Ulrich von Beckerath,

26.8.49.     

Mein Brief von gestern

 

      Lieber Herr Dr. Runge,

 

als wir noch eine Goldumlaufswaehrung hatten, diese Waehrung aber verbunden war mit einem Rechtsanspruch der Glaeubiger auf Goldmuenzen, da war der Handel auf gaenzlich andere Grundlagen gestellt als heute. Die Oekonomisten - - mit sehr wenigen Ausnahmen - - mir faellt im Augenblick wahrhaftig nur Rittershausen ein - - uebersehen das.

      Dass Gold das Wertmass war, das war natuerlich ein Vorteil, aber, dass die Glaeubiger - - Auslaender und Inlaender - - einen Rechtsanspruch auf Goldmuenzen hatten, das war sehr uebel. Wie oft ergab sich da, dass scheinbar eine allgemeine Pleite eingetreten war. Kein Wunder, denn die Menge des zur Zahlung zur Verfuegung stehenden Goldes war ja, verglichen mit den Aussenhandelsumsaetzen, sehr gering. Erst beim Konkurs, wo das noetige Clearing herbeigefuehrt wurde, da ergab sich, dass es mit der Pleite nicht so schlimm war. Wuerde man, wie waehrend des Mittelalters in ganz Europa, bestimmt haben, dass Kaufleute einen Rechtsanspruch auf Clearing haben, so waere die Pleite gar nicht eingetreten.

      Dann aber hatte der Export von Geld, als Folge des Rechtsanspruches der Glaeubiger, die bekannten Auswirkungen: Auch die Binnenhandels-Umsaetze waren auf einmal sehr erschwert, und auch hier gab's Pleiten.

      Die frueher mal ganz richtig gewesenen Vorstellungen und Befuerchtungen werden nun heute kritiklos auf das uneinloesbare Papiergeld angewendet, und dessen Uebereignung an Auslaender wird genau so erschwert, wie frueher der Goldexport. Die Oekonomisten uebersehen dabei aber, dass z.B. englische Noten, die etwa einem Amerikaner zur Bezahlung fuer Baumwolle gegeben werden, England gar nicht verlassen. Der Amerikaner zahlt sie entweder bei einer Bank als Depositum ein, oder er verkauft die Noten gleich, und der Kaeufer belaesst die Noten natuerlich auch zunaechst mal bei der Bank. Die Bank aber schliesst die Noten nicht etwa dauernd in ihre Geldschraenke, sondern versucht sie noch am gleichen Tage wieder auszuleihen, damit's keine Zinsverluste gibt.

      I.J. 1913 da konnte sich ein solches Disagio, wie es heute moeglich waere, d.h. von 10% und mehr, gar nicht bilden. Wenn der Wechselkurs die Goldpunkte ueberschritten haette, dann wuerde man Gold exportiert haben. In gewisser Beziehung ist also heute das uneinloesbare Papiergeld dem einloesbaren ueberlegen. Auch bewirkt die Uneinloesbarkeit natuerlich, dass die Versuchung, Bankguthaben in bar abzuheben, heute sehr viel geringer ist als frueher, denn bei der Barabhebung erhaelt man ja kein Gold, sondern eben wieder uneinloesbarer Papiergeld, dessen Verwendungsmoeglichkeit auf Kaeufe im Inland beschraenkt ist. Zur Vollkommenheit fehlt dem System aber trotzdem noch viel, naemlich

a.) die Bestimmung, dass zwar der Glaeubiger keinen Rechtsanspruch auf Gold hat, er aber

b.) trotzdem einen Anspruch auf Gold-Wert vereinbaren darf.

 

      Die Moeglichkeit sehr grosser Disparitaeten aber, wie man sie frueher als katastrophal angesehen haben wuerde, die ist einer der groessten Vorteile der Ausschliessung des Rechtsanspruches der Glaeubiger auf Gold. Diese Moeglichkeit kann den Aussenhandel in Gang halten, auch wenn nach allen frueheren Theorien kein Aussenhandel mehr moeglich ist.

 

      Der Vorteil durch grosse Disparitaeten ist aber nicht moeglich, wenn - - wie heute allgemein - - der Glaeubiger in der Waehrung desjenigen Landes bezahlt wird, in dem er wohnt, z.B. die Amerikaner in Dollars. Fuer den Glaeubiger ist es meistens sehr bequem, in dieser Weise bezahlt zu werden, ein vernuenftiger volkswirtschaftlicher Grund besteht aber trotzdem nicht dazu. Ausgenommen sind solche Faelle, wie sie in diesen Wochen allerdings gerade wieder einmal eingetreten sind, vor allem in England. Jeder wusste, dass die massgebende, englische Regierungsabteilung sich ernstlich mit einer Abwertung des Pfundes beschaeftige. Die Zeitungen berichteten auch, dass die Abwertung schon insofern begonnen habe, als die Regierung in Kanada Pfunde mit einem Abschlag verkaufen liess. Solche Pfunde nimmt jeder natuerlich nur mit grosser Vorsicht, und ein Importeur, der z.B. Baumwolle nach England importierte, und den Preis dafuer in Pfunden vereinbarte, der waere ein Schaf. Ist aber die Gefahr der Abwertung irgendwie ausgeschaltet, dann besteht kein Grund mehr, dass die Englaender nicht ihre saemtlichen Importe mit Pfunden bezahlen. Wenn die Englaender da energisch drauf bestehen, dann setzen sie sich auch durch, denn z.Zt. ist es so, wie es von jeher in der Volkswirtschaft gewesen ist der Verkaeufer ist auf den Verkauf unbedingt angewiesen, der Kaeufer aber kann warten - - nicht unbegrenzt lange, aber laenger als der Verkaeufer - - und nur darauf kommt es an.

      Die englischen Banken aber sind natuerlich gegen die Bezahlung der Importe in Pfund. Warum? Wenn nicht in Pfunden gezahlt wird, dann muessen die Englaender zu ihren Banken gekrochen kommen, vielmals Katau machen und abwarten, ob die allmaechtigen Banken ihnen Dollars etc. ablassen. Darf in Pfund gezahlt werden, dann ist die Beschaffung des Zahlungsmittels kein Problem, (J.Z: kein so grosses Problem, denn die Probleme, die sich aus dem Notenausgabemonopol der Bank von England und aus dem Recht der Glaeubiger auf Zahlung in den Noten dieser Zentralbank ergeben, wuerden verbleiben. - J.Z., 10.11.03.) und die Gewinne der Banken aus ihrem Monopol entfallen.

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Mit bestem Gruss

Ihr

gez.: U. v. Beckerath.

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 439 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Page 1375.