsel laute-


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ten meist über große und runde Beträge, sie waren unteilbar, für Lahnzahlungen also unverwendbar, und sie waren nicht versichert und noch nicht fällig, also als allgemeines Zahlungsmittel ungeeignet.

 

4. Die schottische Banknote als Grundlage des klassischen Noten­banksystems.

Da waren es von 1695 an die schottischen Notenban­ken, die die Banknote schufen und den modernen Geld- und Kredit­verkehr begründeten: Sie tauschten die ungeraden und über viel zu große Beträge lautenden Wechsel in typisierte, sagen wir über 10, 20, 50. 100 RM. (Fr., Pfund, Pes.) lautende Stücke um und gaben ihre eigene Unterschrift dazu, sie versicherten sie also, um das Kreditrisiko auszuschalten. Derartige Banknoten waren sozusagen „zerhackte Wechsel": sie dürfen nicht verwechselt werden mit den Noten der Bank von England, die aus Depotscheinen der Goldschmiede hervor­gegangen sind und unter der Peelschen Bankakte bis heute noch den Charakter von Golddepotscheinen nicht ganz abgestreift haben. Wenn das Aufkommen des modernen Fabriksystems den Kreislauf der Zah­lungsmittel (der Wechsel) an der Stelle unterbrochen hatte, wo der Fabrikant die vereinnahmten Zahlungsmittel an seine anonyme Ar­beiterschaft als Lohn weitergeben wollte, so war der Kreislauf durch diese Erfindung wieder geschlossen; die Bank tauschte an dieser Stelle die unhandlichen Wechsel in handlichere und garantierte Stücke um, die dann den Kreislauf fortsetzten.

Wir brauchen jetzt nur noch drei Komplikationen einzufügen: den Umsatzkredit, den Giroverkehr und die Monopolisierung des Notenbankwesens, um schon inmitten des modernen Geld- und Kredit­systems zu stehen, um endgültig beurteilen zu können, wie es möglich ist, daß die Arbeitslosen nicht das herstellen dürfen, was sie verzehren möchten, und warum die Arbeiter nicht in die Lage versetzt werden können, das zu verzehren, was sie hergestellt haben.

 

5. Der gestundete Verkaufserlös als Grundform des Umsatzkredites.

Betrachten wir zuerst noch etwas näher, wie die schottischen Bank­noten in Verkehr kommen, und, was beinahe noch wichtiger ist, wie sie wieder aus dem Verkehr zurückkommen. Der Fabrikant, der der Bank die Wechsel liefert, verkauft fast immer auf Ziel. Der von ihm belieferte Großhändler gibt das Ziel weiter an den Detaillisten und er­möglicht dadurch die volkswirtschaftlich unentbehrlich gewordene Lagerhaltung beim Einzelhandel, ohne die eine Auswahl der Kund­schaft unter den im Detail angebotenen Waren und eine kontinuier­liche Belieferung nicht möglich wäre. Während der Fabrikant also durch den Verkauf seiner Ware nur Wechsel hereinbekommt, die etwa in zwei Monaten fällig werden, muß er die auf dieselben Produkte ent­fallenden Lohngelder an seine Arbeiter sofort auszahlen. Auch diese

 


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Zeitdifferenz überbrückt die schottische Notenbank; sie gibt an Stelle der später fälligen Wechsel sofort fällige und leistet mit dieser „Dis­kontierung" einen weiteren höchst wertvollen Dienst, der zu der „Typi­sierung“ und „Versicherung“ hinzutritt, von denen bereits die Rede war.

 

6. Der Umsatzkredit.

Die Bank, die die Kundenwechsel des Fa­brikanten diskontiert, die also ein unbequemes Zahlungsmittel in ein bequemes umtauscht, gibt Kredit, da sie zugleich diskontiert, d. h. für noch nicht fällige Papiere solche gibt, die sofort fällig sind. Sie gibt den Kredit nur in ihren eigenen Banknoten.

Dieser Kredit ist reiner Waren- und Umsatzkredit, indem er nicht der Lagerbeleihung, der Spekulation oder sonstigen Zwecken, sondern allein dem Warenverkauf auf Ziel, also der Überbrückung der Verfrachtungs- und Verkaufszeit dient. Echter Umsatzkredit wird nur auf den Erlös schon verkaufter Ware gegeben.

 

7. Das Umsatzkreditgeschäft der Banken.

Im Umlauf stellen die so in Verkehr gekommenen Banknoten den Gegenwert der vom Fabri­kanten verkauften, aber noch nicht in die Hand des letzten Verbrau­chers übergegangenen Produktion dar: Wenn der Fabrikant für 100 000 RM. (Fr., Pfund, Peseta) Ware verkaufte und dementspre­chend für 100 000 RM. Wechsel diskontierte und daraus Löhne im Be­trage von 100 000 RM. bezahlte 3), so müssen diese 100 000 RM. Lohngelder bis zu dem Tage im Verkehr bleiben, an dem sich die Lohn­empfänger zu Einkäufen in den Läden entschließen. Ebenso lange bleiben natürlich auch die Fabrikate ungekauft vom letzten Verbrau­cher. Am Tage des Verkaufs an den letzten Verbraucher endet der Weg der Ware und beginnt der Rückfluss der Noten: Die Ware hat das Lager des Kaufmanns verlassen und bedarf keiner Finanzierung mehr. Die Ladenbesitzer aber verwenden die vereinnahmten Bank­noten am nächsten Tage, um die Grossisten zu bezahlen, von denen sie die Ware erhalten haben, und die Grossisten bezahlen aus diesen Ein­gängen die Fabrikanten, die damit ihren Kredit bei der Bank zurück­zahlen. Die Umlaufsperiode der verkauften Güter beginnt also unge­fähr dann, wenn die entsprechenden Löhne ausgezahlt werden, und sie endet durch Übergang der Güter in die Hand des letzten Verbrau­chers gerade dann, wenn die in den Taschen der Lohnempfänger be­findlichen Noten verausgabt werden und ihren Rückfluß antreten, Umlaufsdauer der Waren, Umlaufsdauer der Warenwechsel, d. h. Dauer des Warenkredits und Umlaufsdauer der Banknoten müssen demnach

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3) Vereinfacht aus der klassischen Gleichung (vgl. auch die Produktions-Einkommensgleichung in meinem Buche „Arbeitslosigkeit und Kapitalbildung“ 1930 Kapitel 1).



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in dem klassischen Bankideal ungefähr gleich gewesen sein. Durch diese Zusammenlegung des Entstehungsaktes der Ware mit dem Entstehungsakt des Geldes, und des Endes der Ware mit dem Ende des Geldumlaufs, die von der Banking Theorie schon immer gefordert worden und durch die Praxis der Reichsbank bis 1914 verwirklicht gewesen ist 4), ist eine viel genauere quantitative Regelung des Geld­umlaufs, aber auch ein viel sicherer Ausschluß ungeeigneter Kredit­bedürfnisse gewährleistet, als durch die Currency-Theorie und die Preisniveaupolitik, besonders nach den vernichtenden Erfahrungen der letzten Jahre, jemals geboten werden kann 5).

Aufgabe einer solchen Bank ist es daher, den Wechselkredit auf gerade soviel Tage zu gewähren, als dieser Aufenthalt der Noten in den Taschen der Lohnempfänger (der durch die Verteilung der Aus­gaben in den privaten Haushalten über die ganze Lohnperiode bedingt ist) zu dauern pflegt, verlängert um die Dauer des Rückflusses der Noten vom Ladenbesitzer bis zur Bank. Verspürt dann der Grossist oder eines der anderen Glieder der Kette die Neigung, das erhaltene Geld zwischendurch zu investieren, so wird er durch das Fälligwerden der Wechsel daran verhindert, den schnellen Rückfluß der Noten zu hemmen. Viele heutige Bankdirektoren werden allerdings nicht zu­geben wollen, daß auch heute die Tätigkeit der Kreditbank kaum anders auszusehen hat, wie sich gleich erweisen wird, denn damit würden sie eingestehen, daß ihre eigene bisherige Betätigung im Ak­tienpakethandel, im Großkreditgeschäft und anderen „Transaktionen“ nicht die Bedeutung hat, die man ihr gern zuschreiben möchte.

 

8. Die Einlösung der ausgegebenen Banknoten.

Mit welchen Mit­teln löst diese ideale Umsatzkreditbank also ihre Banknoten ein? Nicht durch Bereithaltung eines Goldschatzes, wie die Goldschmiedebank, die Golddepotscheine ausgibt, in der spekulativen Hoffnung, die Inhaber möchten die Noten recht lange behalten (Bank von England), — son­dern einfach durch eine Art Einziehung unter Rückgabe der herein­genommenen Wechsel. Diese Art Einlösung ist nichts als die Rück­gängigmachung des erst vorgenommenen Umtauschaktes; die Kredite sind auf diejenige Frist gewährt worden, die der Laufzeit der Waren vom Fabriktor bis in die Hand des letzten Verbrauchers entspricht. Sie werden fällig, wenn die Läger verkauft sind. Die Fabrikanten sind auch zur Rückzahlung bereit und gezwungen (weil sie Eingänge haben und die Diskont Wechsel einlösen müssen), und die Bank tut nichts

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4) Vgl. Elster, Ad. Wagner. Lexis, Bendixen. Schacht u. a.

5) Leider hat insbesondere Bendixen diese Lehre mit dem Zwangskurs und mit einem Kampf gegen die Quantitätstheorie verknüpft, obwohl doch nur eine Verfeinerung der Quantitätstheorie vorliegt; wodurch er eine so richtige Grund Vorstellung unnötigerweise den schwersten Vorwürfen aussetzte.


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anderes, als daß sie den erst erfolgten Umtausch wieder rückgängig macht. Gegen Rückreichung der Banknoten gibt sie die nun bezahlten Wechselformulare heraus, sie tauscht die Noten in Wechsel um, nachdem sie früher die Wechsel in Noten umgetauscht hatte: sie nimmt einen Rücktausch vor. Gibt sie also alle Noten in der gekennzeichneten Weise aus, so braucht sie keinen Goldvorrat. Der Notenumlauf ist ge­sund, wenn die Bank in dieser Weise sich bereit erklärt, ihre eigenen Noten jederzeit bei Zahlungen an sich selbst anzunehmen und wenn sie dafür sorgt, daß fortgesetzt recht viele Zahlungen an die eigene Kasse geleistet werden müssen, indem sie kurze Kreditfristen wählt und nur Verkaufserlöse an gesunde Schuldner kreditiert. Das Geheim­nis des Werts solcher freien Noten liegt darin, daß nach ihnen fort­gesetzt Nachfrage besteht, weil fortgesetzt Noten gebraucht werden, um fällige Zahlungen an die Bank zu leisten.

 

9. Der Notenkredit als Umtausch- oder UmwandIungskredit.

Nach dem bewunderungswürdigen klassischen Schema ist also der Umsatzkredit nur ein Umtausch- oder Umwandlungskredit, indem un­bequeme Zahlungsmittel in bequeme, oder Kaufpreisforderungen in Forderungen gegen eine Bank umgewandelt werden. Alle die Stö­rungen, unter denen unser heutiges Kreditsystem leidet, können dabei nicht auftreten, indem die Diskont- oder Umtauschkredite, um es noch einmal zu sagen, auf soviele Tage gewährt werden, als die Ware vom Verkauf ab Fabrik bis in die Hand des letzten Verbrauchers läuft. Diese Frist stimmt überein mit der Anzahl der Tage, für die die Lohn­empfänger die Banknoten bei sich behalten müssen, um die ganze Ge­haltsperiode hindurch Zahlungsmittel zu haben.

 

10. Die Quelle des Umsatzkredits.

Es ist also die Gesamtheit der Noteninhaber, die den ganzen Warenumsatz vom Erzeuger bis zum Verbraucher finanziert. Die Gesamtheit der Noteninhaber hat dabei stets soviel Kaufkraft, wie auf der Achse und auf Engros- und Detail­lagern an Ware vorhanden ist; durch das Halten der Noten geben die Notenbesitzer den Banken soviel Kredit, wie zur Finanzierung eben dieser Durchgangsvorräte erforderlich ist; mit der Verausgabung von je 100 RM. (Fr., Pfund, Pes.) Noten durch die Noteninhaber in den Läden scheidet für je 100 RM. Ware als bezahlt aus der Finanzierung aus, wird entsprechend der Notenumlauf vermindert, wird schließlich der Kredit an die Bank und von der Bank um 100 RM. gesenkt. Man finanziert also den Güterumsatz aus einer in Betrag und Laufzeit adä­quaten und hinsichtlich der Ergiebigkeit zwangsläufig korrelaten Quelle.

 

11. Elastizität und Ausschluß von Mißbräuchen.

Stets wird soviel Geld geschaffen, wie Waren produziert werden und stets wird soviel



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Geld aus dem Verkehr gezogen, wie Waren konsumiert werden. Nie brauchen Waren in allen Branchen gleichzeitig unverkäuflich zu sein, weil zu wenig Geld da ist, weil die „Erhöhung der Geldmenge“ eine In­flationsgefahr heraufbeschwört usw. Nie kann hier Mangel oder Über­fluß an Umsatzkredit herrschen, weil steigende Verkäufe der Fabriken auch zusätzliches Wechselmaterial und zusätzliche Banknotenbestände in den Taschen der zusätzlich eingestellten Arbeitskräfte während der Lohnperiode hervorbringen, und umgekehrt, solange keine schweren technischen Fehler gemacht werden. Deflation ist bei diesem System nicht möglich, weil sich die Banken gegenseitig den Rang ablaufen werden, um die sehr beschränkt vorhandenen echten Warenforderun­gen zu bevorschussen, so daß die Zinssätze für gesunde Kredite die einfachen Manipulationskosten der Banken nicht erheblich übersteigen können. Eine Übertreibung ist gleichfalls trotz Mangels der Metall­deckung nicht möglich, denn an dem Tage, an dem die Noten zurück­kommen, geht auch der bevorschußte Erlös der Ware bei der Bank ein. Die Noten werden der Bank an diesem Tage von solchen Leuten zurückgebracht, die derartige gerade fällige Kredite zurückzahlen wol­len. Die Noten werden zurückgetauscht, wie die Pfandbriefe einer Hypothekenbank auf Umlaufskonto 'belastet werden, die von Hypo­thekenschuldnern zu Tilgungszwecken in natura eingereicht werden. Nur Kreditumwandlung, keine Kreditschöpfung liegt vor, wie ja auch die Hypothekenbanken zur Veranstaltung einer Inflation nicht fähig sind, wenn sie nichts weiter tun, als schwer fungible Hypotheken in leicht fungible Pfandbriefe umzuwandeln, also einer vorhandenen For­derung eine bessere Form zu geben. Jeder Mißbrauch, jeder Schritt weiter ist Inflation. Neben der Kreditumwandlung gibt es nur die Kreditschöpfung, die immer Inflation ist. Nur die absolute Beschrän­kung auf die Umwandlung schließt die Inflation aus.

 

12. Der Ausschluß der Inflationsgefahr durch das Prinzip des freien Kurses für Zahlungsmittel bei Meidung von Annahmezwang und Zwangskurs.

Diese Beschränkung auf die Kreditumwandlung bedarf wirksamer Sicherungsmaßnahmen, damit sie nicht ein schön­geistiges Prinzip bleibt, dessen Befolgung der Gutwilligkeit des Ban­kiers anheimgestellt bleibt. Das schottische System kennt die Schwäche der Menschen und unterscheidet sich dadurch von allen anderen Systemen, daß es die Inflation durch eine organisatorische Maßnahme technisch ausschließt: durch den freien Kurs der Banknoten, der im Gegensatz steht zum Annahmezwang und zum Zwangskurs, die beide nicht Verbesserungen, sondern „Verböserungen“ der Banknoten be­deuten. Sobald die Bank zuviel Banknoten ausgibt, d. h. sobald sie andere als Kaufpreisforderungen des Warenverkehrs bevorschußt


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oder längere Kreditfristen gewährt, kann sie die Noten nicht mehr durch Rücktausch einlösen. Sie muß dann versuchen, mit irgendwie beschafften Barmitteln, Gold, Devisen usw. auszuzahlen, wenn die Noten zurückkommen. Bei nennenswertem Umfange dieses Mißbrau­ches erhalten die Noten Disagio, da keine genügenden Fälligkeiten mehr die erforderliche Nachfrage nach ihnen hervorrufen. Die Noten dieser Bank entwerten sich im Vergleich zu den übrigen gesunden Zahlungsmitteln des Landes; sie werden nur noch sehr ungern und nur noch zu 90 oder 70 Proz. ihres Nennwertes genommen. Neue Kredite kann eine solche Bank überhaupt nicht mehr geben, da der Kreditnehmer nur noch 70 Proz. erhielte, da er Gefahr laufen würde, den entwertet erhaltenen Kredit einmal zu 100 Proz. zurückzuzahlen, und da seine Arbeiter sich weigern würden, solche schlechten Zah­lungsmittel zu nehmen. Man würde sich ebenso weigern, solche Noten zu nehmen, wie man sich weigert, Schecks auf fallierte Banken zu nehmen.

Ein solches System ist nur denkbar, wenn mehrere Notenbanken nebeneinander vorhanden sind oder wenigstens neben den Banknoten noch gesundes Münz- und Staatspapiergeld im Umlauf ist. Es hat in fast allen Ländern der Welt mehr als 100 Jahre bestanden.

 

13. Arbeitsbeschaffung durch Umsatzkredit oder durch Anlagekredit?

Immer kehrt die Behauptung wieder, daß Arbeitsbeschaf­fung durch gesunden Austausch von Konsumgütern im Wege des Kredits inflatorisch wirke. Die Frage ist daher von einschneidender Bedeutung. Wenn man die Arbeiter nicht durch Investitionen ver­möge der latenten Kapitalbildung beschäftigen will oder kann, so muß man es offenbar dahin bringen, daß die Arbeitslosen diejenigen Güter selbst erzeugen, die sie verzehren wollen; man muß sie weiter in die Lage versetzen, das zu verbrauchen, was sie erzeugt haben. Dazu sind in erster Linie gesunde Banken und Umsatzkredit nötig. Produktionsmittel und Werkzeuge sind zumeist in Gestalt der stilliegenden Fabriken usw. reichlich vorhanden; auch wären die noch arbeitenden Fabriken und landwirtschaftlichen Betriebe gern bereit, Arbeitslose einzustellen, wenn Absatz vorhanden wäre. Absatz wäre aber in dem Augenblick da, wo solche Arbeitslose in diesen Fabriken neu beschäftigt würden, denn in dem Augenblick würden sie Lohn und zusätzliches Einkommen erhalten, das sie ausgeben (womit sie Aufträge erteilen). Solches Einkommen stammt einstweilen aus Vor­schüssen der Banken, bis der Geldkreislauf vollendet, durch ihn ein Güterkreislauf ermöglicht, das Geld an die Emissionsbank zurück­geflossen und die Ware verbraucht ist. Vorschüsse und Banknoten­ausgabe müssen vorangehen, sie können nicht dem Warenumsatz



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nachfolgen, denn sonst kommt mangels Zahlungsmitteln überhaupt kein Warenumsatz zustande. Ist der Kreislauf des Geldes geschlossen und die Ware verbraucht, so 'kann das Spiel von neuem losgehen; es kommt so der kontinuierliche Austauschprozeß in Gang, von dem in den meisten Ländern über drei Viertel der Bevölkerung leben: Von der gegenseitigen Produktion füreinander, von dem gegenseitigen Absatz beieinander. Wenn auch die heutige Krise in den meisten Ländern wohl durch eine Störung des Investitionsvorganges und der Kapitalbildung ausgelöst worden ist, so ist sie doch durch die dann stärker werdenden Störungen des Umsatz- und Austauschprozesses sehr stark verschärft worden.

Jede Arbeitsbeschaffung auf diesem Gebiete pflegt mit dem Argu­ment der Inflation totgeschlagen zu werden. Das ist um so schlimmer, als diese Art Arbeitsbeschaffung offenbar die leichteste und natürlichste ist. Bei ihr ist keine langfristige Verschuldung mit all ihren Gefahren erforderlich; weder Kunden noch Banken laufen größere Risiken; der Umsatzkredit ist zumeist in wenigen Wochen abgewickelt. Die Arbeitslosen werden nicht einmal unter Aufwand mehrerer Milliarden für ein oder zwei Jahre beschäftigt, sondern sie werden für dauernd in den natürlichen Produktionsprozeß wieder eingegliedert. Daß ein gesunder Prozeß der Kapitalbildung und Investition ebenfalls kon­tinuierlich ist, allerdings mit längeren Zeitperioden arbeitet, hat der Verfasser in seiner Abhandlung über Arbeitslosigkeit und Kapital­bildung (Jena 1930) dargelegt; immerhin ist die Kontinuierlichkeit hier schwerer erkennbar, gefährlicher und weniger populär, ein Grund, den Umsatzprozeß, die Grundlage aller Wirtschaft, die Vor­aussetzung der Spartätigkeit und der Investition, in erster Linie wie­der in Gang zu bringen.

 

14. Die Begriffe „Währung" und „Zwangskurs".

Um das Argu­ment der Inflationsgefahr, das man jeder Arbeitsbeschaffung durch Organisation des Umsatzkredits immer wieder entgegenhält, verstehen zu können, müssen wir kurz auf diese beiden Grundbegriffe eingehen und Dinge darlegen, die von der monetären konjunkturtheoretischen Schule der letzten Jahrzehnte nicht mehr genügend beachtet worden sind, so sehr sie noch vor dem Kriege in allen großen Ländern des Kontinents von Deutschland bis Spanien herrschend gewesen sind.

Währung ist nicht mehr als die gesetzliche Erklärung, daß die gesetzliche Wertmaß-Einheit so und so benannt wird, etwa Reichs­mark oder Peseta, und gleich dem Werte von so und so viel Gramm Feingold ist. Die beste Parallele dafür ist das Längenmaß, das Meter heißt und gleich der Länge eines Platinstabes ist, der in einem tiefen Keller von Paris aufbewahrt wird. Alle Metermaße der Welt, die


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länger oder kürzer sind als dieser Stab, sind falsch, sind also keine Meter. Alle Reichsmarknoten, die weniger oder mehr wert sind als die festgesetzte Zahl Gramm Gold, sind falsch und sind keine Reichs­mark. Es scheint bei dieser einfachen Lage unbegreiflich, wie über­haupt Inflationen möglich sind. Auch das erklärt die Parallele mit dem Meter: Wenn die Regierung etwa zur Stützung der Tuchbranche ein Gesetz macht, wonach ein Metermaß nur aus Fichtenholz gefertigt zu sein braucht, um ein gesetzlicher Metermaßstab zu sein („Zwangs­meter“), so beginnt die Inflation: der unehrliche Kaufmann nämlich, der ein Stück von einem Metermaß abschneidet, um mehr Geld für den gleichen Ballen zu erhalten, kann daran nicht mehr verhindert werden; denn in jedem Prozeß müßte das Gericht erkennen, daß das Stoffquantum richtig zugemessen ist, weil gesetzliche Fichtenholz­meter verwandt worden sind. Diese Mißwirtschaft würde keineswegs dadurch beseitigt werden, daß man das Platinmeter in Paris etwa zerbricht (den Goldstandard abschafft), sondern allein dadurch, daß man das Gesetz aufhebt, das irgendwelchen anderen Metermaßen außer dem einen Originalmeter in Paris gesetzliche Maßkraft zuerkennt.

Ebenso kann Inflation des Geldes auch nur eintreten, wenn man irgendwelchen papierenen Zahlungsmitteln den Charakter als gesetzliches Zahlungsmittel zuerkennt, wonach sie, wenn sie nur noch 90 wert sind, doch zu 100 genommen werden müssen; wenn man ihnen also Zwangskurs gibt. Es ist unbegreiflich, wie das Originalmeter in Paris dadurch sollte verändert werden können, daß irgendeine Eisen­handlung falsche Metermaße verkauft. Ebenso ist es für mich un­verständlich, wie die Goldwährung eines Landes inflationiert werden sollte, wenn irgendeine Bank private Noten ausgibt, die nur 90 oder 80 wert sind. Gewiß können Noteninhaber betrogen werden, aber eine allgemeine Preissteigerung kann nicht eintreten. Höchstens wird sich jedermann beeilen, wenn keine Einlösbarkeit vorgesehen ist, die Note zur Zahlung an die Bank (zum Nennwert) zu benutzen, und die Wechselschuldner der Bank werden so eine erhebliche Nachfrage nach diesen Noten entfalten. Wenn aber das Wechselmaterial schlecht ist, wenn die Wechsel fortwährend prolongiert werden müssen, weil die Notenbank auf langfristige Anlagen ausgeliehen hat oder die Schuldner in uneingestandene Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, so besteht keine Verwendung für solche entwerteten Noten, keine Nachfrage, die sie wieder in wenigen Stunden auf pari hinauftreiben könnte, und ein dauerndes Disagio ist eingetreten, wie wir das in der Geschichte der Notenbanken immer wieder beobachten. Die Bank ist festgefahren, sie ist konkursreif, und andere treten an ihre Stelle.



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15. Inflationsgefahr bei der Arbeitsbeschaffung ist nur bei Zwangs­kurs möglich.

Dieser Grundsatz kann gegen das Argument der Inflationsgefahr nicht genug betont werden. Alle akzessorischen Zah­lungsmittel, die nicht gesetzliches Zahlungsmittel sind, können bei Mißbrauch oder Zuvielausgabe nur sich selbst ruinieren, niemals aber die gesetzliche Währung. Auch das Doppelwährungsproblem kann bei derartigen freien Zahlungsmitteln ebensowenig wie bei der Zahlung mit Scheck auftreten. Währung und Zahlungsmittel sind scharf zu scheiden; das Greshamsche Gesetz gilt nur für das Neben­einander zweier uneinlösbarer Zwangskurszahlungsmittel, nicht für Zahlungsmittel mit freiem Kurse.

Mit nicht aufdrängbaren privaten Zahlungsmitteln kann man eben­sowenig inflationieren, wie man etwa mit unterwertigen Aktien den Wert der Aktien des Aktienmarktes zerstören kann. Bringt ein Herr Lehmann für 100 Mill. RM. wertlose Aktien einer Giganta-Aktiengesellschaft in Verkehr und findet er Käufer, so haben diese unglück­lichen Leute gewiß ihr Geld verloren; es ist aber nicht einzusehen, wieso dadurch der Kurs der Farben- oder Rio Tinto-Aktien beschä­digt werden könnte. Vielmehr ist bei diesem Beispiel klar, daß die Farbenaktie nur ruiniert wird, wenn die Regierung durch Gesetz den Giganta-Aktien Zwangskurs geben würde, wenn sie sie also, um im Bilde zu bleiben, für lieferbar als Farbenaktien erklären würde. Dann würden die Farbenaktien allerdings stärkstens fallen und dann würde auch das Greshamsche Gesetz in Tätigkeit treten, indem die alten echten Farbenaktien vom Markte verschwinden würden. Genau wie am Aktienmarkte kann auch am Geldmarkte die Vermehrung der einlösbaren Geldsurrogate niemals das Geld entwerten, was sich schon aus dem Beispiel des Metermaßes ergab.

Die großen Geldtheoretiker haben sich hierüber unzweideutig aus­gedrückt: Vgl. u. a. Knapp (Staatliche Theorie des Geldes, 4. Aufl. S. 161), von Mises (Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, 1924, S. 331), Adolf Wagner (Zettelbankpolitik, 1873, S. 36), Lexis (Hand­wörterbuch der Staatswissenschaften, 3. Aufl. S. Art. Scheck usw.), Carl Menger (ebendort, Art. Geld, Bd. IV, S. 601—603), J. G. Courcelle-Seneuil (La Banque libre, Paris 1867), Horn (Bankfreiheit, auch franz., 1867), de Viti de Marco, Finanzwissenschaft (bei Staatspapier­geld) 1931, vgl. auch die Gesetze betreffend die Kgl. Giro- u. Lehn-Banco (1765), die Kgl. Preuß. Bank und die Reichsbank bis 1910 (durchgehende ausdrückliche Ablehnung des Annahmezwanges), R. Just, Geldinflation, Jena 1921, S. 113 usw.; Dr. Walter Zander, Eisen­bahngeld und Arbeitslosigkeit (Annalen der Gemeinwirtschaft, 1934, Heft l); U. von Beckerath. Die Durchführung der Vorschläge von


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Milhaud, ebendort 1934, Vol. X, Heft l; Henry Meulen, Industrial Justice through Banking Reform, London 1917, usw. Sogar Lord Overstone hat gesagt: „Wenn ich meine Privatbank mißverwalte, so bin ich ruiniert, aber das Publikum leidet nur wenig darunter. Be­geht indes die Bank von England einen großen Fehler, so kann sich die Bank zwar selbst retten (mit Hilfe des Annahmezwanges! d. Verf.), aber das ausgedehnteste Unheil verbreitet sie über das ganze Gemein­wesen.“

Eine Wiedererweckung der Lehre vom freien Kurs erscheint daher im Interesse der Arbeitsbeschaffung dringend notwendig. Wahrschein­lich sind die Jahrzehnte von 1815 bis 1844 in England mit ihrer ganz auf dem Annahmezwang aufbauenden Theorie genau so ein vorübergehender Irrtum der Geldgeschichte, wie die Periode nach dem Kriege, die wir jetzt erleben. Die eben aufgeführten Autoren, die nur aus Raummangel hier nicht zu Worte kommen können, bringen ein durchschlagendes und erstaunliches Beweismaterial für diese Ver­mutung.

 

16. Der Giroverkehr als Vollendung des klassischen Systems.

Die­ses ursprünglich schottische Kredit- und Banknotenwesen, dieses System wohldurchdachter gegenseitiger Arbeitsbeschaffung unterscheidet sich prinzipiell in nichts von dem allereinfachsten Wechselverkehr, von dem wir ausgegangen sind. Auch der Giroverkehr, der jetzt noch darzustellen ist, bedeutet nur eine Verfeinerung, nicht eine Abkehr von dem Gedanken, daß das Bankwesen eine Organisation des gegen­seitigen Warenabsatzes, und nur dieses, bezwecke.

Wir hatten in unserem Schema zuletzt angenommen, daß der ganze Zahlungskreislauf nur mit Banknoten abgewickelt wird. Heute sehen wir aber einen großen Teil der Zahlungsvorgänge auf die viel ein­fachere und billigere unbare Weise des Giroverkehrs sich abwickeln: der Detaillist, dem ja von den 45 Milliarden RM. Lohn- und Gehalts­einkommen in Deutschland (1927) allein fast 40 Milliarden' RM. zu­flössen, macht sich nicht die Mühe, die Banknoten zu verpacken und per Wertbrief an seine meist auswärts wohnenden Lieferanten zu senden, sondern er zahlt die Tageslosung schon am nächsten Tage bei der nächsten Depositenkasse oder Girokasse ein und benutzt das so gewonnene Guthaben zu Überweisungen an seine Lieferanten. Wäh­rend früher das Kreislaufschema für wohl 90 Proz. des umlaufenden Bargeldes lautete: Erster Teil: Bank — Lohnabteilung in der Fabrik — Lohnempfänger — Laden; zweiter Teil: Laden — Grossist — Fabrikant — zurück zur Bank, wird heute nur noch der erste Teil dieses Kreislaufs von Bargeldumlauf besorgt, da bereits der Laden­inhaber die Noten zur Bank zurückbringt und damit den Noten-


Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                     165

 

Umlauf beendigt. Allerdings zahlt der Ladeninhaber dieses Geld nicht auf das Konto des Fabrikanten ein, auf dem bei der ursprünglichen Emission die Belastung des Umtauschkredits stattfand, sondern auf seines. Mit der Einzahlung ist also der Kreditvorgang keineswegs beendet, sondern nur umgeformt. Durch sie steigen die Girodepositen der Bank um genau den Betrag, um den sich am gleichen Tage der Notenumlauf vermindert hatte. Mit diesen zusätzlichen Passivmitteln wird die aktive Kreditgewährung weitergeführt. Diese neuen Giro­depositen, die an die Stelle des zweiten Teils des klassischen Kreis­lauf Schemas treten, durchwandern nun in Form von Überweisungen die lange Kette der Bankkonten der Lieferanten und Unterlieferanten, bis sie zuletzt auf dem Konto des ursprünglichen Fabrikanten lan­den, womit der Bankkredit zurückgezahlt ist, von dem der Noten­umlauf seinen Ausgang nahm. Gleichzeitig sinken die Girodepositen auf den ursprünglichen Betrag zurück. Nähere Untersuchungen zei­gen, daß der Bargeldkreislauf heute in Deutschland etwa 11 Tage und der anschließende Girokreislauf durch die verschiedensten Giro­netze noch weitere 15 Tage dauert, so daß die Kreditfristen von den Banken bei derartigen Krediten im Durchschnitt auf etwa 26 Tage gesetzt werden müßten.

Nicht mehr die Gesamtheit der Banknoteninhaber allein ist es also heute, die durch ihren Notenbesitz, der eine Kreditgewährung bedeutet, den Güterumlauf elastisch finanziert, sondern fast drei fünf­tel des Kreditspielraums stammen heute von, den Inhabern von tat­sächlich dauernd umgeschlagenen Girokonten. Notenumlauf und Giro­depositen zusammen aber sind ebenso elastisch geblieben, wie der Notenumlauf allein; beide entstehen durch den Umtauschkredit und vergehen durch seine Rückzahlung; beide sind unabhängig von der Höhe der Spareinlagen und der Kapitalbildung in einem Lande, auch unabhängig von der Hereinnahme ausländischer Kredite; es ist infolgedessen unzulässig, von der Notwendigkeit der Hereinnahme aus­ländischer „Betriebs-Kapitalien“ zu sprechen; sie bedeuten keinerlei prinzipielle Veränderung gegenüber dem anfänglichen einfachen Wechselaustauschschema, sondern nur eine Verfeinerung.

 

 

b) Die schrittweise Zerstörung des klassischen Systems von 1909 bis 1932 als Ursache für die Schwierigkeit einer Wiedereingliederung der Arbeitslosen.

 

l. Vollendung und Abstieg des klassischen Systems.

Mit der Ausbildung des Giro- und Scheckverkehrs, der allerdings noch einer starken Ausdehnung fähig ist, wie schon hier nachdrücklich zu be­tonen ist, konnte das klassische System im wesentlichen als vollendet


166                                                          Annalen der Gemeinwirtschaft

 

gelten. Es hat mehr als ein Jahrhundert in Europa gearbeitet, ohne größere Inflationen und Mißstände zu zeigen, es hat Krisen über­dauert, wie die von 1857, die der heutigen gleichstehen, es hat sich also unzweifelhaft bewährt. Wie der Abstieg und Untergang dieses ruhmreichen Systems zu erklären ist, mag hier unerörtert bleiben;

es geschieht ja nicht selten, daß zu große Erfolge zur Erstarrung, zum Ersatz der leitenden Leute durch rein repräsentative Persönlich­keiten führen, bis es auch für den tüchtigsten Leiter fast zu spät ist, das alte zu retten.

 

2. Die Verdunkelung der klassischen Bankvorstellungen durch die Funktionstrennung zwischen Noten- und Depositenbankwesen.

Be­schränken wir uns bei der Darstellung auf die deutschen Verhältnisse. Die Entwicklung ist in England, Frankreich, Spanien, Italien und den Vereinigten Staaten von Amerika fast genau so vor sich gegangen, wie der Leser leicht nachprüfen kann. Wie beim Aufstieg, so kann auch beim Abstieg nur der große Zug der Ereignisse geschildert wer­den, da hier nur die Lehren der großen hundertjährigen Entwicklung für die katastrophale Lage der Banken in der Gegenwart aufzuzeigen sind.

Der erste Schritt abwärts ist sicherlich schon in der Trennung der Notenausgabe vom Depositenbankgeschäft zu erblicken, durch die sich unser heutiges Bankwesen schon äußerlich von dem schottischen Bankschema unterscheidet. Hiermit kommen wir auf das heute in fast allen Ländern verbreitete System der Zentralnotenbanken zu sprechen, das heute als eine unantastbare Gipfelleistung des mensch­lichen Geistes dasteht, das aber vielleicht schon in 50 Jahren beiseite­gelegt schwerverständlich in der Rüstkammer der Geschichte zu fin­den sein wird. Die „Funktionstrennung“ hat sich im wesentlichen historisch entwickelt. Neben die Notenbanken, die Wechsel diskon­tierten und auch Depositen annahmen, traten in den meisten Län­dern 6) große Aktienbanken, die das Depositengeschäft und als Gegen­geschäft den Kontokorrentkredit (anfänglich eine offene Umsatzfinanzierung unter Verzicht auf die Wechselstrenge) pflegten und sich geradezu übermächtig entwickelten. Sie konnten natürlich nur die letzten drei Fünftel des Umsatzes der Waren nach dem klassischen Schema finanzieren, da sie nur den unbaren Teil des Zahlungsvor­ganges teilweise an sich reißen konnten. Bezüglich des Bargeldes blieben sie auf die Notenbanken angewiesen. Hierdurch wurde der einfache Aufbau des klassischen Schemas zum ersten Male verdunkelt:

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6) Außer Schottland und Kanada, die das System freier Notenausgabe aller Banken nach Maßgabe eines Normativgesetzes bis heute mit Erfolg beibe­halten haben, leider seit dem Weltkriege ebenfalls verfälscht durch den Zwangskurs (die Noten sind gesetzliche Zahlungsmittel geworden).



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                                   167

 

Die Notenbanken sind so zu „Banken der Banken“ geworden. Sie geben heute etwa 80 Proz. ihrer Noten nicht mehr an Geschäftsleute, deren Rohstoffbeschaffung und Warenabsatz sie aus ihren Konten selbst klar erkennen können, sondern an Banken, die ihnen versichern, daß die Namen der Wechselverpflichteten so guten Klang haben, daß sie selbst „unbesehen“ durch ihr Giro für die Sicherheit geradestehen würden, — eine Behauptung, die fast gar nichts mehr von dem beab­sichtigten Umtauschvorgang, mit der Verwandlung von Verkaufs­erlösen in Zahlungsmittel zu tun hat; die schon den verhängnisvollen Ersatz des Umtauschprinzips durch das Sicherheitsprinzip in sich schließt. Die heutigen Depositengroßbanken geben auch nicht etwa alle Handelswechsel an die Bank, sondern nur einen Teil und nur sporadisch, wenn bei ihnen Bargeldbedarf auftritt, so daß der Noten­bank jede wirksame Kontrolle verloren gehen mußte. Sie bieten schließ­lich ihrer Kundschaft den bequemen Kontokorrentkredit, die Kauf­mannschaft hat es daher verlernt, Wechsel zu geben; während die Notenbanken auf dem alten Handelswechselprinzip beharrten. Daher mußten die Notenbanken schließlich zufrieden sein, wenn sie offen­bare Finanzwechsel bekamen, da das gute Wechselmaterial sehr rar wurde. Die Notenbank mußte nunmehr versuchen, die richtige Noten­menge „herauszufühlen" 7), da sie die direkte Verbindung mit den Umtauschvorgängen des Geschäftslebens verloren hatte; sie wurde zu einer Bargeldversorgungsstelle der Großbanken. Nicht die Notenbank bestimmte, wieviel sie geben sollte, sondern die Großbanken holten soviel ab, wie sie gerade brauchten. Damit war man aber an der Grenze der bald uferlosen, bald restriktiven Emission angekommen, die dem nichtbankmäßigen Papiergeld im Gegensatz zur Banknote anhaftet; die jener gefährlichen Zahlungsmittelart mit Recht einen so üblen Ruf eingetragen hat; die der Arbeitsbeschaffung entgegen­gesetzt ist.

 

3. Die Zentralisation des Notenbankwesens als Markstein beim Übergang von der Banknote zum Papiergeld.

 Hand in Hand mit dieser Entwicklung ging die Zentralisation des Notenbankwesens. Der Staat trat in nahe Beziehung zu einer der Notenbanken, die er mit Vorrechten ausstattete, der er seinen Geldverkehr übertrug, deren Noten er an seinen Kassen annahm. Die Noten einer solchen Bank mußten eine ungesunde Verbreitung gewinnen, die nicht mehr allein darauf begründet war, daß das Institut die täglich entstehenden neuen Verkaufserlöse aus dem laufenden Absatz der Gesamtproduk­tion bzw. die darauf basierten Wechsel in ein bequemeres Zahlungs-

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7) Ausdruck von Prof. L. Ab. Hahn (Aufgaben und Grenzen der Währungs­politik, Jena 1928).


168                                                          Annalen der Gemeinwirtschaft

 

mittel umtauschte, sondern auch etwas auf dem Kredit des Staates. Diese Bank wurde die „Zentralnotenbank“, der gegenüber die anderen Noteninstitute entweder verschwanden oder zur Bedeutungslosigkeit herabsanken.

Dieses monopolistische System, das auf keinem anderen Gebiet in solcher Reinheit vorkommt, hätte sich nie halten können, wenn es nicht — zwar nicht dem Staat als einer Volksgemeinschaft — wohl aber dem Staat als Fiskus riesige Vorteile geboten hätte. Fr. Knapp schildert den immer wieder vorkommenden Fall, daß der Staat in seiner Not diese reiche Bank als Kreditquelle ausnutzt: Wenn die Bank halb gezwungen ihrem „Wächter“, dem Staat, große Kredite einräumt, die mit dem Güterumsatz nichts zu tun haben, „wie soll sie dann die Banknoten fernerhin einlösen?“ Es ist unmöglich (Anm.: weil der Staat nicht an dem Tage zurückzahlen kann, an dem die Noten zur Zahlung vorgelegt werden, also etwa nach 26 Tagen). Knapp fährt fort: „Das begreift auch der Staat sehr wohl. Er verfügt: Die Bank ist von der Verpflichtung zur Einlosung entbunden.“ „(Er) erklärt diese Noten zu valutarischem Gelde (gleich gesetzlichem Zah­lungsmittel) .....“ so erhalten die Noten Zwangskurs bei allen Zahlungen unter Privaten. Durch diesen höchst merkwürdigen Vor­gang, den man meist nur als erschütternden Unfall würdigt, ist für den kaltblütigen Beobachter folgendes festgestellt: Der Geldverkehr... hört nicht auf, obgleich das valutarische Geld anders geworden ist; es besteht ja gar nicht mehr aus Metall, 'sondern aus Papier .... Der Staat ist in „Papierwirtschaft versunken“ 8) 9). Das Zwangskurs­geld, das man in solchen mit Zwangskurs ausgestatteten „Banknoten“ vor sich hat, gehorcht ganz anderen Gesetzen, als das von uns dar­gestellte echte Umsatz-Bankgeld der privaten Zahlungsgemeinschaft, es ist insbesondere grenzenlos vermehrbar, aufdrängbar und daher äußerst inflationsgefährlich.

 

4. Der Untergang des klassischen Systems durch die Aufgabe der Einlösbarkeit und die Einführung des Zwangskurses.

Hiermit hat F. Knapp, der Altmeister der deutschen Geldtheorie, auch für den­jenigen, der seinen Ansichten nicht immer folgen kann, in einleuch­tender, fast großartiger Weise schon in dem Jahrzehnt vor dem Kriege den bevorstehenden Untergang des klassischen Kreditsystems

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8) 4. Auflage s. 128, 129. Knapp ist im übrigen durchaus kein Feind des Zwangskurses, der ja heute merkwürdigerweise als ebenso selbstverständlich gilt, wie er bis 1909 einhellig verdammt wurde. Sperrungen vom Verfasser.

9) Mit Recht erklärt daher Carl Rösch in seinem Buche über Kreditinflation (Jena 1927), daß Banknoten, die an öffentlichen Kassen genommen werden und gesetzliche Zahlungsmittel sind, keine Banknoten, sondern Staatspapier­geld sind (S. 24).



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                           169

 

geschildert, der gar nicht lange danach in Deutschland und in fast allen Ländern außer Frankreich auch wirklich eintrat. Deutschland bestimmte 1909 durch Gesetz die Reichsbanknoten zum gesetzlichen Zahlungsmittel, deren Aufdrängung zu 100 Proz. sich fortan jeder­mann gefallen lassen mußte, auch wenn sie weniger wert waren, als der Goldwert der Forderung, die er zu erhalten hatte. Die Einlösungs­pflicht, die letzte schwache Schranke, fiel dann 1914. Nach dem Kriege, in der Zeit des Wiederaufbaues der deutschen Wirtschaft, in der gerade hier die Rückkehr zu den gesunden Vorkriegsmaximen geboten gewesen wäre, um den Wiederaufbau zu fördern und zu ge­sunden und mißbräuchliche Kredite und untransferierbare Repara­tionszahlungen zu vermeiden, hat man nicht einmal das Ziel erkannt, vom Zwangskurs wieder abzukommen; ist dem Verfasser doch nicht bekannt geworden, daß eine derartige Forderung überhaupt erhoben worden wäre. Und die weniger wichtige Einlösungspflicht hat nur wenig mehr als ein Jahr vom 17. Mai 1930 bis 13. Juli 1931 bestanden, zu einer Zeit, als das deutsche Kreditsystem unter der Last der un­tragbaren kurzfristigen Auslandsverschuldung bereits zu zerbrechen drohte, ohne daß sie in einer so verzweifelten Situation ihre heilende Kraft hätte entfalten können, indem der freie Kurs und das Verständ­nis dafür fehlte.

 

5. Die Aufgabe der Einlösungspflicht und ihre Folgen.

 Solange die Einlösungspflicht bestand, oder, um wieder Knapp zu zitieren, „solange die Bank verpflichtet ist, ihre Noten in staatlich emittiertem Gelde einzulösen, brauchte der Staat keine weiteren Schritte zu tun, um die Banknoten in ihrer akzessorischen Stellung zu halten“ 10), waren also andere Vorsichtsmaßregeln gegen die Inflationsgefahr über­flüssig, weil Inflation nur unter dem Regime des Zwangskurses mög­lich ist. Jetzt, nach Aufgabe der Einlösbarkeit der Noten, wurden be­sondere Bremsen nötig: die goldene Bremse, die Golddeckung und die unzuverlässige und den Ereignissen immer nachhinkende Preis­statistik; schließlich nach dem Untauglichwerden beider die Devisen­bremse. Hiermit ist der klassische Gedanke, dessen Wiederverwirk­lichung uns heute so nottut, der im Geld- und Kreditwesen ein Hilfs­mittel des Güterabsatzes sieht, verlassen und eine ganz andere Geldart auf den Thron erhoben, das Papiergeld, im Gegensatz zur Banknote, dessen Eigenschaft es ist, unstabil zwischen Inflation und Deflation hin und her zu schwanken; das allein von den Ausartungen betroffen werden kann, die wir im Jahre 1923 und 1931/32 kennen gelernt haben, und das die Umsatzfinanzierung nur sozusagen „nebenbei“ miterledigt, ohne hier etwas Wirkliches zu leisten.

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10) Knapp, S. 125.


170                                       Annalen der Gemeinwirtschaft

 

6. Identität von Zwangskursregime, Zentralbankidee und Inflationismus.

Man hätte sich zu diesem gefährlichen und volkswirt­schaftlich verdammungswürdigen Zwangskursregime 11) nie entschlos­sen, wenn es nicht außer seiner Vorteilhaftigkeit für den Fiskus noch eine Eigenschaft besessen hätte, der gegenüber alle sachlichen Be­denken zurückzutreten hatten: Ohne eine „starke Zentralnotenbank“ war nach herrschender Ansicht die Kriegsfinanzierung unmöglich. So wurden denn im Jahre 1909 in Deutschland, nachdem andere Länder vorangegangen waren, als Vorbereitungsmaßnahme für den möglichen Krieg die Reichsbanknoten zum gesetzlichen Zahlungs­mittel erklärt. Immer wieder wurde in allen Ländern bei der Er­örterung des Zentralbankproblems betont, wie wichtig im Kriegs­fall 12) eine starke Zentralnotenbank sei. Mit diesem Argument wur­den in allen Ländern die rein wirtschaftlichen Argumente, die zu­meist für die Dezentralisation sprachen, totgeschlagen 13). In Wahr­heit waren freie Notenbanken im Kriegsfalle nur deswegen nicht „stark“, weil sie keine Inflation machen konnten. Sie konnten dem Staat keine Kriegskredite geben, weil sie selbst vier Wochen später an den Folgen dieses inflationistischen Mißgriffs in Konkurs ge­gangen wären. Daß wir im richtig gehandhabten Staatspapiergeld mit freiem Kurse nach Frh. von Stein (1812) ein viel stärkeres und un­gefährlicheres Mittel zur Kriegsfinanzierung haben, übersah man. Hinter dem Streben zur „starken Zentralbank“ verbarg sich also der Wille, irgendeinmal Inflation zu machen, was nur mit der Auf­hebung der Einlösungspflicht und der Einführung des Zwangskurses vorstellbar ist. Zentralbankidee und Inflationismus sind ideologisch und historisch untrennbar; es ist daher nicht verwunderlich, wenn Cassel und immer weitere Vertreter des Zentralbanksystems heute die Aufgabe des Goldstandards empfehlen, sich damit also öffentlich als

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11) Vgl. darüber insbesondere die Bankenquete von 1908.

12) Vorangegangen war hier Frankreich; vgl. das maßgebende Werk von Prof. Rist.

13) Auch Mises äußert sich in gleichem Sinne (Theorie, 2. Aufl. 1924 S. 408):

„Die Gründe, die, abgesehen von dem Moment der finanziellen Kriegsbereit­schaft, zugunsten der Zentralisierung, Monopolisierung und staatlichen Be­aufsichtigung der Notenbanken im besonderen und der Umlaufsmittelbanken im allgemeinen angeführt werden, sind durchaus unstichhaltig. In den letz­ten Jahren hat sich die Bankliteratur so stark in handelstechnische Einzel­heiten verloren, sich so weit von allen national ökonomischen Erwägungen entfernt und sich so ganz unter den Einfluß plattester etatistischer Argumen­tation begeben, daß man auf die Ideen ... von vor zwei oder drei Menschenaltern zurückgreifen muß. .. Die Reglementierung des Notenbankwesens sollte den armen und unwissenden Mann aus dem Volke ... davor schützen, durch Bankzusammenbrüche Verluste zu erleiden. Es genügt, dieses Argu­ment nur anzuführen, um zu zeigen, daß es ganz kraftlos ist. Keine Bank­politik hätte dem kleinen Mann mehr Schaden zufügen können, als die etatistische der letzten Jahre.



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                                  171

 

Inflationisten erweisen. Jeder radikale Gegner der Inflation muß in letzter Konsequenz Gegner der „starken Zentralbank“ sein, weil diese immer wieder zum Zwangskursregime und damit zur Inflation ver­leitet, und die Wiederherstellung der Zustände von vor 1909 wün­schen, in denen die deutsche Wirtschaft nicht ohne Grund einen bei­spiellosen Aufschwung erlebte, ohne von Inflation bedroht gewesen zu sein.

 

7. Nach dem Fall der Banken noch die Zerstörung des deutschen Geldsystems durch den Übergang vom Handelswechselgeld zum Fi­nanzwechselgeld.

An diesen lange vorbereiteten Niedergang schließt sich ein katastrophaler Bruch an, der nun darzustellen ist. Bis zum Sommer 1931 hatte die Reichsbank die §§ 28, 25 Abs. 6 und 21 des Bankgesetzes befolgt, die die Tätigkeit der Reichsbank in ganz be­stimmter Weise begrenzen, nämlich im wesentlichen auf den Diskont von Wechseln mit einer Laufzeit von Westens 3 Monaten, die neben Gold und den durchlaufenden Schecks allein als Notendeckung zu­gelassen sind. Der § 28 lautet: „a) Golddeckung von 40 Proz.; b) Für den Restbetrag diskontierte Wechsel oder Schecks, welche den in § 21 aufgestellten Erfordernissen genügen.“ Nun bestimmt § 21 Abs. 2 Ende: „Die von der Bank diskontierten Wechsel sollen nur gute Han­delswechsel sein“, und Dr. Hjalmar Schacht kommentiert diese wich­tige Bestimmung in seinem Kommentar auf S. 142 wie folgt:

„Im Hinblick auf die Zweckbestimmung der Notenbanken wird der bereits früher angewandte Grundsatz, daß die von der Bank diskontierten Wechsel nur gute Handelswechsel sein sollen, im neuen Bankgesetz ausdrücklich festgelegt. Damit wird der Bank die Dis­kontierung anderer Wechsel, z. B. sogenannter Finanz- und Kreditwechsel oder von Wechseln, die zu spekulativen Zwecken ausgestellt sind, untersagt.“ Auch die Strafbestimmungen beziehen sich auf diese beiden Paragraphen, deren Wichtigkeit dadurch noch besonders her­vorgehoben wird.

Das Notenbankgesetz erlaubt also nur zwei Sorten von Banknoten, die wir mit G. Ramin als Goldgeld und als Handelswechselgeld 14) bezeichnen können, um die Sache recht deutlich zu machen, was übrigens der Terminologie des § 28 entspricht.

Entgegen diesen Bestimmungen hatte die Reichsbank nun aber seit der Kreditkrise des Juli 1931 in einem Umfange von etwa zwei Mil­liarden Reichsmark Finanzwechsel diskontiert, wie allgemein bekannt und durch die Gründung der Akzept- und Garantiebank dokumentiert

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14) Vgl. den ausgezeichneten Bericht der Deutschen Festmarkbank in Berlin vom Januar 1932; ebenso Francois-Marsal, Encyclopedie de banque et de Bourse, Fol. I, S. 33.


172                                        Annalen der Gemeinwirtschaft

ist. Diese Finanzwechsel wurden hereingenommen, um die Zahlungs­fähigkeit der illiquiden Kreditbanken zu erhalten, die das Depositen­system übertrieben hatten; die Reichsbank bevorschußte hier nicht Verkaufserlöse, sondern sie übernahm illiquide Aktiva der Groß­banken und der Sparkassen, die sich nicht selbst liquidieren, sondern fortgesetzter Prolongationen bedürfen (entgegen dem Dreimonats-Prinzip). Sie gewährte außerdem für einen Betrag von über 1300 Millionen RM. den Kommunen und deren Sparkassen Kredite ebenfalls langfristiger Art. Da sie diese Kredite ebenfalls nicht geben durfte, verschleierte sie diese illiquiden Darlehen durch Umwandlung in Wechsel und durch Einschaltung der besonders zum Zwecke der Gesetzesumgehung gegründeten Akzept- und Garantiebank. Sie ver­letzte hiermit eine weitere Bestimmung des geltenden Bankgesetzes:

§ 25 Abs. 6 bestimmt, daß die Reichsbank dem Reich, den Ländern und Gemeinden außer einem Konto-Korrentkredit von 100 Mill. RM. und einem Schatzwechsel-Diskont von bis zu 400 Mill. RM. (§ 21 Ziff. 2 a. und 3g) weder mittelbar noch unmittelbar irgendwelche Kredite einräumen darf. Sie versäumte auch weiterhin alles, was nötig gewesen wäre, um das ungesetzliche und gefährliche Finanzwechselgeld wieder zum Verschwinden zu bringen und gesetzliche Zustände wiederherzustellen.

 

8. Die Reichsbank zeitweilig die größte Hypothekenbank. Mangel eines gesunden Bankwesens verhindert die Wiedereingliederung der Arbeitslosen in die Wirtschaft.

Indem die Reichsbank sich von 1931 bis März 1933 über die Bestimmungen des Bankgesetzes hinweg­setzte und im Umfange von der Hälfte oder zwei Dritteln ihres Noten­umlaufs Finanzwechselgeld ausgab, vermied man zwar ein längeres Moratorium für die Banken, besserte aber die Lage dieser Institute und der daran hängenden Industrien und Arbeitermassen nicht. An die Stelle der verschwundenen Einlagen trat die Verpflichtung gegen­über der Reichsbank. Diese wurde gewissermaßen der größte Einleger bei den Banken und war zum Stillhalten gezwungen. .Sie wurde immer abhängiger von den Banken. Die Schuldner konnten immer weniger bezahlen, denn der Warenumsatz ging immer mehr zurück, weil ge­sunde Umsatzkredite nicht mehr ausreichend finanziert werden konn­ten (vgl. darüber u. a. die Äußerungen von Dr. Schacht). Es blieb nur die Zwangsexekution der Produktionsmittel selbst, also der Fa­briken, des Grund und Bodens, die praktisch ergebnislos bleiben mußte, die zur völligen Entwertung aller Bilanzposten und zur immer größeren Verbitterung der damit parallel wachsenden Arbeitslosenmassen führte. Nicht mehr Warenumsätze, sondern Liegenschaften waren nunmehr das Beleihungsobjekt der Reichsbank; sie war damit


Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                       173


zeitweilig die größte Hypothekenbank Deutschlands geworden und ihre Noten konnten damals zutreffend kleingestückelte und unver­zinsliche Pfandbriefe genannt werden. Die deutschen Banken, die ja von der Zentralbank abhängig sind, waren damit ebenfalls lahm gelegt. Ein Banksystem für die Ermöglichung des Warenkreislaufs, zur Organisation der gegenseitigen Arbeitsbeschaffung des Volkes durch gegenseitige Auftragserteilung fehlte. Dementsprechend stieg die Erwerbslosenziffer in Deutschland unter dem Einfluß dieser und der folgenden Fehler auf 6 Millionen. Rechnet man die statistisch nicht erfaßten und ausgeschiedenen Erwerbslosen mit, so kommt man auf etwa 8 Millionen (vgl. Tabelle). Von den Gewerkschaftsmitgliedern

 

 

Ende

 

Beschäftigte

1)

 

Hauptunter- empfäng -Arbeitslosen-versicherung

 

-stützungs--er Krisenunterstützung

 

Wohlfahrts­erwerbslose

2)

 

Arbeitslose insgesamt

3)

 

In 1000

 

Ende März 1931

Ende Juni 1931

Ende Dez. 1931

 

14092

15253

12440

 

2317

1412

1642

 

923

941

1506

 

1027

1098

1697

 

4744

3954

5668

 

Ende Jan. 1932

Ende Febr. 1932

Ende Sept. 1932

Ende Dez. 1932

 

12085

11928

12834

11983

 

1885

1852

618

782

 

1596

1674

1231

1281

 

1858

1994

2550

2800

 

6042

6128

5103

5773

 

Ende Jan. 1933

Ende Febr. 1933

Ende Juni 1933

Ende Okt. 1933

Ende Nov. 1933

Ende Dez. 1933

 

11487

11533

13307

14063

14020

13287

 

953

942

416

317

345

554

 

1419

1513

1310

1072

1058

1175

 

2860

2880

2430 4)

1487

1434

1410

 

6014

6001

4857

3745

3715

4058

 

Ende Jan. 1934

Ende Febr. 1934

Ende März 1934

Ende April 1934

 

13518

13960

14687

15362

 

549

419

249

219

 

1166

1087

911

841

 

1317

1188

984

884

 

3772

3374

2798

2609

 

1) Nach der (bereinigten) Statistik der Krankenkassen.

2) Bei den Bezirksfürsorgeverbänden ermittelt (die Zahl der gleichzeitig bei den Arbeitsämtern ermittelten, anerkannten WE. ist regelmäßig geringer).

3) Bei den Arbeitsämtern

4) Die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen für April bis Juni ist nachträglich vom Deutschen Gemeindetag berichtigt. – Seit Juni ohne Fürsorge- und Notstandsbearbeiter

 

waren schließlich mehr als fünfundvierzig Prozent arbeitslos. Die Kausalität und Gleichzeitigkeit mit der Degeneration des Kredits läßt sich im Einzelnen nachweisen. — Wir setzen den Katalog der Nieder­gangserscheinungen im Umsatzkredit, der die Ursache dieser furcht­baren Zerstörungen war, nunmehr fort.

 

9. Verhängnisvolle Kompensation einer Inflation des Finanzwechselgeldes mit einer Deflation des Handelswechselgeldes.

Hätte man


Annalen der Gemeinwirtschaft                                                                               174

 

in normalen Zeiten so viel Finanzwechselgeld ausgegeben, so wäre eine Inflation eingetreten. Daß damals keine Inflation vorhanden war, erklärt sich daraus, daß ein entsprechender Betrag gesunden Handels­wechselgeldes verdrängt wurde. Man hatte, um die vielen faulen Kredite durchhalten zu können, eine abnorme deflationistische Ver­knappung des Handelswechselgeldes durchgeführt. Da der Umsatz für den Güterabsatz genau so unentbehrlich ist, wie die Verfrachtung durch Eisenbahn und Kraftwagen, war hierdurch der Güterumsatz der Wirtschaft aufs schwerste gestört worden. Man hatte ungefähr ein Drittel des gesamten volkswirtschaftlichen Güterumschlages still­gelegt, um die kategorischen Wünsche fauler Institute, die abseits von den Interessen der Gesamtheit standen, erfüllen zu können und deren Leiter zu retten, deren Schuldkonto man nicht übersehen konnte, weil sich einzelne dieser Persönlichkeiten selbst als Sachverständige bezeichneten und sogar wissenschaftliche Argumente heranzogen. Durch die so herbeigezwungene Unverkäuflichkeit der Waren bei größter Arbeitslosigkeit waren nun aber so gute Unternehmungen in größter Zahl an den Rand des Abgrundes gebracht worden, daß die gesamten Aktiven der Banken bedroht waren. Das von egoistischen, naiven und wissenschaftlich ungeschulten „Fachleuten“ gemeinsam empfohlene Rettungsmittel hatte sich als ein Zerstörungsmittel ersten Ranges für die Banken erwiesen, das nicht einmal die Privatvermögen der Bankleiter zu sichern vermochte, da das Unheil einen unerwarte­ten Umfang annahm und reißend um sich griff.

Man ging bei der Ausgabe des Finanzwechselgeldes nämlich von der Annahme aus, ein hoher Zinssatz werde es zum raschen Rück­strömen bringen. So wurde die Erhöhung des Diskontsatzes auf 30 Proz. gefordert. Dabei vergaß man, daß bei Finanzwechselgeld, das die Entstehungsursache aller bisher dagewesenen Inflationen gewesen ist, überhaupt die wirksame Rückströmung des Handelswechselgeldes fehlt, weil die zugrunde liegenden Kredite wirtschaftlich langfristig sind. Die schlimme Folge dieser falschen Theorie vom Nutzen eines hohen Zinssatzes war, daß dieser enorme Diskontsatz von zeitweise 15 Proz., dann noch 10 und 7 Proz., auch auf das Handelswechselgeld angewandt wurde, wodurch die deflationistische Zerstörung des Güteraustauschs noch weiter geführt wurde. So waren wir 1932 vor die Alternative eines primitiven Austauschs von Naturalien oder eines radikalen Bruchs mit dem bisherigen System unter Rückkehr zu den bewährten Kreditgrundsätzen gestellt.

 

10. Falsche Bankensanierung erhöht die Arbeitslosigkeit.

Die Reichsbank stützte also die kranken Banken und brachte diese in den Ruf, daß der Staat hinter ihnen stehe. Diese „Quasi-Staatsgarantie“



Arbeitslosigkeit, Problem des Umsatzkredit u. Zahlungsmittelversorgung         175

 

führte dazu, daß die Bevölkerung inmitten der Krise ihre Gelder von den gesunden tatkräftig auf Umsatz und Arbeitsbeschaffung bedach­ten Banken zurückzog. Überdies wurde die gesunde Wirtschaft steuer­lich mit den Kosten dieser Bankstützung in Höhe von über 1,5 Milliar­den RM. belastet, während die kranken Banken fast gar keine Steuern zahlten oder .befreit waren. Diese Bestrafung der guten Wirtschafts­führung und der tätigen Arbeitsbeschaffung war in den folgenden Jahren von den schlimmsten Folgen begleitet, wurde doch ein großer Teil gerade der besten Unternehmer der mittleren und kleineren In­dustrie, auf der von jeher Deutschlands Menschen- und Arbeitsreich­tum und seine Stärke besonders im Export beruht hatte, ausgerottet, während spekulative von wirtschaftlich unfähigen Personen aufge­baute Konzerne mit immer größeren Verlusten in Betrieb blieben, bis auch hier Dr. «Schacht von Frühjahr 1933 an Wandel schaffte.

Dr. Luther hatte von seinem Vorgänger, dem Reichsbankpräsidenten Dr. Hjalmar Schacht im Frühjahr 1930 eine gesunde, mit fast 3 Mil­liarden an Gold und Devisen ausgerüstete und mit Reserven reich aus­gestattete Reichsbank übernommen. Nach ihrer Bilanz verfügte die Reichsbank noch am 31. Dezember 1930 über die folgenden imposanten Bestände an Gold und Devisen:

 

Aktiva.

1.Goldbestand, unbelastet (Barren, in- und ausländische Münzen)

a) in den Kassen der Bank                                   1 993 550 688. — RM.

b) bei ausländischen Zentralnotenbanken           222 230 965. — RM.

2. Bestand an Auslandswechseln und Schecks      290 733 661.—  RM.

                                                                                       --------------------------------

Gold und Devisen insgesamt                             2 506 515 314.—  RM.

 

Diesen Bestand übernahm Dr. Luther. Als er ging und Dr. Schacht die Leitung wieder zurückgeben mußte, hinterließ er ihm ein schwer­krankes, mit Finanzwechseln und schlechten Krediten überladenes, seiner Reserven entblößtes Institut mit nur noch rund 200 Millionen RM. Gold und Devisen, das ganz außerstande war, den Güterumsatz in Deutschland zu finanzieren, wie es seine Pflicht nach dem Bank­gesetz war, das daher von größter Arbeitslosigkeit und einer Menge zusammenbrechender Firmen umgeben war.

Die Reichsbank selbst hatte zu Beginn der Bankenkrise von 1931 nahezu keine Schulden und Verpflichtungen gegenüber dem Auslande, ebensowenig wie die vier kleinen deutschen Privatnotenbanken. Die Abziehung ausländischer Kredite aus Deutschland konnte sie also überhaupt nicht berühren. Der Hauptteil der 800 deutschen Privat-Bankiers, die selbständigen süddeutschen Filialgroßbanken 15), zwei

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15) z. B. die Bayrische Hypotheken- und Wechselbank mit 130 Filialen.


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filiallose Berliner Großbanken, die 2100 Genossenschaftsbanken und ein großer Teil der 3200 Sparkassen und Kommunalbanken, der Zahl nach über neun Zehntel der deutschen Banken, standen dem Devisen­problem, das sich aus der plötzlichen Abrufung von 10 Milliarden RM. ausländischer Bankgelder ergab, ebenso gut gerüstet gegenüber. Die drei Berliner Filialgroßbanken mit ihren 1323 Filialen, einige fehlgeleitete Kommunalbanken und eine verhältnismäßig kleine An­zahl wenig wichtiger Institute hatten in größtem Umfange kurzfristige Auslandskredite aufgenommen und diese Gelder wider alle Begel lang­fristig ausgeliehen. Reichsbank und Regierung waren also im Juli 1931 vor die Frage gestellt, ob sie die mehr als 35 000 gesunden Ban­ken und Bankstellen 16), die den Warenaustausch und die Arbeitsbeschaf-

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16) Nach den von der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank veröffentlichten Materialien zur Bankenquete 1933 setzte sich die Zahl der deutschen Banken und ihre Filialen usw. Ende 1931 fol­gendermaßen zusammen:

Zahl der deutschen Banken und ihrer Niederlassungen;

 

Zahl der Institute

 

Zahl der Filialen, Agenturen usw.

 

Insgesamt vorhand. Bankstellen

 

Summe Ende 1951

 

I. Private Kreditbanken in d. Form

 

 

 

 

 

 

 

 

 

von Kapitalgesellschaften:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

I.Berliner Großbanken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

a) ohne Filialnetz (gesund) . .

 

2

 

 

2

 

 

 

b) mit         „ .............................

 

3

 

1323

 

1326

 

 

 

2. Sonstige Aktienbanken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

davon 50 mit Filialnetz . . .

 

170

 

1707

 

1877

 

 

 

3. Übersee-(3), Branche u. Spezial­

 

 

 

 

 

 

 

 

 

banken (62) ........

 

65

 

151

 

216

 

 

 

II. Privatbanken etwa ......

 

800

 

180

 

980

 

 

 

Sa. I u. II

 

 

 

 

 

 

 

4401

 

III. Genossenschaftsbanken (6,8 Mill.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mitglieder)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l. Arbeitnehmerbanken .

 

82

 

781

 

863

 

 

 

2. Gewerbliche Kreditge­-

 

 

 

 

 

 

 

 

 

-nossenschaften ....

 

1328

 

 

1328

 

 

 

3. Landwirtschaftl. Kredit­-

 

 

 

 

 

 

 

 

 

-genossenschaften . . .

 

19910

 

 

19910

 

 

 

4. Konsumvereine m. Spar­-

 

 

 

 

 

 

 

 

 

-einrichtungen . ...

 

1229

 

 

1229

 

23330

 

IV. öffentlich-rechtl. Kreditanstalten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l. Staats-Landesbanken und Giro­

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zentralen, dav. 27 mit Filialnetz

 

39

 

396

 

435

 

 

 

2. Landschaftliche Banken

 

8

 

61

 

69

 

 

 

3. Kommunalbanken (und

 

 

 

 

 

 

 

 

 

sächs. Girokassen) . . .

 

584

 

65

 

649

 

 

 

4. Sparkassen ......

 

2570

 

10510

 

13080

 

14233

 

Ende 1931: Summe I—IV

 

 

 

 

 

 

 

41964

 

 



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                          177

 

fung unter 20 Millionen erwerbstätigen Menschen regelten, erhalten und die überschuldeten und illiquiden Berliner Filialgroßbanken dem gerichtlichen Vergleichsverfahren überlassen sollten oder umgekehrt.

Der Bilanzsumme nach umfaßten die ca. 35000 Banken und Bank­filialen etwa zwei Drittel, die drei kranken Großbanken usw. etwa ein Drittel aller Banken. Die Großbanken hatten ihre Interessen vorwie­gend bei den Riesenfirmen der Industrie, von denen es nach der amt­lichen Betriebszählung 1925 nur 66 Stück mit mehr als 5000 Arbeitern gab, die zusammen nur 559000 Arbeiter beschäftigten, während die Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Deutschland etwa 25—30 Millionen Personen betrug.

Das deutsche Bankgesetz hatte auf Grund einer mehr als 150 jähri­gen Krisenerfahrung durch seine Bestimmungen und Strafvorschriften die Reichsbank verpflichtet, nur den gesunden Banken und diesen nur für Umsatz und Arbeitsbeschaffung durch Austausch von Waren und Leistungen Kredit zu gewähren, und die schlechten Banken ihrem Schicksal zu überlassen. Reichsbank und Regierung entschieden je­doch umgekehrt: Sie brachen das Bankgesetz, ein Schutzgesetz ersten Ranges vor solchen Mißbräuchen, sie stützten die schlechten Banken mit annähernd 2000 Millionen RM. Subventionen aus Steuergeldern, sie sprachen damit eine verkappte Staatsgarantie für die schlechten Banken aus und entfremdeten dadurch den gesunden Banken ihre Kundschaft. Sie erklärten, „Deutschlands“ Kredit stehe auf dem Spiele, „Deutschland“ habe diese Schulden, ein „Run“ auf „Deutsch­land“ sei entfesselt, während in Wirklichkeit nur der Kredit einiger schlecht geleiteter Banken wankend geworden war, die ausländische Bankschulden hatten und die nun von ihren leichtfertigen Gläubigern in England, Holland, Amerika usw. zum Zahlen aufgefordert wurden, wie recht und billig. Die Regierung und das Volk kämpften mit Recht gegen die Reparationen, deren Warenäquivalente überdies die Gläubi­ger anzunehmen sich weigerten; ein Teil der Interessenten schloß sich diesem Kampfe jedoch noch mit dem Nebengrunde der Verschleierung an. So wurden Tausende von Banken und Bankfilialen geopfert, um Wenige zu retten, die die Hand am Steuer des Staates hatten. Bei den entscheidenden Beratungen wurden die andern gesunden Bank­gruppen überhaupt nicht zugezogen, die drei kranken Banken wur­den vielmehr mit dem „deutschen Bankwesen“ identifiziert.

 

11. Unnötige Opferung der Gold- und Devisenbestände der Reichs­bank verschlimmert die Arbeitslosigkeit.

Die Opferung der Gold- und Devisenbestände der Reichsbank erwies sich bald als ein schwerer Fehler, an dessen Wiedergutmachung Dr. Schacht mit außerordent-


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lieber Tatkraft und Sachkenntnis noch jahrelang zu arbeiten haben wird. Da die mit kurzfristigen Auslandsschulden überlasteten wenigen Depositengroßbanken kein gutes Wechselmaterial in nennenswertem Maße mehr hatten, zu dessen Diskontierung die Reichsbank bei weit­herziger Auslegung ihrer Pflichten vielleicht moralisch gezwungen ge­wesen wäre, bestand kein Grund für die Reichsbank, die dubiosen Ak­tiva dieser Banken zu übernehmen und ihnen dafür Gold und Devisen in Milliardenbeträgen bar auszuhändigen, die für die gesunde Wirt­schaft später dringend gebraucht wurden. Nachdem die Gold- und De­visenbestände der Reichsbank solcher Art zwecklos verschwendet wa­ren, erwies sich, daß doch nur ein Teil der Schulden zurückgezahlt war, daß die Kalamität also anhielt und sich zu einer Not aller deut­schen Banken, zu einer Gefährdung der Reichsbank und der Stabili­tät der Währung auswuchs. Man kann das Schicksal einer Notenbank nicht ohne Folgen für die Währungs- und Devisenlage mit einer schlechten Bankgruppe und wankenden Industriekonzernen verbin­den. Die Notenbank übernimmt dadurch Schulden Dritter. Sie tritt ohne Grund für fremde Verpflichtungen ein, für deren Begleichung sie ihre Goldbestände hingeben muß. Der damit einsetzende Gold- und Devisenmangel ist nicht eine Folge der schlechten Lage der Handels­bilanz, sondern des Vorhandenseins von fälligen Auslandsschulden, die man ohne Grund gewissermaßen als eigene erklärt hat. Mit diesem Devisenmangel und mit den Devisenschwierigkeiten ist dann jahre­lang die Unterlassung aller Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung entschuldigt worden. In diesen Fehlern liegt also eine noch kaum beach­tete Hauptursache der Verschlimmerung der Arbeitslosigkeit.

 

12. Wo liegt heute die Inflationsgefahr.

Gegen das Argument der Inflation, mit dem immer wieder die gesunde Arbeitsbeschaffung durch Umsatzkredit bekämpft wird, ist also zu sagen, daß man die Dinge auf den Kopf stellt, wenn man die private Finanzierung neuer zu­sätzlicher Umsätze als gefährlich hinstellt und an der alten Kredit­gewährung durch .Schaffung verbotenen Finanzwechselgeldes auf Grund von Prolongationen kritiklos vorübergeht. Allein richtig kann es doch bei dieser Lage sein, den umsatzorientierten Zahlungsverkehr zu fördern und gegen die alte eingefrorene und inflationsgefährliche Zahlungsmittelmasse, die in drohendem Maße thesauriert ist, einzu­schreiten, indem man ihr den Zwangskurs nimmt und sie zur Einziehung bringt. Prof. Lexis, der damalige Berater der Reichsbank, und andere hatten ähnliches in der Krise von 1907 beobachtet. Man darf nicht behaupten, eine kleine Inflation sei das unvermeidliche Heilmittel, die hier vertretenen Vorschläge seien auch nichts anderes als eine kleine Inflation, man solle das doch offen zugeben. Die In-



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                               179

 

flation ist vielmehr ein Zerstörungsmittel; den Beifall, den sie bei ge­wissen Kreisen der Wirtschaftspraxis findet, verdankt sie nur der Tatsache, daß sie die Prolongation schlechter Kredite auf Kosten des gesunden Bedarfs an Umsatzkredit ermöglicht und die klare Einsicht in die wahren Ursprünge der Krankheit verschleiert.

 

13. Verschlimmerung der Lage durch das falsche Heilmittel der De­valvation.

Aus dieser allgemeinen Arbeitslosigkeit, Devisenkrise, Illiquidität und Fiktion der Werte und Preise hätte man mutig zu den einfachen und soliden Notenbank-Grundsätzen zurückkehren müssen. Diese Rückkehr hätte aber schwere Mißstände gerade in hochangesehe­nen Firmen zutage treten lassen. Man entschloß sich daher in Eng­land, den Vereinigten Staaten und vielen anderen Staaten dazu, den Weg des Verderbens und der Künstlichkeit noch einen Schritt weiter zu gehen und damit wohl den Höhepunkt der Degeneration des Notenbankwesens zu erreichen: Die Devalvation. Man ließ den Kurs der Devisen an den ausländischen Märkten frei, kam also dem gesun­den Verlangen nach Wiedereinschaltung des Marktes scheinbar ent­gegen. Gleichzeitig wandte man aber einen Trick an, der die günstige Wirkung des freien Kurses beseitigte. Diese Methode der einmaligen oder fortgesetzten Veränderung des Goldankaufkurses der Zentralbank ist von Irving Fisher und leider auch von I. M. Keynes neu belebt wor­den, die daher bei ihren sehr großen wissenschaftlichen Verdiensten den zweifelhaften Ruhm haben, die Reihe der Degenerationserschei­nungen des Notenbankwesens um ein weiteres Glied vermehrt zu haben, um eine Methode, die man früher nur aus dem Strafrecht der Notenbankzusammenbrüche kannte.

Devalvation und freier Kurs sind gänzlich verschieden. Bei reiner Goldwährung und freiem Kurs für Papierzahlungsmittel bei freiem Goldmarkt und Aufhebung der Devisenzwangswirtschaft könnten z. B. Reichsbanknoten frei exportiert und bewertet werden. Bei Einführung dieser Regelung könnten Reichsbanknoten für einige Tage ein be­trächtliches Disagio erhalten. Ihr einziger Wert würde, weil die Ein­lösbarkeit in Gold aufgehoben ist, darin bestehen, daß sie zu Einkäu­fen in Deutschland Verwendung finden könnten. Das würde ein star­ker Anreiz für den deutschen Export sein. Die Zollschranken, die das Land umgeben, könnten ganz oder teilweise überklettert werden; der Kurs der Banknoten würde in gewisser Weise eine Funktion der Zoll­höhe des Landes sein, in dem sich die deutschen Banknoten befinden. Bei niedrigen Zöllen würde man die Noten im Ausland vermutlich mit pari bewerten, bei prohibitiven Zöllen theoretisch mit null. Es wäre dann rein ein Problem der Ausländer und ihrer Regierungen, den deutschen Noten im Auslande Wert zu geben oder zu nehmen. Vermutlich würde


180                                          Annalen der Gemeinwirtschaft

 

man Anstrengungen zur Zollsenkung gerade in den Ländern unter­nehmen, in denen bisher prohibitive Zölle gegen Deutschland und zu­gleich eine aktive Zahlungsbilanz gegen Deutschland bestand, wo man also forderte, ohne Ware annehmen zu wollen. Das gleiche gilt von allen Schuldnerländern, also insbesondere den meisten südamerikani­schen Staaten; deren Gläubiger würden dann vermutlich Anstrengun­gen bei ihren eigenen Regierungen unternehmen, die Zölle zu senken, damit südamerikanische Waren zur Bezahlung hereinkommen kön­nen. Ein Mißbrauch zu Dumpingzwecken kann nicht befürchtet wer­den, denn nur der Export der Schuldnerländer in Höhe eines unbe­glichenen Schuldsaldos wird möglich, weiteres nicht. Die Pari-Bewertung der deutschen Banknoten an den Auslandsmärkten würde so ver­mutlich bald wiederhergestellt sein. Auch ein Devisenmangel kann nicht eintreten, denn z. B. im Falle Deutschland besteht gerade das „Unglück“ darin, daß die Ausländer laufend mehr Zahlungsansprüche gegen uns erheben, als wir gegen sie. In den Händen der Ausländer müssen sich also deutsche Banknoten, Handelswechsel usw. ansam­meln, die nur dann Wert haben, wenn man dafür kauft. Mehr Export wird also erzwungen, wenn man nicht im Auslande dazu übergeht, die deutschen Noten zu verbrennen oder zu thesaurieren. Der freie Kurs macht also die Reichsbanknoten zu Milhaudschen Einkaufsgutscheinen 17). Sie helfen die Zahlungsbilanz ausgleichen, ohne daß sich die Reichsbank darum zu kümmern braucht.

Wie sehr dieses System des freien Kurses, das vor dem Kriege in fast allen Ländern galt, im Gegensatz zur heutigen Devalvation steht, erkennen wir aus folgendem:

Wenn die Notenbank „im Inlande“ und besonders „im Auslande“ langfristig ausleiht, so bestehen vom Auslande her keine Fälligkeiten mehr, es geht wenig ein, aber viel aus. Man nennt das Devisenmangel. Die Einlösung in Gold wird dann meist aufgehoben. Im Regime des Annahmezwanges pflegt dann die Devisenzwangswirtschaft eingeführt zu werden. — Besteht dagegen freier Kurs für die Banknoten — jen­seits der Landesgrenze besteht er immer —, so tritt ein Disagio der Noten ein, und nun gibt es für die Bank zwei Wege:

Entweder die Bank hält an ihrem herkömmlichen und gesetzlichen Goldankaufskurs fest. Dann bekommt sie keinen Goldzufluß, sie kann also ihren zusammengeschmolzenen Goldvorrat nicht erhöhen, weil das Gold ja ein Agio aufweist, also zu teuer ist. Sie gibt auch nicht mehr neue Kredite, als für kurze Warenumsätze nötig sind. Dann tritt

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17) Vgl. Goldburgfriede und internationales Clearing von Prof. Edgar Milhaud, Annalen der Gemeinwirtschaft, 166 S., Jan.-Mai 1933, 8 Rue St. Victor, Genf; auch englisch und französisch; sowie die beiden Abhandlungen von Zander und von Beckerath in diesem Bande.



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                             181

 

etwas Erstaunliches ein: Der „Run“ der Konsumenten auf die Ware in den Läden, der Schuldner auf die Gläubiger, insbesondere auf die Bank als Gläubigerin von Wechseln, und auf die Steuerkassen, wenn, wie in Deutschland, die Steuerkassen gesetzlich die Noten noch zu pari annehmen müssen. Denn nur noch bei drei Stellen können die Inhaber solcher für einige Tage entwerteter Noten ihre Papiere zu pari an­bringen, während alle anderen Stellen wertbeständig (in Gold) rech­nen und ein Agio bei Zahlung in Banknoten verlangen: Bei der Schul­denzahlung an die Bank, bei der Steuerzahlung an die Finanzkassen. und in den Läden, weil alle Umsatzkredite der Notenbank ja letzten Endes in den Läden stecken, die Ware dafür feilbieten.

Dieser „entsetzliche“ Run ist gar nichts schlimmes, denn er ge­schieht in der volkswirtschaftlich erwünschten Richtung: Am Ende sind für ein paar Milliarden Ware verkauft, Steuern bezahlt und Lager geräumt, so daß die Notenbank wieder liquide ist, weil sie einen gewaltigen Rückstrom an Noten gehabt hat. — Der Notenrückstrom erfolgte auch vom Auslande her, denn wir nehmen an, daß die Noten­ausfuhr wieder frei ist und die Noteninhaber sich beeilen, damit Ein­käufe in Deutschland zu machen, was für die Handelsbilanz erfreulich ist. Durch diese heilende Krise ist also nach wenigen Tagen das Gleich­gewicht im inländischen und im ausländischen Kreditgeschäft wieder hergestellt, der Überfluß an Noten und der Devisenmangel, aber auch das Disagio sind verschwunden: durch Kaufanreiz und Rückstrom hei Festhalten des Ankaufssatzes. Dieser Weg ist durch die Bestimmun­gen wenigstens der kontinentalen Notenbanken auf Grund einer jahr­hundertelangen immer gleichen Krisenerfahrung als allein zulässig vorgeschrieben (z. B. § 22 BkGes.).

Der andere Weg ist: Die Notenbank handelt wie eine schlechtgelei­tete Pfandbriefbank am Tage vor dem Konkurse: sie kümmert sich nicht um die Schädigung der Inhaber ihrer Emissionen, versucht viel­mehr noch jetzt, unter pari massenweise ihre faulen Noten (Pfand­briefe) zu sinkenden Kursen in den Verkehr zu pressen, ihren Miß­brauch also dreist zu verstärken. Da ihr am Kreditgeschäft nichts liegt, sondern vielmehr an Gold und an dem Kursgewinn am Golde, da ihr aber diese entwerteten Papiere niemand zu pari abnimmt, muß sie zu dem Zwecke den gesetzlichen Goldankaufspreis erhöhen! Nun kann sie massenhaft Gold kaufen, also Noten anbieten auf Kosten der Spe­kulationsverluste der Noteninhaber, die um die automatische Wieder­annäherung an die Parität betrogen werden; sie behauptet dann rüh­mend, daß sie viel für die (entwertete) Währung getan habe! Alle in Verlegenheit geratenen Bankleitungen haben in der älteren Periode freier Notenbanken in Europa (bis ungefähr 1850 oder 1900) so ge-


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handelt; Austausch und Arbeitsgelegenheit sind dadurch auf die lange Sicht geschädigt worden. Die Strafgesetze sind solchen Mißbräuchen entgegengetreten (vgl. die Bankgesetze).

Diesen Weg nennt man neuerdings Devalvation. Hätten die Zentral­banken oder Schatzämter der Devalvationsländer seit 1931 den Gold­ankaufspreis nicht heraufgesetzt, so hätten die Bank-von-England-Noten usw. nur wenige Tage lang ein starkes Disagio aufweisen kön­nen; danach hätten sich die gekennzeichneten Gesundungstendenzen durchgesetzt.. Es bedurfte riesiger Goldkäufe zu erhöhtem Preise, mit anderen Worten riesiger Schleuderverkäufe von englischer usw. Valuta, um diese Tendenzen zunichte zu machen, die in den ersten Mona­ten, wie jedermann weiß, immer wieder die Annäherung an die alte Parität erzwingen wollten (es mußten z. B. von der Bank von Eng­land und vom Schatzamt Goldvorräte im Betrage von vermutlich 100 bis 200 Mill. Goldpfund angekauft werden!)

Wir suchen die Verbindung der Vorteile des freien Kurses und der reinen Goldwährung, des beweglichen Ausgleichs und Exportanreizes mit der Sicherheit in Vertrag und Kapitalanlage. Das System von 1909 enthält sie. Bei solcher deutschen Tradition ist es kein Wunder, daß es Dr. Schacht im April 1924 war, der inmitten der größten Devisennot und Zwangswirtschaft durch Freigabe des Kurses und Fest­halten am alten Goldankaufspreis bei Erzwingung stärksten Rück­stroms an Noten die Spekulation aufschwänzte und die Freiheit im deutschen Außenhandel und Devisenverkehr schlagartig wieder her­stellte, ein Vorgang, der von einer schlechten Geldtheorie leider nicht verstanden wurde, so daß der öffentlichen Meinung heute das Be­wußtsein dieser Erfahrung fehlt. Wahrscheinlich ist dies das einzige Beispiel aus der neueren Krisengeschichte, in dem eine so riesige Zentralnotenbank in der Krise völlig richtig behandelt wurde.

Es gibt in bezug auf den Goldankaufspreis der Zentralbanken nur zwei Systeme: Festhalten eines bestimmten Kurses, zu dem die Noten­bank Gold ankauft, oder Freigabe und absichtliche Veränderung die­ses Kurses. Der erstere Weg ist das hervorragend bewährte Vorkriegssystem der gut verwalteten Länder (reine Goldwährung mit freiem Kurs der Noten, aber festem Ankaufspreis für Gold bei der Noten­bank); der andere ist Inflation oder Devalvation, die beide nur ver­schiedene Formen derselben Sache sind (Annahmezwang im Inlande und Veränderung des Goldankaufspreises der Notenbank). Daß man mit Inflation unter außerordentlichen Opfern und größten Zerstörun­gen die Arbeitslosenfrage vorübergehend lösen kann, ist bekannt. Der Beitrag von J. Fisher und Keynes bedeutet daher nichts neues, ins-



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                  183

 

besondere auch keine dauernde Gesundung, aber eine weitere Zerstö­rung des Kredits.

Eine Werterhöhung des Goldes, die zur Devalvation zwingt, liegt nicht vor, weil es die Warenpreise sind, die man durch die jahrlange Zerstörung des Umsatzkredits und des Absatzes immer mehr nach unten getrieben hat, ohne daß das Gold etwas damit zu tun hat.

Auch die Begründung der Devalvation durch die angebliche Kon­kurrenzunfähigkeit im Auslande und den Rückgang des Exports in­folge zu hoher Inlandspreise läßt sich nicht halten. Die Überteuerung der Waren hat in bestimmten Ländern ihre Ursache in der immer weiter getriebenen Preisregelung durch die Kartelle, die bei ihrer Preispolitik keine Grenzen kennen und dadurch Arbeitsbeschaffung und Währung ruinieren. Eine Eindämmung der Kartelltätigkeit würde ohne eigentliche Deflation zu einer wirksamen Preissenkung führen. Die Gesamtheit der Sparer hätte dann nicht die Kosten des zu weit getriebenen Eigennutzes zu bezahlen. Anstrengung der Produzenten in Qualität und Preis ist nötig; künstliche Mittel können darüber nicht hinwegtäuschen.

14. Zentralbanksystem oder Bankfreiheit günstiger für Arbeitsbeschaffung oder Krisenliquidierung? — Schon Hock spricht über diese Frage prophetische Worte, die sich wie ein Urteil über die heutigen Banken- und Währungskrisen in allen Ländern anhören (zitiert bei Leopold Lasker, Bankfreiheit, 1871, S. '66): „Für eine monopolisierte Bank muß in Zeiten der Krise der Staat einschreiten, ihr Vorschüsse geben, für sie Bürgschaft leisten, ihr zugunsten die Gesetze beugen, Moratorien bewilligen, den Noten, die sie nicht mehr einzulösen ver­mag, den ferneren Umlauf gestatten, ihnen vielleicht den Zwangskurs einräumen, alles, weil sonst der ganze an die Bank gewiesene Verkehr des Landes gewaltsam zum Stillstand gebracht würde; bei einem Sy­stem freier Banken geht der Sturz einer Bank ebenso unvermerkt vorüber und wird so vollständig nach dem Gesetz abgetan, wie die Zah­lungseinstellung jedes anderen Hauses. Die Banken Nordamerikas haben in den großen Handelskrisen von 1837 und 1857 in großer Zahl und wiederholt ihre Zahlungen eingestellt; aber kaum ein Jahr lang haben die Folgen dieser Ereignisse nachgewirkt (!), neue Banken ent­standen oder die alten glichen sich aus, und der Verkehr nahm neuen Aufschwung. In Österreich dagegen hat die Einstellung der Zahlungen von Seiten der Nationalbank die traurigsten Eingriffe des Staates in die Privatrechte und ein bis jetzt dauerndes lähmendes Schwanken der Valuta hervorgerufen“ (Devisenmangel! Der Verf.).

Wer wollte leugnen, daß dies eine prägnante Schilderung unserer heutigen Zustände ist, daß die meisten Länder der Erde in den letzten


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Jahren die Politik des damaligen Österreich betrieben und dadurch die Heilung der Krise und der Arbeitslosigkeit verschleppt, wenn nicht unmöglich gemacht haben?

15. Niedergang des Kreditsystems und Verschärfung daß Arbeitslosenproblems als Endergebnis einer jahrzehntelangen krankhaften Entwicklung. — Nicht ephemere Irrtümer der Wirtschaftspolitik oder Fehler in der Konstruktion der Weltwirtschaft sind es also, die die fortgesetzte Verschlimmerung der Krise hervorgerufen haben, sondern im Grunde waren es tiefliegende, seit Jahrzehnten vorbereitete und durch Gewöhnung beinahe legalisierte Fehler. Die Entfremdung der Notenausgabe vom Warenumsatz durch die Funktionstrennung zwi­schen Noten- und Depositenbanken, die immer restriktiv und deflatio­nistisch wirkende Monopolisierung der Notenausgabe in einer Zen­tralnotenbank, der Übergang von der umsatzorientierten Banknote, die beim freien Kurs unter der Kontrolle des Marktes stand, zum uneinlöslichen Papiergeld mit Annahmezwang, die inflationistischen and devalvationistischen Tendenzen, die im System der halbstaatlichen Zentralbank und im Regime des Annahmezwanges für Noten liegen, die Abwendung vom Umsatz- und Umtauschprinzip hin zum Lom­bard- und hypothekarischen Sicherheitsprinzip bei der Kreditgewäh­rung sind es, die unsere Banken zum großen Teil ihrer ursprünglichen Aufgabe der Förderung des Volkswohlstandes und der Arbeitsbeschaf­fung abgewendet und unser Land wie viele andere Länder auch mit seinem gewaltigen Volksreichtum zeitweilig ohne eine eigentliche Or­ganisation zwecks gegenseitiger kreditärer Arbeitsbeschaffung gelas­sen haben. Wenn die beiden wichtigsten Methoden der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den sogenannten regulären Wirtschaftsprozeß und die Investition aus latenter Kapitalbildung sind, so mußten so schwere Mängel im Umatzkredit die Unmöglichkeit dieser Wiedereingliederung nach sich ziehen.

 

 

c) Das Kompensationsprinzip und die „Vier Gesetzentwürfe“ zur Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Wirtschaftsprozeß

I. Von der Zahlung zur Kompensation 18).

1. Durch diese Analyse ist klargestellt, welche Fehler bei der Kon­struktion eines gut arbeitenden Umsatzkreditsystems zu vermeiden sind. Es fehlt aber noch das leitende Prinzip, mit dessen Hilfe der Auf­bau vollzogen werden könnte. Zur Auffindung dieses Prinzips ist vor­erst noch ein weiterer Schritt der Analyse notwendig. Es fragt sich

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18) Vgl. auch die drei Abhandlungen von v. Beckerath und Zander in die­sem Bando und die beiden Bände von Prof. Edgar Milhaud Genf über Einkaufsgutscheine.



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nämlich, ob die Abstellung aller auf Geld lautenden Verträge auf die Erfüllung durch Zahlung überhaupt beibehalten werden kann. Kann sie nicht beibehalten werden, so wird man den Gedanken der Noten­bank und der Banknote, der bisher im Vordergrunde stand, aufgeben oder aber stark weiterentwickeln müssen, um eine ideale Austausch­organisation zu erhalten. Diese Kritik am Prinzip der Zahlung, auf dem bisher alle Kredite und Banknoten beruhten, und diese Vervoll­kommnung des Notenbankwesens über das klassische Schema hinaus ist in Deutschland wissenschaftlich durch die „Vier Gesetzentwürfe zur Bekämpfung der Deflation, zur Verhinderung der Inflation und zur Senkung des Zinses“ (Berlin 1932) versucht worden 19).

2. Die Käufe und Verkäufe, Kredite, Lieferungen und Leistungen auf Ziel in einem Lande begründen ein System kurzfristiger Ver­pflichtungen, die immer wieder beglichen werden müssen, um neuen Käufen, neuen Lieferungen und Leistungen, also immer neuem Wa­renaustausch Platz zu machen. Die Auflösung (Solution) eines solchen' Systems kurzfristiger Verpflichtungen kann auf verschiedene Weise gedacht werden. Einmal durch Zahlung im römisch-rechtlichen Sinne, d. h. durch körperliche Übergabe von Münzen oder Banknoten mit Annahmezwang, sodann durch die Konfrontierung je zweier ent­gegengesetzter Forderungen und ihre Kompensation (Aufrechnung), d. h. juristisch gesprochen durch eine Art gegenseitigen Verzicht, weiter durch die private Banknote, Scheck, und Giro, die jedoch in den meisten Fällen zur Kompensation auf einem Konto usw. führen, und schließlich durch Devalvation, Konkurs, Verjährung oder anderweitigen Untergang der Forderungen.

Sehen wir von der letzten Möglichkeit ab, die das Ergebnis völliger Rat- und Ideenlosigkeit ist, und beschäftigen wir uns zuerst mit der Zahlung. Diese stellt nach römisch-rechtlichen Grundsätzen älteren Stils den Regelfall der Solution dar. Sie bedeutet die Lieferung körper­licher Zahlungsmittel, also körperlicher Gegenstände, mithin die Lie­ferung von Ware. Nach ihr ist ein Darlehensvertrag ein Vertrag, durch den der Schuldner in dieselbe Lage versetzt wird, wie derjenige, der Ware an der Börse auf Termin verkauft hat. Durch das Zahlungs­prinzip werden alle Geldverpflichtungen in einem Lande zu Waren-Termin-Lieferungsverpflichtungen, nämlich bei der Goldwährung zu Goldlieferungsverpflichtungen auf Termin 20), bei den heute zumeist üblichen so genannten Goldkernwährungen (Gold-Exchange-Standard) zu Terminverpflichtungen in monopolisierten Papierscheinen, in Zentralbanknoten.

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19) „Das andere System“, ein Wirtschafts- und Finanzvorschlag in vier Gesetzentwürfen, Mai 1932, Georg Stilke Verlag, Berlin.

20) Vgl. H. Meulen, S. 16, zit. oben S. 164, und Greene.


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Im Warenterminverkehr an der Börse ist es üblich, sich gegen die sehr großen Risiken solcher Geschäfte durch Prämien und andere Sicherungsgeschäfte zu schützen. Im Geld- und Zahlungsverkehr ist man zu solchen Sicherungseinrichtungen leider noch nicht vorge­drungen. Der Mangel solcher Einrichtungen ist nicht ohne Folgen geblieben. Die Konzentration des Hauptteils sämtlicher derartiger Terminverpflichtungen eines Landes bei wenigen Banken hat das Problem noch vergrößert. Die Krise von 1931—1933 hat ebenso, wie die früheren Krisen, bewiesen, daß derartige massenhaft abgeschlosse­nen Terminlieferungsverträge im Ernstfalle nicht erfüllbar sind, ja daß aus ihnen eine monatelange Lähmung des gesamten Geschäfts­verkehrs, die Arbeitslosigkeit von Millionen von Menschen und ins­besondere die scheinbare Unlösbarkeit des Arbeitslosenproblems sich ergibt.

3. Der einzige Weg, eine solche Fehlkonstruktion, wie sie unser gesamtes bisheriges Bankwesen aufweist, zu vermeiden, ist wahr­scheinlich die möglichst weitgehende Ersetzung der Zahlung durch die Kompensation. Dieser Weg ist durch die natürliche Entwicklung in den meisten Ländern schon angebahnt, denn die Verwendung von Scheck und Giro hat so sehr zugenommen, daß heute in den meisten Ländern schon 80—90 Proz. und mehr aller Solvierungen ohne Verwendung der „Zahlung“ vor sich gehen. Formell sind allerdings heute noch die meisten auch unbaren Solvierungen auf die Aus­händigung körperlicher Zahlungsmittel der Zentralbank gestellt, aber es wird davon nur noch im Falle der Krise Gebrauch gemacht.

4. Die Erklärung der Banknoten oder gar der gesamten Giral-Mittel zum gesetzlichen Zahlungsmittel, wie sie schon Ricardo im Auge gehabt hat, würde keinen Fortschritt bringen, denn diese mit Legalkurs ausgestatteten Zahlungsmittel würden eine Art Staats­garantie genießen, müssen also von Behörden oder anderen Monopol­stellen ausgegeben und im einzelnen bewirtschaftet und knapp ge­halten werden, wodurch die Arbeitsbeschaffung unmöglich gemacht wird, worin weiter eine untragbare Übersteigerung der fiskalischen Tätigkeit liegt. Bei einem solchen monopolistischen System kann eigentlich im Lande kein Geschäft ohne die vorherige Erfüllungszusage der Zentralbank abgeschlossen werden. Solche Zusagen zu geben, ist aber der Zentralbank meistens verwehrt; dazu ist, wie erörtert, kein monopolistisches System der Zahlungsmittelbewirt­schaftung denkbar, das nicht deflationistisch wirkt. Daß Karl Marx diese Zentralisation und Monopolisierung des Kredits bereits 1848 im „Kommunistischen Manifest“ gefordert hat (Punkt 5 seines Pro­gramms) ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert.


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5. Ganz anders verhält es sich dagegen mit der Solvierung durch Kompensation (Aufrechnung) 20a). Diese kann niemand ablehnen, der selbst Schulden hat, was allgemein für die heutigen Wirtschafter gilt.

Die Kompensation ist daher neben Gold und neben den mit Legal­kurs ausgestatteten Banknoten ein drittes aufdrängbares Zahlungs­mittel, das in der Geldtheorie als solches bisher übersehen worden ist. Gegenüber jedem Verkäufer von Ware oder jedem anderen Gläubiger ist daher die Kompensation als Solutionsmittel ebenso verwendbar, wie wenn sie Legalkurs hätte, allerdings nur in Höhe der Schulden des Zahlungsempfängers. Sie hat dazu den Vorteil, nicht monopoli­siert, nicht staatlich „bewirtschaftet“ und nicht knapp gehalten, son­dern für jeden frei verfügbar zu sein. Sie steht auch in der Krise und gerade während der dann üblichen Kreditrestriktionen für jeder­mann bereit, was von entscheidender Bedeutung ist.

6. Ein Kreditsystem, welches die Wiederaufsaugung der Arbeits­losen im regulären Wirtschaftsprozeß auch in der Krise leisten will, wird daher nicht nur die gekennzeichnete historische Entfrem­dung gegenüber dem Warenverkehr rückgängig machen, sondern darüber hinaus noch ein Solutionsverfahren benutzen müssen, das die Terminlieferung von monopolisierten und „knapp gehaltenen“ Zahlungsmitteln im bisherigen Sinne vermeidet. Abgesehen von der Zurückführung des Umsatzkredits auf seine ursprünglichen und eigentlichen Funktionen muß das Ziel also sein, das Kompensations­prinzip zum allgemeinen Solutionsverfahren im ganzen Lande zu machen, weil es dem römisch-rechtlichen Zahlungsprinzip in bezug auf die Arbeitsbeschaffung überlegen ist. Bei der Erreichung dieses Zieles ist zu beachten, daß die bisherige Gesetzgebung über Kompen­sation in den bürgerlichen Gesetzbüchern viel zu eng ist; sie wird weiter entwickelt werden müssen. Nicht auf die zufällige heutige Ausgestaltung, sondern auf das zugrunde liegende Prinzip und seine Entwicklung kommt es an. Weiter ist wichtig, daß sich besonders in Deutschland über den Scheck- und Giroverkehr hinaus neue Formen entwickelt haben: (1) Der Clearing nicht nur von Schecks, sondern

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20a) Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §§387--396; in den übrigen Bürger­lichen Gesetzbüchern: Argentinien 818—831, Belgien 1289—1299, Bolivien 1297 bis 1309, Brasilien 100»—1024, Chile 1656—1664, China 334—342, Columbien 1714—1723, Costa Rica 806—813, Frankreich 1289—1299, Guatemala 2326 bis 2338, Honduras 1473—1480, Italien 1285—1295, Japan 505—512; Liv-, Est- und Kurländisches Privatrecht 3545—3564, Mexiko 2185—2206, Niederlande 1461 bis 1471; Österreich 1438—1442, Panama 1081—1088, Peru 2252—2263, Portugal 765—777, Rumänien 1143—1158, Rußland 129 b, San Salvador 1525—1534, Schweiz 120—126, Spanien 1595—1602, Uruguay 1497—1514, Venezuela 1353 bis 1363. — In Großbritannien und den angelsächsischen Ländern besteht nur das „Set-off“ und das Clearing, während die eigentliche Compensation als Rechtsinstitut fehlt.


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auch von Überweisungsaufträgen in einzelnen „Abrechnungsstellen“ bei der Reichsbank, (2) die von Schoele-Berlin entwickelte rück­läufige Überweisung (der so genannte „Einziehungsverkehr“) und (3) die Skontration 21). Das Ziel dieser großen Entwicklung der Tech­nik des bargeldlosen Verkehrs geht, bildlich gesprochen, dahin, nicht mehr körperliche Gegenstände (Zahlungsmittel) vom Schuldner zum Gläubiger hinzubewegen („Aufdrängung“!), auch nicht mehr Guthaben in dieser Richtung zu verschieben, sondern dem Gläubiger Schulden abzunehmen, ihn zu entschulden, womit das Problem des Legalkurses, der Aufdrängung überhaupt vermieden wird! Ihre Kraft erhält diese neuere Entwicklung im deutschen Zahlungsverkehr nicht aus währungstheoretischen Überlegungen, sondern einfach aus der Tatsache daß diese neueren Methoden viel wirtschaftlicher arbeiten, viel weniger Kosten verursachen, als Scheck und Giro, was für die Banken von der größten Wichtigkeit ist.

Die Auswirkung des neuen Prinzips auf die vielen Zweige des un­baren (giralen) Zahlungsverkehrs konnte hiermit nur angedeutet werden.

Neben dem eben erwähnten Giro- und Scheckverkehr steht der Barverkehr, in dem bis heute das Zahlungsprinzip völlig herrscht, von dem es anscheinend nicht verdrängt werden kann. Auch hier ist überraschenderweise Kompensation möglich. Dieser Kompensation im Barverkehr unter gleichzeitiger Beseitigung des Notenmonopols könnte eine neue Art Notenbanken dienen, die folgende Elemente in sich tragen müssten 22):

 

II. Entwurf eines „Gesetzes“ über Kompensationsbanken.

 

 l. Der erste geldtheoretische „Gesetzentwurf“ lautet:

§ l.

(1) Verrechnungsbanken sind Unternehmungen, deren Geschäftsbetrieb auf die Verrechnung von Forderungen und Schulden .gerichtet ist.

(2) Sie dürfen nur gute Handelswechsel und andere aus Warenverkäufen oder Dienstleistungen herrührende gute Forderungen erwerben oder beleihen. Die Wechsel und Forderungen dürfen keine längere Verfallzeit als vier Monate haben; ihre Verpflichteten müssen als zahlungsfähig bekannt sein.

(3) Sie dürfen andere Zweige des Bankgeschäfts nicht betreiben.

§ 3.

(l) Verrechnungsbanken sind berechtigt, auf sie gezogene Verrechnungs­schecks durch einen darauf gesetzten Vermerk anzunehmen.

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21) Vgl. meinen Aufsatz „Die Bankenquete von 1908 und die Entwicklung des bargeldlosen 'Zahlungsverkehrs', in „Zahlungsverkehr und Bankbetrieb“ Heft 10, 1933, S. 236 ff., sowie in der Deutschen Bergwerkszeitung vom 6. Ok­tober 1933 (Leitaufsatz).

22) Vgl. hier alle Einzelheiten der Arbeiten von Prof. Milhaud über Einkaufsgutscheine in Band IX, l sowie die Abhandlungen von v. Beckerath und von Zander in diesem Bande.



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(2) Durch die Annahme werden die Verrechnungsbanken dem Inhaber des Verrechnungsschecks zur Gutschrift auf ein Verrechnungskonto verpflichtet. Eine Verpflichtung zur Barzahlung besteht nicht.

(3) Die Verrechnungsbank kann sich von der Verpflichtung zur Verrechnung befreien, wenn sie den Anspruch des Gläubigers durch Übergabe von Reichsbanknoten, Reichskassenscheinen oder Scheidemünzen befriedigt.

 

§ 4.

(1) Verrechnungsschecks im Sinne dieses Gesetzes müssen auf den Inhaber lauten und auf der Vorderseite den Vermerk „Nur zur Verrechnung“ tragen. Sie können nur auf l, 2, 5, 10, 20 oder 50 BM. gestellt werden. Im übrigen müssen sie den Anforderungen des § l des Scheckgesetzes vom 11. März 1908 entsprechen.

(2) Verrechnungsschecks müssen, abgesehen von den Unterschriften der bezogenen Bank und des Ausstellers und dem Tage der Ausgabe, gedruckt sein. Der Tag der Ausgabe kann gedruckt werden. Die Unterschriften können auf mechanischem Wege vervielfältigt sein.

§ 5.

Verrechnungsbanken dürfen nur solche Vordrucke für Verrechnungsschecks ausgeben, die bereits mit ihrem Annahmevermerk versehen sind.

 

§ 6.

Die Verrechnungsbanken sind verpflichtet, von ihnen angenommene Verrechnungsschecke jederzeit zum vollen Nennwert gegen sich gelten zu lassen

 

§ 7.

(1) Verrechnungsbanken dürfen Vordrucke für Verrechnungsschecks nur ausgeben und Wechsel oder andere Forderungen (§ l Abs. 2) nur erwerben oder beleihen, wenn im Laufe des vorangegangenen Kalendermonats ein Fünftel der zu Beginn dieses Monats ausstehenden Wechsel- und anderen Forderungen getilgt worden ist (Rückströmung).

(2) Verlängerungen eines bestehenden Schuldverhältnisses, gleich in welcher Form, gelten nicht als Tilgung.

 

§ 8.

(1) Soweit die von einer Verrechnungsbank gewährten Kredite nicht durch Übergabe von Verrechnungsschecken dieser Bank, sondern auf andere Weise, insbesondere durch Überweisung, Übergabe von Reichsbanknoten, Reichskassenscheinen oder Scheidemünzen, getilgt werden, sind diese Mittel für den Ankauf von Verrechnungsschecken dieser Bank zu verwenden oder bereitzuhalten.

(2) Eine Verrechnungsbank kann von ihren Schuldnern ein Aufgeld fordern, soweit diese ihre Schuld nicht durch Übergabe von Verrechnungsschecken dieser Bank tilgen. Das Aufgeld darf 1. v. H. des auf diese Weise getilgten Betrages nicht übersteigen.

§ 9.

Der Gesamtbetrag der im Umlauf befindlichen, von einer Verrechnungsbank angenommenen Verrechnungsschecke muß bei dieser in Höhe des Nennwertes jederzeit durch Wechsel und andere Forderungen (§ l Abs. 2) von mindestens gleicher Höhe oder durch bares Geld gedeckt sein.

 

§ 10.

Eine Frist zur Vorlegung des Verrechnungsscheckes bei der bezogenen Verrechnungsbank besteht nicht.
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§ 11.

(1) Die Verrechnungsbanken müssen einer vom Reichswirtschaftsminister bestimmten Prüfungsstelle angeschlossen sein.

(2) Die Prüfungsstelle ist berechtigt, die Geschäftspapiere, Bücher und sonstigen Unterlagen der Verrechnungsbanken zu prüfen.

§ 12.

Die Verrechnungsbanken müssen bis zum 10. eines jeden Monats der Prüfungsstelle über die Geschäftsentwicklung des vergangenen Monats be­richten. Der Bericht muß enthalten:

1. den Gesamtbetrag der erworbenen und beliehenen Wechsel und Forde­rungen, je besonders,

2. den Gesamtbetrag der ausgegebenen und noch nicht zurückgelangten Vordrucke für Verrechnungsschecke,

3. den Betrag der im Berichtmonat getilgten Wechsel und Forderungen,

4. den Betrag der im 'Berichtsmonat ausgegebenen Vordrucke für Ver­rechnungsschecke,

5. den Betrag der nach § 7 Abs. l bereitgehaltenen Mittel,

6. die Verlängerungen bestehender Schuldverhältnisse.

2. Die Verrechnungsbanken sind insbesondere bestimmt, den un­vollkommenen Kreislauf der Handelswechsel und des Giralgeldes dort zu schließen, wo Löhne bezahlt werden, wo also bisher knappe Mono­polzahlungsmittel unentbehrlich waren. Die Noten dieser Banken sind vom Kontoinhaber auf die Kompensationsbank gezogene gekreuzte („zur Verrechnung“ bestimmte) Schecks, die über runde (typisierte) Beträge lauten, auf den Inhaber gestellt und von der Bank akzeptiert sind, was bei gewöhnlichen Schecks in verschiedenen Ländern bisher nicht zulässig ist. Einfacher wäre die Wahl einer Banknote mit neu­artigem Rechtsinhalt gewesen; der Weg des typisierten und akzep­tierten Schecks vermeidet jedoch die Kollision mit dem Monopol der Zentralbank.

Die Kompensationsbanken sollen für die Lockerung des eingeschnür­ten Güterumlaufs reichlich und billig den erforderlichen reinen Um­satzkredit zur Verfügung stellen. Entgegen den Vorschlägen der Inflationisten soll nicht der zusätzliche Notenumlauf, sondern das Aktiv­geschäft, die Bereitstellung von Umsatzkredit im Maße des Verkaufs neuer Waren die primäre Leistung sein. Der Kunde erhält also nur dadurch Guthaben und nur dann Banknoten (Formulare für typi­sierte und akzeptierte Schecks) von diesen Banken, wenn er gute Handelswechsel und ähnliche Forderungen mit kurzer Laufzeit zu diskontieren hat. Sehr wichtig ist dabei die Beschränkung auf echte Erlöse verkaufter Waren. Niemals dürfen unverkaufte Waren bevorschußt werden oder Wechsel hereingenommen werden, denen keine Warenumsätze zugrunde liegen. Diese „Zerstückelung“ echter Warenforderungen zu Zahlungsmitteln kann bekanntlich niemals inflatio-



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nistisch wirken, weil dabei eine erweiterte Zahlungsmittelausgabe nur möglich ist, wenn das Güterangebot im gleichen Maße steigt. Die Konkurrenz mehrerer solcher Privatnotenbanken sorgt trotzdem für reichliches Angebot in solchen Krediten und niedrigsten Zins, so daß auch die Deflation ausgeschlossen ist. Das Beispiel der Bank von Frankreich, die heute die einzige gesunde Zentralbank der Welt ist, wie auch das der vier kleinen Privatnotenbanken in Deutschland und der Bank von Danzig, die alle inmitten der Krise gesund geblieben, ihren Goldbestand erhalten und der Wirtschaft alle Einschränkung erspart haben, beweist, wie leistungsfähig dieses Prinzip ist.

3. In Österreich (in der Stadt Woergl), in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika sind in den Jahren seit 1932 eine Art „Ausgleichskassen“ gegründet worden, die vorgeben, nach diesem Prinzip zu arbeiten. Sie sind inzwischen zumeist wieder verboten worden. Ihr Ziel war, ungeachtet der Versprechungen, die sie mach­ten, nicht die Kompensation kurzfristiger fälliger Forderungen und die Überbrückung von wenig differierenden Terminen. Sie versuchten vielmehr, ihren Kunden langfristige unverzinsliche Forderungsrechte für kurzfristige aufzuschwatzen, indem sie nicht die Erlöse verkaufter Ware, sondern langlebige Güter, wie Straßenbauten, Häuser usw. finanzierten. Für die so ausgegebenen Papiere sollten die Laden­besitzer ihre Konsumgüter hergeben. Diese Versuche haben mit den eigentlichen Kompensationsbanken nichts zu tun. Sie machen den un­möglichen Versuch, kleingestückelte und unverzinsliche langfristige Anleihestücke, die vielleicht 50 Proz. unter pari stehen müssen, weil selbst die großgestückelten verzinslichen Emissionen derselben Schuld­ner oft unter 80 Proz. an der Börse notiert wurden, zu 100 Proz. zu verkaufen. Die Ladenbesitzer, die gegen solche Geldsurrogate ver­kauften, wurden schwer geschädigt, da ihnen niemand diese Scheine wieder abnahm. Deren Kurs mußte niedrig sein, weil die Nachfrage nach solchen Papieren zu gering ist.

4. Dagegen besteht das Geheimnis der Kompensationsbanken wie der gesunden Notenbanken im Grunde darin, daß sie eine besonders starke Nachfrage nach ihren eigenem Emissionen herstellen, die den Kurs auf pari hält. Kompensieren durch Einreichen von Schecks können die Inhaber von Kompensationsschecks nur, wenn sie nicht nur Forderungen, sondern wenigstens einige von ihnen auch fällige Schulden an die Kompensationsbanken haben. Leiht die Bank ihre Gelder langfristig aus, wie die österreichisch-amerikanischen Aus­gleichskassen, so hat sie keine fälligen Forderungen gegen irgendjemanden, man kann also nicht kompensieren, denn nur fällige For­derungen lassen sich aufrechnen. Die Schecks sind dann fast wertlos.


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Leiht die Bank dagegen ihre Mittel sehr kurzfristig aus, so werden täglich viele Forderungen fällig und die Aufrechnung, also die Ver­wertung der Schecks zu 100 Proz., ist möglich. Allerdings haben nicht alle Scheckinhaber Schulden an die Kompensationsbank, sondern nur die wenigen Fabrikanten und Ladenbesitzer, die dort Kredit entneh­men. Das bedeutet aber nicht, daß die Schecks z. B. für die Beamten und Angestellten wertlos sind. Vielmehr verhält es sich mit den Schecks in den Händen solcher Privatleute genau wie mit den heute in den meisten Ländern üblichen Monopolbanknoten: sie können zu Einkäufen in den Läden und Fabriken verwendet werden, weil die Läden und Fabrikanten eine lebhafte Nachfrage danach entfalten, um mit solchen Zetteln ihre Schulden bei Fälligkeit zurückzahlen zu können. So sammeln sich drei Viertel des Nationaleinkommens bei den Läden und wandern von diesen zu den Banken zurück. Dann befindet sich der Wert der Schecks auf pari. Dies dauernd zu erreichen, muß das Ziel der Bankleitung sein. Sie erreicht es am besten, indem sie ihren Kundenkreis als eine private „Zahlungsgemeinschaft“ (Knapp) ansieht. Innerhalb dieser Zahlungsgemeinschaft muß jeder Gläubiger sich verpflichten, seine eigenen fälligen Schuldverpflichtungen als Zahlungsmittel gegen sich gelten zu lassen, also Kompen­sation anzunehmen. Folgendes spielt sich dann ab:

Die Ladenbesitzer werden zumeist Kredit bei ihren Lieferanten, den Fabrikanten, in Anspruch genommen haben; letztere wieder bei der Kompensationsbank. Sie haben diese Kredite statt in Banknoten in solchen Schecks erhalten. Die Kreditnehmer sind von der Bank verpflichtet worden, ihren Kredit nicht in gesetzlichen Zahlungs­mitteln, sondern in denselben Schecks an die Kompensationsbank zurückzuzahlen: die Bank kann das durch eine Belastung von Straf­zuschlägen auf Einzahlungen in Landesgeld erzwingen. Die Fabri­kanten werden also von ihren Kunden, den Ladenbesitzern, besonders gern Zahlungen in typisierten Schecken annehmen und direkt nach solchen Nachfrage halten. Ebenso die Detaillisten; diese werden das durch Anschläge und Hinweise an der Kasse bekanntgeben. Die Schecks sind für die Fabrikanten gewissermaßen eigene Schuldver­pflichtungen, da die von ihnen vereinnahmten Stücke fast ganz denen gleichen, die die Fabrikanten bei der Entnahme von Kredit von der Bank erhalten hatten. Für die Ladenbesitzer gilt entsprechendes. Beide müssen die Sehecks beim Verkauf ihrer Ware als Zahlungsmittel annehmen, da sie Schulden haben. Sie haben sich der Bank gegenüber verpflichtet, ihre eigenen Schuldverpflichtungen gegen sich gelten zu lassen, sich also in Höhe ihrer Schulden Kompensation gefallen zu lassen. Hierdurch wird, weil die Kredite bald fällig werden, eine



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fortgesetzte Nachfrage nach solchen Schecken und eine dauernde 100prozentige Verwertbarkeit gesichert.

Die Kompensation ist eine mehrfache: Der Kunde im Laden, der seinen Lohn in solchen Schecks erhalten hat, kauft Ware. An der Kasse des Ladens schuldet er den Betrag, er reicht Schecks ein, die in mobilisierter Form die Bankschuld des Ladenbesitzers verkörpern, und rechnet nun auf; er hat seine Kaufschuld beglichen. — Der Laden seinerseits ist in denselben Schecks bei derselben Bank verschuldet, zur Abdeckung seiner Schuld liefert er solche Schecks ein, die seine eigenen Schulden repräsentieren; er kompensiert nun Schuld gegen Guthaben und ist frei. Der Fabrikant ist ebenfalls, und zwar an die Bank, in Schecks verschuldet; zur Rückzahlung seiner Schuld liefert er Schecks ein und rechnet ebenfalls auf; Scheckguthaben und Bank­schuld sind verschwunden.

Die Kurzfristigkeit der Kredite, sowie die Beschränkung auf die Absatzfinanzierung von gangbaren Waren erzeugen in dieser Weise eine fortgesetzte Nachfrage, einen fortgesetzten Rückstrom von Schecken. Die Nachfrage bewirkt trotz der Unverzinslichkeit der Schecks den Pariwert, da solche Schecks wegen ihrer jederzeitigen Verwert­barkeit zu Einkäufen in den Läden den besten Banknoten gleich­stehen. Sie stellen gewissermaßen die Urform dar, aus der sich die Banknoten entwickelt haben, von der aus die mit Zwangskurs aus­gestatteten Monopolbanknoten ihren Weg der Entartung gegangen sind.

Die Schwierigkeit der Verschiedenheit der Zahlungsmittel ist durch Einrichtung von Clearingstellen zu bewältigen, wie man in Schottland und Canada sieht, wo die Noten von neun privaten Notenbanken nebeneinander mit sehr gutem Erfolge noch heute umlaufen, leider seit dem Kriege ebenfalls mit Annahmezwang. Auch in Deutschland laufen außer den mit Annahmezwang ausgestatteten Reichsbanknoten noch Scheidemünzen um, für die der Annahmezwang nur bis 20 M. besteht, sowie fünf Arten von Scheinen ohne Annahmezwang, ohne daß daraus eine Schwierigkeit entsteht (Rentenbankscheine und die Banknoten der Bayrischen, Badischen, Sächsischen- und Württem­bergischen Privatnotenbank (1933).

5. Wir konnten aus der geschichtlichen Darlegung den Schluß ziehen, daß Deflation nur bei Notenmonopol möglich ist, weil beim Monopol die Konkurrenz fehlt und keinerlei Ersatzeinrichtungen be­stehen. Wir konnten aus ihr weiterhin schließen, daß Inflation nur bei Annahmezwang möglich ist. Bei den Noten der Kompensations­banken besteht nun kein Legalkurs, auch keine Einlösung in Gold, sondern nur die Verwendung zu Einkäufen in den Läden („Laden-


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Fundation“), wie auch bei denjenigen der heutigen Zentralbanken, die die Einlösung ihrer Noten suspendiert haben. Nur ist bei den Kompensationsbanken dafür Sorge getragen, daß in den Läden auch wirklich der Gegenwert der Kompensationsscheine in Ware bereit­liegt (vgl. §§ 6 und 8). Wären Finanzwechsel diskontiert worden, so würden den Papierscheinen, die die Lohnempfänger erhalten haben, und mit denen sie in die Läden gehen, nicht Konsumwaren, sondern Häuser usw. gegenüberstehen. Sie würden nichts zu kaufen bekommen und wertlose Papiere in Händen halten; bei Annahme­zwang würde die Entwertung zwar vermieden, die Preise würden aber stark steigen (Inflation). In den Kompensationsbanken sind also Institute geschaffen, die die vier Geißeln des modernen wirtschaft­lichen Lebens vermeiden: die Deflation, da das Monopol aufgehoben ist, die Inflation, da kein Annahmezwang besteht, das Terminrisiko bei Bankguthaben und Bankschulden, da keine Einlösungspflicht be­steht, und die Arbeitslosigkeit infolge von Knappheit an Zahlungs­mitteln, da die Schöpfung und der Untergang des Kredits genau der Herstellung und dem Verbrauch der Ware angepaßt ist, so daß der Beschäftigung von Arbeitskräften von hier aus keine Grenzen mehr gesetzt sind. In einem nach dem Prinzip der Kompensationsbanken aufgebauten Kreditsystem schafft sich die Ware selbst ihre Kauf­mittel (das Instrument, durch das sie gekauft wird); der Waren­umsatz wird also unabhängig von der vorhandenen Menge an Gold oder monopolisierten Papierzahlungsmitteln und der jeweiligen Lage der Goldbergwerke und der Zentralnotenbank. Unter exakter Befol­gung der Quantitätstheorie ist dann eine gefahrlose Lösung des Pro­blems der Arbeitslosigkeit und der Wiedereingliederung der Arbeits­losen in den normalen Wirtschaftsprozeß möglich. Jede Erhöhung der Verkäufe von Ware bei der Wiedereingliederung der Arbeitslosen führt nicht zu neuer Deflation infolge von Knappheit an Zahlungs­mitteln, sondern zur Vermehrung der Zahlungsmittel. Die neu in Umlauf gesetzten Zahlungsmittel beginnen ihren Bückstrom zur Bank in demselben Augenblick, in dem die entsprechende Ware verkauft über den Ladentisch gereicht wird und damit aus der Absatzfinan­zierung ausscheidet. Die bei der Wiedereingliederung von Arbeitern in die Wirtschaft neu in Verkehr gekommenen Geldscheine sind wäh­rend ihres Verbleibens in den Haushalten eine Anleihe, die die Bank bei diesen Haushalten aufgenommen hat; diese zusätzlichen Mittel sind die Quelle, aus der die vergrößerten Umsätze finanziert werden, bis die Ware verkauft und die Note oder der typisierte Scheck zurück­geströmt ist.



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III. Entwurf eines „Gesetzes“ über die Ausgabe von Reichskassenscheinen.

 

1. Hiermit wäre das Prinzip für den privaten Verkehr zwischen Produzenten, Händlern und Arbeitern, also für eine private Zahlungs­gemeinschaft, gegeben und im Entwurf ausgeführt. Damit wäre aber nur ein Teil der Wirtschaft aus der Zahlungsmittelnot befreit. Denn neben dem privaten Kreislauf der Wirtschaft steht gewissermaßen ein zweiter öffentlicher Kreislauf, der ebensosehr unter Deflationserscheinungen leidet; der Geldkreislauf zwischen den Steuerzahlern, den Kassen des Staates und der Gemeinden, den Beamten, den öffent­lichen Betrieben und den Lieferanten des Staates. In der Krise war es gerade die furchtbare Geldnot des Staates, die Zerrüttung des Staatsschuldenwesens und die schwebende Verschuldung des Staates, die die Krise an der Börse, im Kredit, am Zinsmarkte immer weiter verschärfte und die Arbeitslosigkeit auf Seiten der Staatsangestellten und -arbeiter sowie in den Lieferindustrien des Staates und in der gesamten Wirtschaft immer weiter vergrößerte. Nach den im Dawes-plan festgelegten Gesetzen war die Deutsche Reichsbank fast aus­schließlich eine Bank der privaten Wirtschaft; solange die Reichsbank gesund war, konnte sie einigermaßen diesen Kreis der Wirtschaft mit Zahlungsmitteln versorgen. Der andere — staatliche — Kreis blieb aber ohne Zahlungsmittel, für ihn mußten die Zahlungsmittel erst mit Hilfe der Vollstreckungsbeamten der Steuerbehörden- aus dem andern Kreis herausgeholt werden. Die Steuergesetze sorgten wohl für Steuerforderungen des Staates, nicht aber für die zur Bezahlung der Steuern nötigen Solutionsmittel.

Hier war ein besonderes Zahlungsmittel nötig: Das Staatspapier­geld, das im Gegensatz zum inflationsgefährlichen „eigentlichen“ Pa­piergeld nicht mit Annahmezwang ausgestattet sein darf. Solche mit freiem Kurse ausgestattete Kassenscheine sind für eine gesunde Finanzwirtschaft, die den regelmäßigen Gang der Volkswirtschaft nicht stören will, unentbehrlich. Während das Staatspapiergeld mit Annahmezwang eine ungedeckte schwebende Schuld des Staates ist; bedeutet das mit freiem Kurse ausgestattete Staatspapiergeld die Mo­bilisierung fälliger Steuerforderungen, also eine voll durch fällige Forderungen gedeckte Schuld. Solche Scheine beruhen ebenfalls auf dem Prinzip der Kompensation. Sie sind gewissermaßen mobilisierte Steuerforderungen, also typisierte Steuerschecke, ähnlich den typi­sierten Kompensationsschecken, die durch kaufmännische Waren­forderungen gedeckt sind: Die Bevölkerung hat laufend große Beträge an Steuern zu zahlen; der Fiskus und seine Beamten zahlen laufend große Beträge an die Bevölkerung. Zwischen diesen Forderungen und


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Schulden ist eine Aufrechnung genau so möglich, wie zwischen den Forderungen und Schulden der privaten Wirtschaft im Wege des Scheck- und Girosystems. Sie geschieht durch Staatskassenscheine, die Kompensationsscheine sind; die kein Zahlungsversprechen ent­halten, sondern nur die Zusicherung, daß sie der Staat an allen seinen Kassen bei Steuer- und Zollzahlungen jederzeit zum vollen Nennwert wie Gold annimmt („Steuerfundation“) 23).

2. Die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzentwurfs folgen hier:

§ 1

Die Reichsregierung wird ermächtigt, Reichskassenscheine in Abschnitten zu 5, 10, 20, 50 und 100 Reichsmark auszugeben.

 

§ 2.

(1) Die Reichskassenscheine werden von der Reichsschuldenverwaltung angefertigt.

(2) Die Reichsschuldenverwaltung hat den Tag der Übergabe an die Reichshauptkasse auf den Reichskassenscheinen zu vermerken.

(3) Sie hat für beschädigte oder unbrauchbar gewordene Scheine für Rechnung des Reichs Ersatz zu leisten, wenn das vorgelegte Stück zu einem echten Reichskassenschein gehört und mehr als die Hälfte eines Reichskassenscheins beträgt. In anderen Fällen leistet sie nach ihrem ptlichtmäßigen Ermessen Ersatz.

(4) Die Reichshauptkasse hat die an sie zurückgelangenden Reichskassen­scheine zu entwerten und der Reichsschuldenverwaltung zur Vernichtung zurückzugeben.

 

§ 3.

 (1) Die amtlich zugelassenen deutschen Börsen haben täglich für die Reichskassenscheine einen Kurs in Reichsmark festzusetzen und bekanntzumachen.

(2) Bis zur Einführung eines freien Goldmarktes in Deutschland wird der Kurs durch Umrechnung des amtlichen Londoner Goldpreises unter Zugrundelegung des Mittelkurses der Reichskassenscheine für Auszahlung London festgesetzt.

 

§ 4.

Ist der Mittelkurs für eine längere Zeitdauer als zwei Tage niedriger als 95 v. H. des Nennwertes, so dürfen neue Reichskassenscheine so lange von der Reichsschuldenverwaltung nicht ausgefertigt und von der Reichs­hauptkasse nicht in Verkehr gebracht werden, bis der genannte Kurs mindestens 95 v. H. beträgt.

 

§ 5.

(1) Über die Reichskassenscheine sind täglich Ausweise im Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger zu veröffentlichen. Diese Ausweise müssen enthalten, gegliedert nach der Stückelung:

1. die Gesamtausgabe an Reichskassenscheinen,

2. den Bestand an Reichskassenscheinen bei der Reichshauptkasse,

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23) Auf Grund dieser wissenschaftlichen Vorarbeiten sind in Deutschland im Jahre 1932—1933 die Steuergutscheine konstruiert worden, die freilich keine Zahlungsmittel sind. Von ihnen wurden rund 1,8 Milliarden RM. emit­tiert (größtes deutsches Staatspapier).


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3. den sich daraus ergebenden Umlauf an Reichskassenscheinen,

4. den Eingang und Ausgang von Reichskassenscheinen bei der Reichsschuldenverwaltung und der Reichshauptkasse.

(2) Der Rechnungshof des Deutschen Reichs überwacht die Richtigkeit der Ausweise und bestätigt sie in der Veröffentlichung.

 

§ 6.

Eine gesetzliche Verpflichtung zur Annahme von Reichskassenscheinen bei Zahlungen, welche in Geld zu leisten sind, findet nicht statt, und zwar weder zum Nennwert noch zu einem anderen Wert.

 

§ 7.

(1) Annahmezwang besteht nur für die Kassen

1. des Reichs,

2. der Länder,

3. der Gemeinden und Gemeindeverbände,

4. der Träger der Sozialversicherung,

5. der Deutschen Reichspost,

8. der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft.

(2) Der Annahmezwang erstreckt sich nicht auf die Einzahlungen im Postscheck-, Sparkassen- und Bankverkehr, insbesondere nicht auf die Ein­zahlungen bei den im Abs. 1 genannten Kassen, die nur der Weitergabe oder der bankmäßigen Verwaltung des eingezahlten Betrages dienen.

 

§ 8.

Die in § 7 bezeichneten Kassen haben die Reichskassenscheine jederzeit zum vollen Nennwerte anzunehmen.

 

§ 9.

(1) Ist der Mittelkurs an einer Börse für eine längere Zeitdauer als 6 Tage niedriger als 95 Proz. des Nennwertes, so hat der Reichsminister der Finanzen die Zahlung einzelner oder aller Steuern teilweise oder ganz in Reichskassenscheinen anzuordnen.

(2) Soweit der Pflichtige einer solchen Verpflichtung nicht nachkommt, hat er einen Zuschlag von 1. v. H. zu entrichten.

 

§ 10.

Wird die geschuldeten Leistung durch Übergabe von Reichskassenscheinen bewirkt, so erlischt mit deren Annahme das Schuldverhältnis.

 

§11.

………..

§ 12.

Der Reichsminister der Finanzen hat Anweisungen zu treffen, um den Austausch der bei den Banken eingegangenen Reichskassenscheine zwischen der Reichshauptkasse, der Reichsbank und den Banken, Sparkassen und sonstigen Kreditinstituten, namentlich durch Einrichtung von Austausch­stellen, zu erleichtern.

3. In einer Zeit, in der ein Viertel bis ein Drittel des Volkseinkom­mens vom Staate beansprucht wird, müssen zur Bewegung dieser riesigen Gütermengen besondere Zahlungsmittel bereitgestellt werden, wenn nicht die gesamte Wirtschaft gestört werden soll. In der Krise pflegen die Steuerquellen zu versiegen; hier ist ein Mittel, die defla-


198                                          Annalen der Gemeinwirtschaft

 

tionistische Stockung im staatlichen Güterkreislauf zu vermeiden und die Steuerquellen wieder zum fließen zu bringen. Zugleich wird die Zentralnotenbank entlastet von dem Bleigewicht des schwebenden Staatskredits, denn mit den gewonnenen Mitteln kann der .Staat seine Kredite bei der Notenbank zurückzahlen. Die bisher überlastete und vom Staatskredit erdrückte Zentralnotenbank vermag wieder besser ihren Aufgaben zur Förderung der privaten Wirtschaft nachzukom­men; auch ohne Monopol würde ihr in der Finanzierung der Groß­industrie und des Außenhandels eine Aufgabe verbleiben, die die mehr lokalen Kompensationsbanken zuerst kaum übernehmen können.

4. Die Sicherung der Reichskassenscheine gegen Mißbrauch besteht in Analogie zu der alten preußischen Tradition von den Tresorscheinen (1810) bis zu den Rentenbankscheinen von 1923 in folgendem:

a) in ihrem freien Kurse und der täglichen Börsennotierung; bei Zuvielabgabe entwerten sie sich also (Disagio), ohne daß die in Geld­einheiten bezeichneten Preise im Lande sich bewegen; eine solche Entwertung ist aber durch den scharfen erzwungenen Rückstrom praktisch auf den Fall größter fiskalischer Mißwirtschaft beschränkt. Für diesen Fall hat bisher auch kein anderes System Sicherheit zu verschaffen gewußt.

b) in ihrer Steuerfundation: Jedermann kann mit ihnen seine Steuerschulden zu pari bezahlen, so daß ein Disagio dieser Scheine zu einem Sturm auf die Steuerkassen führen würde.

c) in der Vorschrift, daß die Ausgabe von Kassenscheinen ausgesetzt werden muß, wenn sich ein nennenswertes Disagio zeigt. Der Rück­fluß infolge der Steuerfundation vermindert sofort den Gesamtbetrag;

die verbleibende Nachfrage sorgt für Parität.

d) in der Vorschrift, daß der Finanzminister die Zahlung einiger oder aller Steuern nur in Kassenscheinen anordnen muß, um den Rückfluß zu beschleunigen. Hierdurch wird im Notfall eine besonders starke Nachfrage erzwungen.

e) in der Möglichkeit, die Kassenscheine jederzeit auf gesperrte Goldkonten bei den Steuerkassen einzuzahlen als Vorauszahlungen auf zukünftige Steuern. Solche „Steuerguthaben“ sind nicht rück­forderbar, sondern nur zu Steuerzahlungen verwendbar; sie sind ver­zinslich und übertragbar, außerdem steuerfrei; sie stellen also eine Art halb-langfristige Goldanleihe des Reiches dar 24). Sie sind auf Goldmark gestellt, so daß der Inhaber von Staatskassenscheinen in dem ganz unwahrscheinlichen Fall der Entwertung jederzeit eine Forderung; von der Art einer Goldanleihe des Reichs mit Siche-

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24) Auch das Rentenbankgesetz von 1923 kannte die Möglichkeit der Ein­zahlung der Scheine auf eine wertbeständige Anleihe.



Arbeitslosigkeit, Problem des Umsatzkredit u. Zahlungsmittelversorgung                              199

 

rung durch eine Art Verpfändung der Steuereinnahmen dafür er­werben kann. Damit wird der Staat der Versicherer des Volkes gegen Inflation; er wird eine Steuerbank; er erhält gerade in Zeiten der Vertrauenskrise eine halblangfristige Anleihe 25); er verwirklicht zu­gleich die Ehrlichkeit.

5. Wie sicher der Kurs solchen Staatspapiergeldes auf pari stehen würde, ergibt sich daraus, daß bei einer Ausgabe von einer Milliarde Mark der gesamte Umlauf jährlich etwa 12mal zurückgekauft worden wäre, da die Steuereinnahmen von Reich, Ländern und Gemeinden damals im Jahre rund 12 Milliarden ausmachten. Zwölfmal jährlich wäre es zur Kompensation gekommen; eine so große Nachfrage hätte ohne allen Zweifel den Kurs auf pari gehalten. Die ausgezeichneten Erfahrungen, die Preußen in den Napoleonischen Kriegen mit sol­chen Kassenscheinen gemacht hat, sprechen hierfür; bekanntlich war es Freiherr vom Stein, der von 1812—1815 den Krieg Rußlands — nach dem ruhmreichen Voranschreiten Spaniens — und später aller Verbündeter gegen Napoleon I. in dieser Weise erfolgreich und ohne Inflation finanzierte. In den meisten anderen Ländern bestehen ähn­liche Traditionen, vgl. Lorenz von Stein, Finanzwissenschaft, Bd. II, 1886, und De Viti de Marco, Finanzwissenschaft, in mehreren Spra­chen um 1928, Hauptteil über Staatspapiergeld (hier und dort ist dieselbe Lehre eingehend vertreten). Diese historischen Erfahrungen haben wir heute für den Krieg gegen die Wirtschaftsnot nutzbar zu machen.

 

IV. Entwurf eines „Gesetzes“ über die Hebung der Rentenkurse und die Senkung der Effektivzinsen durch Einführung der Kompensation im Anleihewesen.

 

1. Noch für ein drittes Gebiet des Zahlungsmittelmangels ist das Prinzip der Kompensation nutzbar zu machen: für den langfristigen Staatskredit. Seit 1931 konnten Reich, Länder und Gemeinden ihre fälligen Schulden nicht mehr oder nur noch mit Mühe bezahlen. Das gleiche galt bald für große Teile der Emittenten privater Anleihen, da die ganz großen Unternehmungen, die vorzugsweise den Kapital­markt beansprucht hatten, der Krise zuerst zum Opfer fielen. Das Anleihewesen und der Rentenmarkt kamen völlig in Verfall; die Kurse sanken zum Teil auf unter 50 und 30 Proz., so daß die Effektiv­verzinsung zeitweise auf über 25 Proz. stieg. Die enormen Zinssätze und die Zerstörung des Kapitalmarktes machten jede Arbeitsbeschaf­fung vollends unmöglich; sie störten aber auch den kurzfristigen

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25) Hierüber besteht ein besonderer Gesetzentwurf, der hier nicht mit ab­gedruckt ist. Vgl. Fußnote 19 S. 185.


Annalen der Gemeinwirtschaft                                                                                          200

 

Umsatzkredit und den kurzfristigen .Staatskredit, von dem eben die Rede war. Dieser konnte nicht reorganisiert werden, ohne daß eine Hilfe für den langfristigen Staatskredit und den Anleihemarkt ge­schaffen war.

Es galt, die Schuldner von Anleihen wieder zahlungsfähig zu machen, es galt weiter, eine solche Nachfrage nach Anleihestücken an der Börse zu schaffen, daß die Kurse auf 100 Proz. stiegen und eine Konversion der damals mit 6—8 Proz. nominell verzinslichen Anleihen in niedrig verzinsliche Serien möglich wurde. Die Ausgabe billiger Anleihen zur Umschuldung der großen schwebenden Verschul­dung und zur Arbeitsbeschaffung war nur dann möglich. Diese Fra­gen der Zinssenkung können an dieser Stelle nicht im Einzelnen behandelt werden; der Verf. hat hierüber im Auftrage amtlicher Stel­len eingehende Gutachten erstattet, die im Bankarchiv vom 15. Juni 1933 zum Teil veröffentlicht sind.

2. Die vom Kompensationsprinzip gewiesene Lösung des dabei ent­stehenden Zahlungsmittelproblems war, die Schwierigkeiten, soweit sie durch die Unmöglichkeit der Beschaffung der monopolisierten Zahlungsmittel verursacht waren, durch Verwendung der Anleihe-Stücke 'selbst als Solutionsmittel zu beheben. Dieses Verfahren hatte sich in Deutschland infolge der erwähnten Veröffentlichungen aus der Praxis heraus entwickelt. Viele Großstädte haben Beträge von Hunderten von Millionen in Hypotheken, Restkaufgeldern, Dar­lehen usw. ausgeliehen. Die Schuldner waren zwar vorwiegend finan­ziell schwach, aber doch war eine große Anzahl von kleinen Haus­besitzern, von Angehörigen des Mittelstandes und gesunder mittlerer Betriebe sehr wohl in der Lage, Rückzahlungen sogar vorzeitig zu leisten, wenn sie einen besonderen Anreiz erhielten. Da erklärten sich einige und später immer mehr Großstädte bereit, ihre eigenen Schuld­verpflichtungen zum Nennwerte als Zahlungsmittel anzunehmen: die Tilgung ihrer langfristigen Forderungen statt in monopolisierten Zwangszahlungsmitteln in den Stücken ihrer eigenen Anleihen („in Natura“) anzunehmen, also die Kompensation solcher langfristiger Darlehen der Städte mit den langfristigen Schulden der Städte zu gestatten. Es ist dies im Grunde nichts als eine selbstverständliche Folge des Ehrlichkeitsbegriffes.

Hierdurch entstand eine so große Nachfrage nach solchen Kommunalanleihen, daß die Kurse gerade im Augenblick der Zahlungs­einstellung zweier der wichtigsten Großstädte (im September 1932) um nicht weniger als 10 Proz. vom Nominalbetrage stiegen. Es war eine neue Verwendungsmöglichkeit für Anleihen geschaffen. Die In­haber brauchten nicht mehr voll Verzweiflung der immer weiter



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                                  201

 

sieh verschlechternden Kassenlage der Schuldner zuzusehen, sondern sie konnten Kompensationsmöglichkeiten erschließen und dadurch immer größere Teile der langfristigen Schulden gegenseitig zum Er­löschen bringen. Dabei erhielten sie volle 100 Proz. Da die Städte in Deutschland über sehr große Elektrizitäts-, Gas-, Wasser- usw. Werke verfügen, die oftmals den Gläubigern der Städte in Form von Aktiengesellschaften zur Verfügung gestellt werden konnten, wo­bei sehr große Aufrechnungsmöglichkeiten entstanden, war die Liqui­dierung eines Hauptteils des langfristigen Schuldenwesens der Städte nach dieser Methode möglich. (Die Frage der verschiedenen Fällig­keiten soll hier nicht näher erörtert werden; darüber siehe meinen Aufsatz im Bankarchiv vom 15. Juni 1933.)

Dieses Prinzip wurde in einem Gesetzentwurf auch auf den An­leihekredit des Reichs und der Länder ausgedehnt; dabei wurden eine große Anzahl von konstruktiven Einzelmaßnahmen vorgeschlagen. Auch für die Emissionen der Hypothekenbanken wurde das Prinzip nutzbar gemacht, die daraufhin auch einen erheblichen Kursauftrieb erfuhren; nicht weniger als 400 Millionen BM. von einem Gesamt­umlauf von 6300 Mill. RM. wurden hier im Verlaufe von 17 Monaten zur Kompensation eingereicht; sie entlasteten den Markt durch Käufe in einer Zeit, wo jede Kurspflege fehlte, da niemand kaufte. Auch in der Gesetzgebung erfuhr das Prinzip Eingang; in der vierten Not­verordnung von Dr. Brüning wurde den Schuldnern von Hypotheken das Recht eingeräumt, ihre Hypotheken anstatt in bar in Pfand­briefen zum Nennwerte zurückzuzahlen. Die Schuldner kauften also Pfandbriefe, die zeitweilig nur 65 Proz. standen (die Reichs-, Länder- und Gemeindeanleihen waren zeitweise bis auf 30 oder 40 Proz. ihres Nennwertes gefallen) billig auf, entfalteten also Nachfrage nach Pfandbriefen und reichten diese Stücke bei den Banken zur Tilgung ihrer Schulden in natura zum Nennwerte ein 26). Schließlich wurde das Prinzip sogar für Industrieobligationen vorgeschlagen, wo sich oft durch Absatz von alten Warenlagerbeständen gegen Einreichung von fast wertlos gewordenen Anleihestücken eine Entschuldung durch Kompensation ermöglichen ließ. Die Kurssteigerungen waren groß.

4. Die starke Kurssteigerung der Anleihen und die Wiedererweckung des Vertrauens der Anleihebesitzer war später der Ausgangspunkt für die systematisch von Reichsregierung und Reichsbank angebahnte sog. „organische Zinssenkung“, also eine Zinssenkung, die nicht durch erneute gesetzliche Beraubung der Gläubiger, wie sie Brüning durch­geführt hatte, sondern durch Kurssteigerung verwirklicht werden

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26) Vgl. mein Enquete-Gutachten: Lage und Gesundungsmöglichkeiten der Hypothekenbanken, Berlin 1934, Reichsbank; S. 32—40 und 57 ff.


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sollte. Wie Dr. Otto Christian Fischer, der Führer des deutschen Bankwesens und Präsident des Centralverbandes des deutschen Bank- und Bankiergewerbes einmal erklärte, bedeutet die Forderung nach Zinssenkung nichts als die Forderung nach Kurserhöhung, da der Effektivsatz, und nicht der Nominalzinssatz entscheidend ist. Nur ein niedriger Effektivzinssatz, zu dem wirklich Kredite erhältlich sind, kann zur Wiedereingliederung der Arbeitslosen führen, nicht aber eine künstliche Senkung des Nominalzinssatzes, zu dem dann keine Kredite erhältlich sind 27).

 

V. Entwurf eines „Gesetzes“ über wertbeständige Rechnung.

 

Die allgemeine Durchführung des Kompensationsprinzips, die Be­seitigung des Monopols, der Inflation, der Deflation und des Annahme­zwanges erfordern auch in der staatlichen Währungsgesetzgebung die Rückkehr zu Grundsätzen, wie sie bis Ende des vorigen Jahrhunderts in den meisten Ländern herrschend gewesen sind. Die Begriffe der Währungseinheit und des Solutionsmittels müssen wieder getrennt werden. Bei der reinen Goldgewichtswährung mit freiem Goldmarkt war diese Trennung notwendig und verwirklicht gewesen, denn Frei­heit des Goldpreises kann nichts anderes bedeuten, als die Möglich­keit des Schwankens des Wertes der papiernen Zahlungsmittel. Wir hatten gesehen, daß diese Trennung auch in Deutschland im Verlaufe der letzten Jahrzehnte aufgehoben war, womit die verschiedenen For­men der Papierwährung, darunter die sogenannte Goldkernwährung (Gold-Exchange-Standard), ins Leben traten, bei denen für Bank­noten der Zentralbank Annahmezwang besteht. Hiermit waren Auf­fassungen von Inflation in die Bevölkerung gedrungen, die vom Standpunkte der Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Wirtschaftsprozeß untragbar waren: Jede Art Vermehrung der Umlaufsmittel sollte angeblich die Stabilität der Währung gefährden. Man hatte nach den Zwangskurstheoretikern nur die Wahl zwischen massenweiser Arbeitslosigkeit und Inflation. Es blieb der Politik überlassen, zwischen beiden Formen des wirtschaftlichen Unglücks zu wählen.

Nach der hier vertretenen Auffassung gilt diese verhängnisvolle Alternative nur im Zwangskursregime. Um uns davon zu befreien und reichliche Versorgung mit Zahlungsmitteln bis zur Wiederbeschäfti­gung der Arbeitslosen zu erreichen 28), ohne die Gefahr einer Auf­blähung der Preise zu laufen, müßte die Gesetzgebung über Währung,

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27) Über die „organische Zinssenkung“ vgl. die Abhandlung des Verf. im Bankarchiv vom l. Mai und 15. Juni 1933.

28) Der Verfasser ist sich bewußt, daß die Arbeitslosigkeit auch außerhalb des Kredits viele Ursachen hat; hier kann nur versucht werden, die kreditären Hemmnisse der Arbeitsbeschaffung zu beseitigen.



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                             203

 

Münze, Zahlungsmittel und Annahmezwang, die in Deutschland gilt, geändert und auf die älteren und gesünderen Prinzipien zurück­geführt werden. Diesem Ziele diente der vierte „Gesetzentwurf“, der in zwei Teile zerfällt: einen über ein neues Währungsgesetz, den andern über die Sanierung der damals schwer kranken deutschen Zentral­notenbank. Wir lassen den Text des ersten Teils folgen:

 

§ 1.

Im gesamten Zahlungs- und Kreditverkehr ist ohne Rücksicht auf die Bewertung der Zahlungsmittel in wertbeständigen Einheiten zu rechnen.

 

§ 2.

(1) Wertmesser ist das Gold.

(2) Rechnungseinheit ist die Reichsmark, die in 100 Reichspfennige ein geteilt ist.

(3) Eine Reichsmark ist gleich dem Werte von 1/2790 Kilogramm Feingold.

(4) Durch Vereinbarung können andere Wertmesser als das Gold bestimmt werden.

 

§ 3.

Reichsgoldmünzen sind das einzige Erfüllungsmittel, das im Verkehr un­beschränkt und zum Nennwert angenommen werden muß. Eine Verpflich­tung zur Lieferung von Gold oder Münzen zur Erfüllung von auf Reichs­mark lautenden Verbindlichkeiten besteht nicht 29).

 

§ 3a.

Der Gläubiger hat durch Annahme seiner fälligen auf Reichsmark lauten­der Schuldurkunden und Gutscheine und derjenigen seiner Gläubiger zum Nennwerte aufzurechnen, wenn der Schuldner solche anbietet. Der Gläubiger hat die Aufrechnungsmöglichkeit durch berufsübliche Bereitstellung seiner Lieferungen und Leistungen (Ladenfundation) und durch Angabe seiner Bankstelle zu erleichtern. Aufrechnung ist das einzige Erfüllungsmittel, das im Verkehr vom Gläubiger auf die Höhe seiner Schuld beschränkt zum Nennwert angenommen werden muß. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über Aufrechnung bleiben unberührt; die Beschränkungen der Aufrechnung bei Schuldnern öffentlichen Rechts werden autgehoben 29).

 

§ 4.

(1) Eine Verpflichtung zur Annahme von Banknoten bei Zahlungen, welche gesetzlich in Geld zu leisten sind, findet nicht statt.

(2) § 3 Abs. 2 des Bankgesetzes vom 30. August 1924 (Reichsgesetzbl. II S. 253) (Annahmezwang für Reichsbanknoten, Dawes-Gesetz) wird auf­gehoben.

(3) In § 5 Abs. 1 Satz 1 a des Münzgesetzes vom 30. August 1924 (Reichs­gesetzbl. II S. 254) werden die Worte „und die von der Reichsbank aus­gestellten auf Reichsmark lautenden Noten“ gestrichen. (Desgl.)

 

§ 5.

(1) Die amtlich zugelassenen deutschen Börsen haben täglich für die Reichsbanknoten einen Kurs in Reichsmark festzusetzen und bekannt zu­ machen.

(2) Bis zur Einführung eines freien Goldmarktes in Deutschland wird der Kurs durch Umrechnung des amtlichen Londoner Goldpreises unter

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29) § 3 Satz 2 und 8 3 a sind hier vom Verf. neu eingefügt.


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Zugrundelegung des Mittelkurses der Reichsbanknoten für Auszahlung Lon­don festgesetzt.

§ 6.

Im Verkehr bleiben im Zweifel Kursabweichungen der verkehrsüblichen Zahlungsmittel vom Nennwerte um je 1 v. H. nach oben oder unten außer Betracht.

§ 7.

Unterbleibt die Feststellung oder die Veröffentlichung des Kurses eines Zahlungsmittels oder findet für einen Zeitraum von länger als 6 Börsentagen eine beschränkte Zuteilung von Gold oder Devisen statt, so kann der Gläubiger die Annahme der Leistung so lange verweigern, wie die Feststellung oder Bekanntmachung des Kurses unterbleibt oder die be­schränkte Zuteilung andauert.

§ 8.

Wird eine geschuldete Leistung durch Übergabe von Reichsbanknoten bewirkt, so erlischt mit deren Annahme das Schuldverhältnis.

§ 9.

Die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Schuldverhältnisse gel­ten als wertbeständig.

Wir haben diesen „Gesetzentwurf“ abgedruckt, weil er die schlüs­sigste Widerlegung des Einwandes des Inflationismus bildet und weil er in kurzer und radikaler Form die reine Goldwährung ohne deren bisherigen Fehler, die Lieferungsverpflichtung von körperlichen Zah­lungsmitteln, hinzustellen versucht. Zugleich versucht er das Kom­pensationsprinzip klarzustellen.

Wenn auch diese Gesetzentwürfe nur wissenschaftlichen Wert haben und nur Grundlage für die Entscheidung der maßgebenden Stellen sein können, so hat doch die extreme Herausarbeitung der wissenschaftlich richtigen Prinzipien nicht in allgemeinen Worten, sondern in einer praktisch faßlichen Weise große Wirkung auf die Praxis ausgeübt. Während alle anderen Verbesserungsvorschläge ge­wisse amerikanische und englische Vorbilder kopieren wollten, die lediglich als Notbehelfe anzusehen sind, und daher die weitere Ver­mehrung des auf Grund von illiquiden Forderungen und Effekten ausgegebenen Papiergeldes und die Ausdehnung des Zwangskurses auf das Giralgeld forderten, ist hier für die Wiedereingliederung der Arbeitslosen gerade das Gegenteil verlangt worden.

 

d) Ergebnis.

1. Prinzipielles Ergebnis. Notwendigkeit einer Sättigung mit Zah­lungsmitteln.

In der Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den regulären Wirtschaftsprozeß hatten wir die erste große Aufgabe ge­sehen. Wir waren dabei von dem Güter- und Geldkreislauf in einer kleinen Zahlungsgemeinschaft ausgegangen. Wir erkennen, daß die



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                  205

 

bei der Produktion von Gütern entstehenden Kosten und Ausgaben in den Händen der Arbeiter, der Angestellten und der Bezieher von Zins und Rente zu Einkommen werden. Wir erkennen ferner, daß die Güterproduktion entweder der direkten Versorgung der Be­völkerung mit Konsumgütern, oder der Erstellung langlebiger Anlage­güter dient. In beiden Fällen hat der Kredit eine wichtige Rolle zu spielen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern, der „reguläre Wirtschaftsprozeß“, ist nicht möglich ohne eine Lösung des Problems des Umsatzkredits. Wir hatten erkannt, daß sich der Umsatzkredit in seiner heutigen Organisation sehr weit von seiner ursprünglichen Aufgabe, den Umsatz und Absatz der Güter zu för­dern, entfernt ist. Wir hatten weiter erkannt, daß bei dieser Ent­fremdung des Geldverkehrs vom Warenverkehr die Fragen der Bank­organisation, der Währung und der Zahlungsmittel, insbesondere aber auch das Problem des Notenmonopols der Zentralbank und des Annahmezwanges für Papiergeld eine bedeutsame Rolle spielen. Ein positiver Teil, in dem wir beispielhaft einige Gesetzesentwürfe dar­stellten, zeigte uns, daß mit der Beseitigung dieser Schlacken, die im Verlaufe der geschichtlichen Entwicklung das Umsatzkreditsystem in den meisten Ländern der Welt bedeckt hatten, eine Lösung des Problems der Wiedereingliederung der Arbeitslosen noch nicht mög­lich ist. Es wurde daher das Prinzip der Kompensation entwickelt, das als ein neues Solutionsprinzip einen großen Teil der bisher un­lösbaren Probleme des Umsatzkredits und der Arbeitslosigkeit zu lösen verspricht.

Als prinzipielles Gesamtergebnis der Behandlung von Umsatzkredit und Arbeitslosigkeit können wir die Forderung aufstellen, daß der Verkehr so reichlich wie möglich mit Zahlungsmitteln versorgt wer­den muß. Werden zuviel Zahlungsmittel irgendeiner Ausgabestelle ausgegeben, so tritt beim System des freien Kurses deren Entwertung in Form eines Disagio, beim Annahmezwang die Inflation ein. Zu meiden ist die Knapphaltung und die Zuvielausgabe von Zahlungs­mitteln. In der Mitte liegt gewissermaßen der Sättigungsgrad, der am meisten Gewähr dafür bietet, daß von Seiten des Umsatzkredits kein Arbeiter daran verhindert wird, das herzustellen und auszu­tauschen, was er und seinesgleichen konsumieren möchten.

 

2. Praktische Teillösungen: Das Zentralbanksystem und die Zukunft unseres Bank- und Zahlungswesens.

Diesem prinzipellen Gesamt­ergebnis sind praktische Teillösungen untergeordnet: Relativ erträgliche Bedingungen für die Wiedereingliederung der Arbeitslosen lassen sich auch beim monopolistischen Zentralbankregime durch folgende Maßnahmen schaffen: Gesunderhaltung der Zentralbank, deren Be-


206                                Annalen der Gemeinwirtschaft

schränkung auf den Umsatzkredit, Rückführung des Kredits an den Warenverkehr, Gesunderhaltung oder Sanierung des kurzfristigen und langfristigen Staatskredits; Verweigerung der Unterstützung ge­fährdeter Bank- und Industrieunternehmungen, da solche Mittel der gesunden Wirtschaft entzogen werden und solche Politik Kredit­restriktionen oder Inflation nach sich zieht; Deckung der Banknoten nicht durch Industrie- und Staatspapiere und ähnliche illiquide Werte, sondern durch sich selbst liquidierende Handelswechsel und ähnlichen Forderungen. Daß man mit dieser herkömmlichen Politik, die in den meisten Ländern aufgegeben worden ist, besser fährt als mit den unerprobten Methoden der Konjunktur- und offenen Markt­politik der letzten Zeit, die so sehr an die Bankrestriktionszeit in England vor 1844 erinnern, ist gewiß. Trotzdem wird man unter den heutigen veränderten Verhältnissen damit in großen Schwierigkeiten verbleiben, wie die nächsten Jahrzehnte zeigen werden; sie werden weitere Maßnahmen erzwingen.

Denn bessere Bedingungen für die Wiedereingliederung der Er­werbslosen sind gegeben, wenn man sich zur Beseitigung von Mono­pol- und Annahmezwang entschließen kann und zu der freieren und wirtschaftlicheren, auch der Entwicklung eines kräftigen und selb­ständigen Menschenschlages förderlichen Bank- und Geldwirtschaft des letzten Jahrhunderts zurückkehrt, unter der Europa schon ein­mal geistig und wirtschaftlich eine außerordentliche Blütezeit durch­gemacht hat. Noch besser wird man die Arbeitslosen einschalten und krisenhafte Zusammenbrüche ausschließen können, wenn man die Einlösbarkeit und die bare Rückzahlbarkeit der Banknoten und Bank­guthaben beseitigt und mit Hilfe von in- und ausländischen Ein­kaufsscheinen zum neuen Solutionsprinzip der Kompensation über­geht, das ebenfalls eine große Geschichte aufzuweisen hat. Alle er­denklichen Sicherungsmaßnahmen wären dabei zu verwenden; nur wenige davon konnten erörtert werden 80).

 

3. Grenzen der Bedeutung des Umsatzkredits für die Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit.

So groß die Bedeutung einer vor­teilhaften Organisation des Umsatzkredits für das Erwerbslosenproblem auch sein mag, so optimistisch die praktischen Schlußfolgerungen auch stimmen mögen, die wir gezogen haben, so dürfen wir doch die bisher gebotenen Teillösungen nicht überschätzen. Einmal ist die Ar­beitslosigkeit keineswegs nur durch monetäre Ursachen bedingt, son­dern nur die vorliegende Abhandlung ist auf die Behandlung der

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30) Vgl. insbesondere die Methode vierfacher Sicherung der Inhaber von Privatbanknoten in Kanada unter anderm durch eine zentrale Banknoten-Versicherungskasse, die seit 70 Jahren erfolgreich arbeitet und den Notenin­habern jeden Verlust erspart hat; dazu durch ein Konkursvorrecht usw.



Arbeitslosigkeit, Umsatzkredit und Zahlungsmittelversorgung                                                207

 

monetären und kreditären Ursachen beschränkt. Sodann war wenig­stens bis vor kurzem der Umsatzkredit in Europa immer noch der bei weitem am besten entwickelte Kreditzweig. Trotzdem war schon von 1929 an in den meisten Ländern der Welt die Arbeitslosig­keit sehr groß, eine Erscheinung, die nicht allein auf die Störun­gen im Umsatzkredit zurückgeführt werden kann. Erst durch den Zusammenbruch des Umsatzkreditsystems, der latent verschiedentlich vorbereitet, in Deutschland im Jahre 1931 und in anderen Ländern kurz vorher oder kurz danach erfolgte, sind diese Fragen des Umsatz­kredits besonders aktuell geworden. — Weiter dürfen wir nicht ver­gessen, daß die Leistung der Maschinen in der heutigen Konsum­güterproduktion so groß ist, daß alle Arbeitslosen auch dann nicht untergebracht werden könnten, wenn alle Unbeschäftigten voll zu konsumieren anfangen würden. Es herrscht ein Übermaß an Pro­duktionskapazität. Der vorhandene Konsumgüterproduktions- und Absatzapparat kann, wenn er nur eine Million Arbeiter neu einstellt, vielleicht den Konsum von zwei Millionen zusätzlichen Konsumenten decken. Ein Teil der Arbeitslosen wird also heute bei vollem Betrieb der Wirtschaft zu seiner eigenen Versorgung mit Konsumgütem gar nicht mehr gebraucht. Will man auch diesen Teil der Arbeitslosen beschäftigen, so muß man sie nicht Konsumgüter, sondern langlebige Kapitalgüter herstellen lassen und sie dabei mit den in der Kapazität der Konsumgüterindustrien verbliebenen Verbrauchsgütern entlohnen. Wie man weiß, hat dies insbesondere die deutsche Regierung im Jahre 1933—34 mit großem Erfolg getan.

Man muß sich also, um mit Karl Diehl 31) zu sprechen, vor einer Überschätzung der „Zirkulationssphäre“ hüten, da ein ebenso großer Teil der kausalen Faktoren der Konjunkturen wohl nicht hier, son­dern in der „Produktionssphäre“ zu suchen ist. Dieser Problemkreis ist jedoch hier nicht mehr zu erörtern 32).

Die Schwierigkeit der Konsolidierung der bei diesen Investitionen kontrahierten Schwebeschulden mangels einer Verflüssigung des Ban­ken- und Börsenapparats machen diesen Weg, wie Staatssekretär F. Reinhardt richtig ausgeführt hat, in Zukunft ungangbar. Der Re­organisation des Umsatzkreditapparats, für die die Bankenquete den Auftakt bilden sollte, wendet sich nunmehr die allgemeine Aufmerk­samkeit zu.

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31) Vgl. Karl Diehl, Über neuere Kredittheorien im Lichte der Lehre von Macleod, 1928, S. 116 und 140.

32) Vgl. das Buch des Verf. „Arbeitslosigkeit und Kapitalbildung“, Jena 1930, Barcelona 1934 in spanischer Ausgabe erscheinend; sowie die Abhand­lung von v. Beckerath in diesem Bande.